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Toby P.O.V.

Drei Tage vergingen und bisher fehlte jede Spur von ihr. Sie war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, als hätten sie sie in ein anderes Land gebracht, irgendwohin wo man sie nicht finden konnte und egal wie oft ich die Polizei anrief oder die Cops auf den Straßen fragte, die Officer wussten von nichts...  Auch  Sarahs Tante, die tagsüber manchmal verschwand und meist spät abends erst  wieder zurückkehrte, wusste von nichts und sagte nur, dass mit jeder Stunde die Wahrscheinlichkeit schwand, sie noch lebend zu finden.

Es war grauenvoll daran zu denken, dass sie vielleicht tot war und die Polizisten vielleicht schon nach einer Leiche suchten, als nach einem lebendigem Mädchen. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was sie gerade mit ihr machten in diesem Moment. Sie hatten sie einfach entführt..., aus dem Leben entrissen, vor unserer Haustür aus dem Hinterhalt... Und es war meine Schuld... Vielleicht hätten sie sie nicht überwältigt, wenn wir reingegangen wären und dort gesprochen hätten... Oder wenn ich sie besser verteidigt hätte...
Nun war es passiert und ich machte mir Vorwürfe, dass es ihrer Tante so schlecht ging, die an dem Abend ihre einzige Nichte verloren hatte, die Einzige aus ihrer Familie, die ihr noch geblieben war.

Manchmal kam sie einfach zu uns rüber, setzte sich mit meinen Eltern an den großen Esstisch und weinte. Sie war verzweifelt, fühlte  sich von den Cops allein gelassen und erzählte uns meistens, wie einsam es in dem Haus ohne Sarah war, wie sehr sie sie vermisste, ihre Gesellschaft, ihre Klänge, die sie auf dem Klavier gespielt hatte, und vor allem aber die Stille, wenn sie oben in ihrem Zimmer gemalt hatte und sie dabei das Gefühl verspürt hatte, dass jemand da war, obwohl es ruhig war. Nun war es totenstill und sie verstand, wie sich Sarah gefühlt haben musste, als sie die ersten Wochen nach dem Krankenhaus hier alleine verbracht hatte.

,,Oh ganz allein war sie nicht,"entgegnete ihr meine Mutter nachher beim Abendbrot und stellte uns Getränke auf den Tisch. ,,Toby kam sie öfter mal besuchen",meinte sie und  zwinkerte mir zu. Lässig zuckte ich nur mit den Schultern und versuchte mir nichts anmerken zu lassen, als ich von allen Seiten angeschaut wurde, und erinnerte mich an unsere erste Begegnung zurück: ,,Joar...Sie... wollte viel alleine sein... Die ersten Tage hat sie sich gar nicht gezeigt, nur versteckt... Und doch haben wir sie bemerkt..." Ich lächelte einen Moment, als ich das Bild wieder vor mir sah, wie sie dort versteckt gehockt hatte,  und fuhr fort, als ich ihre gespannten Gesichter sah, ,,Es... es gab einen Stromausfall in ihrem Haus... Gleich in ihrer ersten Nacht im Haus. Ich und Matt... Wir feierten gerade eine Party, als er diesen Blitz in ihrem Zimmer bemerkte." Matthew, der mich erst skeptisch ansah, nickte und erzählte weiter: ,,Ja... Erst wollte mir keiner glauben, aber dann überzeugte ich ihn und andere schließlich, mitzukommen und nachzusehen." - ,,Und dann als wir in ihrem Vorgarten waren, sahst du plötzlich dieses ,Monster'",unterbrach ich ihn, lachte und zog eine scherzhafte Grimasse, die meinen Bruder aufregen ließ. ,,Das ist nicht lustig! Sie sah in dem Moment wirklich gruselig aus!"- ,,Oh Toby, Toby, da ist ein Monster!",ahmte ich seinen Schrecken mit einer hohen Stimme nach und reizte ihn noch mehr, sodass er schon auf mich losgehen wollte. ,,Nun ist aber Schluss!",fuhr unsere Mutter dazwischen und hielt ihn zurück, ,,Wir wissen ja alle, dass ihr Anblick erst mal gewöhnungsbedürftig war, aber für wen ist das nicht? Das hat uns alle doch gelehrt, mehr auf die inneren Werte eines Menschen zu achten als auf die Äußeren zu sehen!" Eine plötzliche Stille herrschte im Raum, als sie das sagte, in der wir uns alle konfus anstarrten und Matthew inne hielt... Mit so einer Ansage hatte keiner gerechnet... Besonders nicht von Mum, die  ihre Gesinnung seit dem letzten Jahr  irgendwie verändert hatte. Sie war heute eine andere als in den letzten Jahren und hatte definitiv aufgehört über andere wie die die Robinsons zu lästern, die auf der Straße wie Hippies rumliefen und mit ihrer langen Matte und ihrem bunten Van oft zum Strand kutschierten. Oder über die Adams, die sich  im Hochsommer mit dicken schwarzen Mänteln in der Sonne quälten und sich mit anderen Gothic Familien verabredeten. Sie hatte sich definitiv verändert und sah nun Vieles anders, seit sie die Wilsons kennengelernt hatte... Eine normale Familie mit einer bewegenden Geschichte, die mir Sarah noch nicht anvertraut hatte... Skeptisch sah ich in die Runde und bemerkte Mums strengen Blick auf mir liegen, mit dem sie mich gewiss schon lange anstierte.
Damit sie mich nicht mehr so ansah, antwortete ich ihr, dass ich es verstanden hatte, und sah ein, dass so eine Narbe im Gesicht auch für Sarah erstmal unangenehm gewesen sein musste...
,,Wie... wie hat sie es eigentlich verkraftet?",fragte ich ihre Tante nach langem Schweigen und merkte, dass ich mit der Frage wohl ins Schwarze getroffen hatte: ,,Ich... glaub gar nicht... Von der Zeit im Krankenhaus weiß ich nichts, aber es gab Tage, in denen sie sämtliche Spiegel im Haus zerbrochen hat. Sie konnte den Anblick nicht mehr ertragen..."
- ,,Mhm... Kann ich verstehen...,"räusperte ich mich und  dachte nach. ,,Muss schrecklich gewesen sein," raunte meine Mutter und schenkte ihr Wasser nach.
,Mehr als das,'antwortete ich ihr in Gedanken und musste an die Schreie denken, die ich manchmal nachts gehört hatte.
,,Ja, aber die Musik hat ihr geholfen, wieder aufzustehen...,"meinte Ms. Shaun und umklammerte besorgt ihre Tasse mit ihren Händen. Ich konnte es nachvollziehen, dass die Musik einem in schlimmen Situationen Kraft gab... Mir hatte sie geholfen, eine Trennung von einem Mädchen zu überwinden, das ich wirklich gemocht hatte, aber auch über Vieles nachzudenken, das ich erst im Nachhinein verstanden hatte.

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt