Burning Scar - Von Flammen umzingelt

¤Erste Erkenntnisse¤

Das erste Training war so ähnlich wie das Gestrige...

Yue ließ mich erst mal warm laufen und stellte alle fünf Minuten das Band ein wenig schneller.

,,Das erste Training dient zur Fitness, um deine Ausdauer zu stärken. In deiner Zukunft wirst du schnell laufen können, und das kilometerweit. Was bringt's dir, wenn du schon nach 500 Metern schlapp machst und dein Feind entkommt? Du musst deinen Körper  an das Medaillon anpassen... Sonst beherrscht es dich",sagte sie und warf mir nach einer Viertelstunde ein Handtuch zu. Schon nach den ersten zehn Minuten hatte ich angefangen zu schwitzen und fing  es auf, um meine Stirn abzutupfen....

Nach einer weiteren halben Stunde stellte sie das Band so schnell, dass ich in den Sprint  übergehen musste. Ich rannte so schnell ich konnte, den Blick stets auf die eiserne Wand gerichtet... Es war schon was anderes, immer auf der Stelle zu laufen... Man hatte kein Ziel vor Augen, nur eine Hand voll Werte, die auf einem Display neben dem Schaltmodul angezeigt wurden... Das Ding zählte meine Schritte, meine Pausen, maß meine Geschwindigkeit, und sogar meine Herzfrequenz... Seit ich den Stein um meinen Hals trug, hatten sich meine Werte vervierfacht und das bekam ich am ganzen Körper zu spüren... Mir war, als würde sich etwas schlagartig in mir verändern... Als würde mir etwas Energie entziehen, aber auch Kraft verleihen und das schon nach wenigen Tagen...

Noch ganz außer Puste stieg ich nach dem Training vom Band und setzte mich zu ihr in den Ring.
Sie schien zu meditieren und saß dort in einem Schneidersitz, die Hände besinnlich gefaltet.
Als ich sie anstarrte,  meinte sie: ,,So... Und jetzt kommen wir zur Ruhe... Die Beherrschung  deiner Gefühle ist ganz wichtig,  um das Medaillon zu kontrollieren... Schließe deine Augen und versuche dich auf deinen Atem zu konzentrieren."
Ich keuchte und tat es ihr nach. Nach einer Weile hörte ich mein Herz schlagen, das noch immer  sehr schnell pochte, aber mit jedem ruhigen Atemzug langsamer wurde. Es beruhigte sich und ich lauschte Yues Stimme: ,,Konzentrier dich auf dein Herz, wie es langsamer schlägt und denke an das was dich betrübt."
Ich dachte nach und sah die vielen Augen aus einem Traum vor mir, die mich begierig anstarrten. Sie schienen mich zu umzingeln, wie die Flammen mit ihren Blicken an mir zu nagen...
Yue merkte, wie sich meine Augenbrauen  zusammenzogen, und sprach weiter: ,,Und jetzt... lass sie los, denke nicht daran wie du in den Augen anderer aussiehst."
,,Wie?",hauchte ich und versuchte sie um mich herum zu vergessen, aber die Augen blieben, zusammen mit ihrem Gelächter.
,,Denke daran, wie du dich selber siehst, was du für dich empfindest..."
Ich stockte und versuchte mich selber zu sehen, mich an die Momente zu erinnern, in denen ich vor dem Spiegel stand,  vor der Zeit der Narben... Aber alles was ich sah, war mein jetziges Ich...
,,Das bist du jetzt... Ein Mädchen mit Narben im Gesicht,"hauchte sie, als könnte sie meine Gedanken lesen,  und brachte mich dazu aus meiner Meditation zu erwachen.
,,Akzeptiere das und die Wunden in deinem Herzen werden mit der Zeit verheilen,"meinte sie, aber ich widersprach ihr: ,,Nein! Das werden sie nie!"
- ,,Doch! Eines Tages wirst du lernen müssen damit umzugehen und auf diesen Tag bereite ich dich vor... Du musst nur bereit sein, dich zu öffnen und ich werde dir helfen".

Sie sah mich mit einer Selbstsicherheit in ihren Augen an, die ich sie noch nie bei jemanden gesehen hatte...
Dennoch fiel es mir schwer, mich einem fremden Menschen anzuvertrauen, den ich gerade erst mal einen Tag kannte...
Aber wenn Mr. Simons mich ihr überließ und mein Vater ihr einst das Geheimnis des Medaillons anvertraut hatte, konnte sie kein so schlechter Mensch sein...

Ich betrachtete sie etwas genauer... Ihre zierlichen Falten zeugten von Weisheit, dass sie viel nachdachte,  ihre Grübchen, dass sie gern lachte und die Adern auf ihren Händen, dass sie viel mit ihnen machte... Sie hatte einen starken Geist, den ich schon beim Kämpfen bemerkt hatte, und gab niemals auf, bis auch der letzte Schlag gesetzt war.
Sie war mir in ihrer Taktik sehr ähnlich, weshalb mich Mr. Simons wahrscheinlich  zu ihr gebracht hatte.