¤He is searching¤

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Erschrocken hielt ich das Video an und schappte nach Luft. Ich hätte es wissen müssen! Diese Ähnlichkeit... Die markanten Gesichtszüge des Porträts kamen Toby an jenem Tag gleich bekannt vor... Er hatte recht gehabt mit seiner Vermutung. Hanson war Jennas Vater und da ich jetzt den Hauptsitz kannte, war ich den Sternen einen Schritt voraus... Doch lange würde ich es nicht mehr sein...

Bedacht machte ich den Laptop aus, zog den Stick wieder raus und verwahrte ihn in meiner Schatulle, die ich vorhin in meinem Zimmer geöffnet hatte... Mit zittrigen Händen legte ich sie zusammen mit dem Laptop in eine Schublade des Schreibtischs und schloss sie zu. Diese Informationen musste ich gut verwahren und erst mal gedanklich verarbeiten... Meine Eltern hatten mir sämtliche Kenntnisse vorenthalten, die sie mir auf einem Gerät hinterlassen hatten..., Kenntnisse, die ich viel eher gebraucht hätte, um die Sterne zu verstehen...
Nun waren sie tot und konnten sie mir nicht mehr selber ins Gesicht sagen, nur noch über Videos, was mein Herz zerbarste. Betrübt verließ ich den geheimen Raum, nahm den Zettel mit und zog das Medaillon aus der Statue wieder raus. Das Licht im Stein erlosch, die geheime Tür schloss sich wieder und im Raum kehrte die Dunkelheit ein. Die Lampen waren ausgegangen, wahrscheinlich wegen dem Energiewechsel ... Andächtig sah ich mich ein letztes Mal um und trat die Stufen hinab. Mit den Gedanken noch bei seinem Video drückte ich den gefalteten Zettel in meiner Hand und trat die letzte Stufe hinunter...
Durch einen automatischen Schließmechanismus schloss sich die Luke automatisch und die Stufen wurden wieder hochgefahren. Leise schlich ich mich runter, um zu prüfen, ob sie was von dem Ausflug bemerkt hatte, aber Amy, die unten seit sieben Uhr fern sah, hatte von all dem wohl nichts mitbekommen und hockte gemütlich mit einer Tasse Tee auf der Couch. Da sie mit dem Rücken zu mir saß, bemerkte sie nicht, wie ich zu ihr reinlugte, und schaute den Film weiter.
Nachdenklich ging ich wieder rauf in mein Zimmer, legte den Zettel auf meinen Schreibtisch  und setzte mich was auf die Fensterbank... Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Nur ein schmaler heller Streifen am Horizont verriet, dass kürzlich Dämmerung gewesen war.
Verträumt blickte ich in die Ferne und sah ein paar Sterne über mir aufleuchten. ,Ob sie mir zuschauen?',fragte ich mich und fühlte mich etwas einsam, da hörte ich auf einmal neben mir ein Fenster aufgehen. Das altbekannte Geräusch schallte zu mir herüber, als sein Fenster knarzend aufschwang, und ich spürte, dass ich jetzt nicht mehr alleine war.
,,Na?,"hörte ich ihn rufen und lugte zu ihm rüber, ,,Hast du die Aussicht vermisst?", fragte er und sah mich schmunzelnd an. ,,Ein wenig,"hauchte ich und rückte meine Brille zurecht.
,,Aber sag mal, müsstet ihr nicht längst in den Rocky Mountains sein?" Er nickte und wandte ernüchtert den Blick zum Meer: ,,Ja, aber ein schlimmer Waldbrand hat die Fahrbahn blockiert und bis die Autobahn freigeräumt ist, dauert es eine ganze Woche..."

,,Oh, das tut mir leid... Ihr hattet euch bestimmt schon drauf gefreut, hier mal weg zu kommen," seufzte ich und verstand seine Begeisterung, die er heute für meine Geschichten gezeigt hatte. Er hatte gewiss noch nie einen Affen in freier Wildbahn gesehen geschweige denn die exotischen Tiere eines Urwalds jenseits eines Zoos... ,,Ja, aber was soll man machen, wenn die einzige Strecke zur Ranch blockiert ist und die Reiseroute für sämtliche Urlauber gesperrt ist, die schon seit Tagen im Stau stehen und die Raststätten belagern..." - ,,Auch wieder wahr... Da ist es besser zuhause zu bleiben...", raunte ich und schweifte in Gedanken...

Beklommen nickte er und nahm sich seine Gitarre zur Hand. ,,Naja... So bleibt mir mehr Zeit zum Üben... und zum Suchen...",meinte er und brachte die letzten Worte nur murmelnd über die Lippen, aber dennoch hatte ich sie verstanden und hakte nach. . - ,,Was meinst du? Wonach willst du suchen?", fragte ich ihn, als er einen Moment in sich gekehrt eine Melodie auf seiner Gitarre spielte, und sah ihn aufmerksam an. ,,Nach K.C...." - ,,K.C.?" - ,,Ja... Seit der Party ist sie verschwunden... Selbst ihre Freunde aus der Band wissen nicht wo sie ist... Seit dem Ferienanfang hat sie sich auch nicht mehr bei ihnen gemeldet und K.C. ist auch nicht ihr richtiger Name...",sagte er und ließ mich stutzen... Entsetzt hielt ich inne und musste schlucken: ,,Woher willst du das wissen?", fragte ich und sah ihn betroffen an. Bei seinen Worten wurde mir ganz mulmig zumute... ,,Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie alle auf unsere Schule gehen und nur Nicknamen haben, um von ihren wahren Identitäten abzulenken... Aber so leicht kommt sie mir nicht davon... Ich will einfach nur mit ihr reden, weißt du..., und habe schon alles versucht sie zu finden... Aber bisher ohne Erfolg..." - ,,Oh... Worüber willst du denn mit ihr reden?", fragte ich ihn und versuchte unter meiner Kapuze so unschuldig wie möglich zu klingen, aber er fuhr sich nur verlegen durch sein blondes struppiges Haar und sah mich reumütig an: ,,Ich...ich habe auf der Party etwas getan, was sie vielleicht gekränkt hat, weshalb sie sich von mir abgewendet hat und sich wahrscheinlich bei ihrer Band auch nicht mehr gemeldet hat... Ich möchte mich einfach nur bei ihr entschuldigen..." - ,,Achso... Aber vielleicht ist sie mit ihrer Familie einfach in den Urlaub gefahren", sagte ich und brachte ihn mit meiner Vermutung mehr in Verzweiflung: ,,Das glaube ich nicht, sonst wüssten ihre Freunde ja was... Oder sie haben es mir nicht erzählt..." - "Womöglich," hauchte ich und wollte einfach nur das Thema wechseln, da ich merkte, wie sehr uns das beide mitnahm... Aufgeschlossen verschwand ich daher kurz in meinem Zimmer und ließ ihn verwirrt allein zurück, während ich in einer dunklen Ecke meinen Laptop aus einer Tasche holte, mit dem ich mich wieder zu ihm auf die Fensterbank setzte. ,,So... Ich denke, du brauchst etwas Ablenkung,"meinte ich nach einer Weile und fuhr meinen Rechner hoch, während er mich verdutzt ansah,
,,Dann erzähl mal: Was würde dein Bruder gerne mal machen?", fragte ich und öffnete meinen Browser. Verdattert starrte Toby mich an und war zugleich verwirrt, wie schnell ich auf einmal das Thema zu reinem Optimismus wechselte: ,,Wie jetzt? Was meinst du?" - ,,Da ich nicht zu seiner Party kommen konnte, habe ich Matthew versprochen, etwas mit ihm zu unternehmen... Und bevor ich irgendwas buche, wollte ich dich fragen, ob einer meiner Vorschläge ihm vielleicht  gefallen könnte...", erklärte ich und schaffte es, ihn auf andere Gedanken abzubringen. ,,Oh... Wenn das so ist, dann schieß mal los," raunte er mit einem Schmunzeln und fand zu seiner üblichen Laune wieder, was mir zeigte, dass mein Ablenkungsversuch was gebracht hatte. Gespannt sah er mir zu, wie ich etwas googelte, und legte seine Gitarre beiseite.

Burning Scar - Von Flammen umzingeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt