La Chica

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Toby P. O. V.

Wild und ungestüm wurden wir von den anderen empfangen, als wir auf der großen Lichtung des Camps ankamen. Die Jüngeren stürzten sich fast auf mich, als sie den heiß begehrten Rucksack auf meinem Rücken sahen, und rissen ihn mir förmlich runter, sodass ich ihn mit geballter Kraft festhalten musste, um seinen Inhalt und mein Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Hilfsbereit sorgte Blaine in der Zeit für was Abstand um uns herum, bis ich ihn geöffnet hatte, und gab jedem Gruppenmitglied einen Beutel ab.
Es waren Süßigkeiten und von Jace persönlich geschnitzte Schlüsselanhänger in jedem Beutel, die unser Logo und Wappentier verkörperten: der Kopf eines Kojoten.
Es war eine Menge Arbeit für ihn gewesen so viele zu schnitzen, aber wie ich ihn kannte, machte er das jedes Jahr, wenn er nach Feierabend immer auf der Veranda saß, Gitarre spielte und nebenbei sein Bier trank. Die Anhänger waren ihm gut gelungen und auch die anderen sahen mich strahlend an, als sie ihre Beutel öffneten. Lächelnd
betrachtete auch Sarah ihren Anhänger genauer in ihren Händen, bevor sie ihn gleich an einen Reißverschluss ihrer Tasche dranmachte, und nahm sie lässig über die Schulter. ,,Schön! Toll geschnitzt,"sagte sie leise und sah mich schüchtern an, als die anderen um uns herum vorbeigingen. ,,Ja... Jace hat sich wieder selbst übertroffen für jeden Gast in diesem Jahr welche zu schnitzen."
,,Ganz schön viel!,"stutzte sie und steckte sich den Beutel in ihre Jackentasche. ,,Ja... Aber lohnenswert...",raunte ich und runzelte nach einer Weile die Stirn, während ich mir nervös über den Nacken fuhr. Wie sollte ich es nur anstellen mit ihr darüber zu reden? Wir starrten uns schon seit gefühlten fünf Minuten an ohne ein Wort zu wechseln und dennoch musste ich irgendwie den Mund aufbekommen bevor sie einfach zu ihrem Zelt ging und mich stehen ließ...
Es war eine krasse Sache für mich gestern gewesen mit ihr zu schlafen... Und sie jetzt drum zu bitten es zu verheimlichen kam mir unverschämt vor. Aber dennoch musste ich sicher gehen, dass sie es keinem erzählte, und brachte diese Worte nur schwer über die Lippen:,,Du... Das gestern war..." - ,,War wunderschön und bleibt unter uns," beendete sie meinen Satz leise und schien meine Gedanken gelesen zu haben, als sie unauffällig über meine Hand strich, bevor sie sich mit verabschiedenen Blicken auf den Weg machte und zu ihrem Zelt ging. Erleichtert und erstarrt zugleich blieb ich dort stehen und blickte ihr nach, bis sie hinter den Büschen verschwunden war. ,Hatte sie das gerade ernsthaft gesagt?'. Doch weiter kam ich in Gedanken nicht, da  spürte ich wie sich jemand an mich ranschlich.

,,Na Toby? Ist da was im Busch?, "fragte Drake und erschrak mich fast halb zu Tode. ,,Bro! Mann hast du mich erschreckt!,"stöhnte ich und fuhr blitzschnell zu ihm herum. Ohne meiner Bemerkung eine Beachtung zu schenken legte er seinen Arm auf meine Schulter und nahm mich mit. ,,So dann erzähl mal... Was läuft da zwischen euch? Zwischen dir und Sarah? Dein letzter Funk war ja vielversprechend..." meinte er mit einem dreisten Grinsen und ich versuchte mir bloß nichts anmerken zu lassen. ,,Funk? Was für ein Funk?", fragte ich schockiert mit aufgerissenen Augen und hoffte inständig das Funkgerät an diesem Abend nicht angelassen zu haben. ,,Na der Funk!,"raunte Drake mit langgezogenen Vokalen und einem noch breiteren Grinsen auf den Lippen und schaffte es mich noch nervöser zu machen..., Was meinte er bloß?, ' fragte ich mich und da fiel es mir wieder ein... ,,Ach ja! Der Funk... Also eigentlich haben wir in der Hütte nichts Besonderes gemacht. Wir haben uns nur am Lagerfeuer aufgewärmt," versuchte ich die Situation zu verharmlosen, aber er nahm mir das nicht ab.
,,Ach komm schon! So wie du sie eben angesehen hast, lief da eindeutig mehr als du zugeben willst. Sag schon! Wart ihr im Bett? Oder im Wandschrank? Wie war sie?,"bohrte er weiter und stupste mich keck in die Seite.
Empört über seine sexuellen Anspielungen verzog ich gespielt das Gesicht und schüttelte seinen Arm von meiner Schulter.
,,Auf was kommst du nur für Sachen? Du weißt genau, dass ich nie mit ihr schlafen würde...", log ich ihn an und schaffte es meine Miene noch ernster wirken zu lassen. Aber er kannte mich zu gut.
,,Ach ja? Und was war das bei unserem Gespräch, als du ihr hinterhergeschaut hast? Du stehst voll auf sie! Gib schon zu!", durchbohrte er mich weiter und brachte mich zur Weißglut, sodass ich fast weich wurde. ,,Mhmmm... Ein wenig...,"gestand ich ihm, schüttelte aber gleich mit dem Kopf, ,,Aber du weißt, dass das nicht geht." - ,,Warum nicht? Irgendwie wirkt sie mit ihrem Häubchen immer ganz süß... Also mich hast du schon überzeugt,"meinte er verwundert und brachte mich mit seiner provozierende Art zum Zähnefletschen, dass ich ihm am liebsten an die Gurgel springen und seine Metal Tattoos an der Brust von der Haut abziehen wollte, die ihm so viel bedeuteten.
,,Hey! Lass das!," murrte ich und schubste ihn von mir weg. ,,Oh wer wird denn da bissig?," lachte Drake und klopfte mir gegen die Schulter, ,,Ich bin doch auf deiner Seite. Wir müssen nur noch die anderen überzeugen das Opfer zu akzeptieren." - ,,Wie hast du sie gerade genannt?!,"knurrte ich und schlug ihm gegen Brust, sodass er fast benommen zurücktaumelte. ,,Komm schon! Du weißt was ich meine!,"rief er empört und schaute mich leicht überrumpelt und entsetzt an. In seinem Gesicht war nichts mehr als Ernst zu spüren, von dem Lachen war nichts mehr zu sehen, das es eben noch geziert hatte. ,,Sie ist an unserer Schule das Opfer und wird es immer bleiben. Das weißt du! Also beruhig dich mal Junge!", sagte er diesmal in einem ruhigeren Ton und machte mit seinen Händen eine besänftigende Geste, bevor er sich wieder aufrichtete und näher vor mich hinstellte. ,,Ich weiß das...,"raunte ich und bereute es für einen kurzen Augenblick ihm eine reingehauen zu haben, bis er wieder ein dreistes Grinsen auflegte und mich von der Seite anschielte, während wir zu den Pferden gingen.
,,Hey! Wir schaffen das!," versuchte er mich zu beruhigen und machte diesen Satz durch seine weiteren Bemerkungen kaputt, ,,Vielleicht müsste sie ihre Narben was überschminken oder so... Oder sie lässt sich operieren?" - ,,Kannst du nicht einmal die Klappe halten? Deine Oberflächlichkeit geht mir so was von auf die Nerven! Kannst du nicht einmal einen Menschen so akzeptieren wie er ist?", fragte ich ihn, während ich Rosi sattelte, und machte ihn zunächst sprachlos, sodass er mich geschockt anschaute. ,,Oh mann! Sie scheint dir ja echt den Kopf verdreht zu haben! Vor den Ferien hättest du gelacht und es wäre dir so eine Bemerkung egal gewesen! Was ist bloß los mit dir?!",zischte er und erkannte mich offensichtlich nicht wieder, sodass ich seufzend die Möhre sinken ließ, die ich meiner Stute gerade geben wollte.
Ein kurzes Schweigen herrschte zwischen uns, bis ich die rechten Worte fand: ,,Ich hm... Habe diesen Sommer persönlich viel miterlebt, das weißt du... Ich habe dir erzählt wie es Sarah ergangen ist... Ich war dabei, als sie entführt wurde und ich machtlos war, um ihr zu helfen. Ich habe gesehn, wie es ist, wenn man am ganzen Leib mit nichts als Schmerzen aufwacht, nicht weiß wo man ist, wieso man nicht sprechen kann und das Ganze hat mich und meine Familie ziemlich mitgenommen. Und da fragst du, was los mit mir ist? All diese Dinge sind passiert, weil ich sie vor diesen Menschen nicht beschützen konnte! Ich konnte ihr nicht helfen, als sie bewusstlos in den Van geladen wurde, konnte sie nicht einholen, als ich wie ein Verrückter dem Van hinterhergefahren bin und mit dem Rad fast auf der Autobahn vor einen Bus geraten bin und da fragst du bloß was mit mir los ist?!" Ich wurde mit jedem Satz fast lauter,  sodass ich aufpassen musste mich zu beherrschen, um nicht das ganze Camp aus seinen Zelten zu holen.
Also atmete ich tief ein und aus und beruhigte mich allmählich was, bevor ich mit ruhiger Stimme fortfuhr.
,,Du kennst die Geschichte... Ich habe sie dir als Einzigster von meinen Freunden erzählt, weil ich dir vertraue und du mein bester Freund bist. Mach das bitte nicht kaputt. Ich brauche dich, einen, der zu mir hält, wenn das Kartenhaus nach den Ferien zusammenfällt." Er stockte, nachdem ich das gesagt hatte, und brachte einen Moment lang keinen Ton heraus. Er brauchte eine Weile, um meine Worte zu kapieren, bis er schließlich wieder den Mund aufmachte. ,,Also hast du vor sie in der Schule offiziell deine Freundin zu nennen?", fragte er dann und half mir den schweren Sattel auf Rosies Rücken aufzuladen. ,,Ich... weiß es noch nicht... Ehrlich gesagt wollte ich mit ihr die Ferienzeit erst mal genießen, sie ablenken von dem was passiert ist und ihr helfen wieder zu singen. Ich habe im Moment auch keinen Kopf dafür nachzudenken was ich nach den Ferien machen soll...", gab ich offengestanden zu und schaute meinen Kumpel durch ein Gefledder von Zügeln an, die an Rosies Hals runterhingen. ,,Also... Willst du erstmal alles auf dich zukommen lassen?," fragte er mich und fuhr dann fort, als ich nickte. ,,Okay... Hmm... Aber dir muss im Klaren sein, dass sowas deinen Status für immer verändert, wenn du es offiziell machst. Du könntest deinen Rang in der Schule verlieren und zu den Loosern abgestempelt werden.." - ,,Das weiß ich, aber ich möchte nicht länger so leben... Umgeben von überschminkten Tussen, die nichts als falsch sind, für die nichts anderes zählt als das Aussehen und der Status.., umgeben von Jungs für die nur der Sport zählt und die BH Größe. Nie kann ich mit euch über ernste Themen reden. Das nervt mich!" Erstaunt sah Drake mich an und wollte gerade was sagen, aber ich war noch nicht fertig:,,Irgendwann wird es das alles nicht mehr so geben, da werden wir im Leben stehen mit einem Job in der Berufswelt und uns wundern über was wir uns früher alles aufgeregt haben, anstatt uns mal Gedanken zu machen wer wir sind und was wir wirklich wollen. Aber so weit könnt ihr ja gar nicht denken! Darum könnt ihr auch kein Verständnis zeigen für Sarah!", redete ich mal Klartext und machte ihn sprachlos, bis Rosie ihn mit ihrer Nase in die Seite stubste. ,,Irgendwie... Hast du recht... Aber wie ist die Welt dann nach dem College, wenn wir keine Brüste mehr um uns haben und keinen Pokal gewinnen können? Oh mann was soll ich nur mit meinem Leben anfangen!,"rief er dann und war offensichtlich am Verzweifeln, sodass er sich hilflos durch seine krausen Haare fuhr. ,,Siehste? Genau das meine ich!," raunte ich und machte Rosie vom Baum los, als Drake mich mit einem ausdruckslosen Gesicht anstarrte.

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt