Teil 2

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Avessa zuckte zusammen und setzte sich auf. Ihre grauen Augen blickten orientierungslos um sich, bevor ihr langsam klar wurde, dass sie immer noch am schwarzen See saß und wohl eingeschlafen war. Gähnend reckte sie sich und erhob sich dann. Sie griff nach dem Umhang und schüttelte ihn aus, sah dann zum Schloss. Es war bereits dunkel, doch war es irgendwie angenehm warm. Sie ging schnellen Schrittes zum Schlosstor, da sie nicht wusste, wie spät es war und das Knurren ihres Magens sagte, dass sie mindestens eine Mahlzeit ausgelassen hatte. Sie musste leicht lächeln bei dem Gedanken an die Zwillinge, die ihr immer erzählt hatten, sie müsse mehr essen. Ihre Mutter war wohl extrem fürsorglich und würde sie ein wenig ‚päppeln', wie sie es genannt hatten. Nicht zum ersten Mal bedauerte Avessa, sie bisher nie kennengelernt zu haben.

Als sie ins Schloss kam, runzelte sie die Stirn. Es war so dunkel und... still. Dann wurde ihr klar, dass sie die anderen Schüler auch nicht spürte. So hatte sie sich bisher nur einmal gefühlt und da hatte Dumbledore ihr einen Trank gegeben, der ihre Magie dämpfte. Doch auch da hatte sie die anderen wenigstens latent spüren können, aber jetzt... „Kann ich Ihnen eventuell helfen?", fragte plötzlich eine laute Stimme scharf und sie sah Professor McGonagall auf sich zukommen. Avessa lächelte erleichtert und ging ihr entgegen. „Ja, Professor, ich bin draußen wohl eingeschlafen und..." Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie bei ihrer Hauslehrerin angekommen war und zu ihr aufsah.

Unter dem breiten Hexenhut, der ihr Gesicht in dem schummrigen Licht der wenigen Fackeln im Schatten gehalten hatte, sah sie die stechenden Augen, die sie misstrauisch musterten und ein... recht faltenfreies Gesicht. Sie blinzelte völlig perplex und versuchte zu ergründen, was genau ihre Professorin gemacht hatte. Sie hatte sie nie für eitel gehalten. „Was machen Sie hier und wer sind Sie, Miss...", fragte Professor McGonagall scharf und Avessa schluckte. „...Carrow, Professor.", sagte sie unwillkürlich und die Augen der Hauslehrerin der Gryffindors verengten sich misstrauisch. Ja, noch jemand, der dir misstraut...gut gemacht, Vessa... „Carrow.", sagte Professor McGonagall skeptisch und zog tadelnd eine Augenbraue hoch, auch wenn Avessa spürte, dass ebenfalls Unsicherheit und Neugierde die Professorin erfüllten. Sie zog irritiert eine Schulter hoch. „J-ja? Avessa Carrow. Ich bin in ihrem Haus...was soll das, Professor? Ich...verzeihen Sie, aber Sie...machen mir irgendwie...?"

Professor McGonagall betrachtete sie noch einen Moment und ihre Lippen wurden zu dem schmalen Strich, den Avessa gut kannte, auch wenn er selten ihretwegen im Gesicht ihrer Professorin auftauchte. „Sie wollen mir erzählen, dass Sie eine Schülerin unserer Schule sind?", fragte sie scharf und ließ die Augen über Avessas Erscheinung wandern, die ihre Uniform und den Schulumhang trug. „Nun, gekleidet sind Sie wie eine, doch kann ich Ihnen versichern, dass ich alle Schülerinnen und Schüler meines Hauses kenne!" Ihr stechender Blick bohrte sich in die grauen Augen der Schülerin, die immer größere Unruhe verspürte. Was, bei Merlin und Morgana, war hier los?!

Die Professorin schien noch einen Moment zu überlegen und ihre Augen nahmen die Uniform des Mädchens erneut in Augenschein, bevor sie sich einen Ruck gab.

„Folgen Sie mir, Miss....Carrow...", sagte sie missbilligend und begann, schnellen Schrittes durch das Schloss zu gehen. Avessa folgte ihr – zutiefst verwirrt vom Verhalten der älteren Hexe. Was hatte sie falsch gemacht? An den Wasserspeiern, die Avessa als die erkannte, die die Wendeltreppe zu Professor Dumbledores Büro bewachten, hielt sie an. „Wir gehen zu Professor Dumbledore, Ma'am?", wagte sie die Frage und die ältere Hexe sah sich zu ihr um, eine Augenbraue steil nach oben gezogen. „Sie wissen also, dass er hier sein Büro hat? Nun, das ist interessant." Sie sprach sehr leise das Passwort und sie betraten die Treppe, die zu der Eichenholztür führte.

Nach einem Klopfen und dem freundlichen „Herein.", betraten die beiden Hexen das Zimmer und Avessa seufzte. Hier sah alles aus wie immer. Vollgestopft mit allen möglichen surrenden und blinkenden Instrumenten, den Bildern der vergangenen Schulleiter und -leiterinnen an den Wänden und dem alten Zauberer hinter seinem wuchtigen Schreibtisch. Bevor sie ihn allerdings richtig ins Auge nehmen konnte, flog etwas rotgelbes auf sie zu und Krallen bohrten sich in ihre Schulter. Sie zuckte erst zusammen, doch die Hitze, die das Tier, welches sich nun an sie schmiegte, ausstrahlte, ließ sie wohlig erschauern. Unwillkürlich lehnte sie ihren Kopf in das warme Gefieder – ein Vogel also, interessant... - und lächelte. „Hey, Du...", sagte sie leise und hörte ein leises ungläubiges Lachen.

𝒜𝒞 - Alles zu seiner ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt