Severus
Er musterte ihren gerade Rücken nachdenklich, während er ihr wieder folgte. Das war ein aufschlussreiches Gespräch gewesen, ganz ohne, dass er in ihren Kopf eingedrungen war und sie hatte ihm geglaubt, was er über sein Talent gesagt hatte, hatte er ihr eher ungewollt auch die Wahrheit gesagt. Doch war etwas an diesem Mädchen, das ihn immer wieder verblüffte und ihn offener sein ließ, als er es sonst war und das gefiel ihm nicht. In diesem Fall aber hatte es ihm bei seinem Vorhaben geholfen, hatte er das Gefühl, war sie ihm gegenüber offener und nicht mehr ganz so abgeneigt, wie es schien.
Er hatte gemeint, was er gesagt hatte, sie brachte sich unsinnigerweise viel zu oft in Gefahr und musste lernen, wann es angebrachter war, nicht auf Konfrontation zu gehen, sondern seine Zeit abzuwarten, auch wenn es hieß, vielleicht vorerst eine kleine Niederlage einzustecken. Aber dafür war sie wohl zu sehr Gryffindor und viel zu wenig Slytherin, auch wenn er manchmal einige sehr passende Eigenschaften an ihr sah. Allerdings konnte er ihre Erklärung von eben auch sehr gut nachvollziehen, war sein Stolz ihm auch wichtig. Nur hatte er gelernt, dass einem dieser ebenso gut im Weg stehen konnte und dass es manchmal einfach besser war, ihn zu ignorieren.
Dass sie es nicht konnte, machte sie berechenbarer und leichter zu manipulieren, auch wenn sie scharfsinnig war. Er musste schmunzeln, als er an ihren ersten Zusammenstoß dachte, als er ihr gewaltsam nähergekommen war. Sie hatte gewusst, dass er sie manipulierte, konnte sich aufgrund ihres Stolzes aber nicht dagegen wehren. Er legte seine Hand auf ihren Rücken, als es die Treppe hinaufging, schien sie etwas unsicher auf den Beinen. Seine Augen verengten sich leicht und er betrachtete sie. Man musste auf dieses Mädchen aufpassen, wenn man nicht wollte, dass sie sich beim nächsten Mal vielleicht stärker verletzte. Dann hätte sie für den Dunklen Lord keinen Wert mehr. Und Severus war sich sicher, dass das, was die Kleine im Kopf hatte, einen sehr großen Wert haben dürfte.
Er spürte, wie sie ihn argwöhnisch betrachtete und zog automatisch seine Mauern höher. Hatte sie etwas von seinen Gedanken mitbekommen? Nein. Nein, das war nicht möglich. Aber dennoch schien sie feine Antennen für ihn und seine Stimmung zu haben. Auch etwas, das es zu erforschen galt. Er musste zugeben, dass sie für ihn von höchstem Interesse war. Rein wissenschaftlich...er hatte vor, einige Dinge auszutesten, meinte er nämlich, gerade an dem Tag ihres ersten Treffens etwas sehr Interessantes neben dem Schmerz und der leichten Angst in ihren Augen und Gedanken gesehen zu haben...
Auf der Krankenstation mussten sie nicht lange warten und Severus vermutete nicht zum ersten Mal, dass ein Zauber auf dem Eingang lag, der Madam Pomfrey ankündigte, wenn jemand den Saal berat. Schon war sie auf dem Weg zu ihnen und ihre Augen weiteten sich, als sie Avessa sah. „Ma petite, was machen Sie erneut 'ier?" Er sah kurz zu ihr hinab. Erneut? Interessant. „Sie müssen erst morgen zum Verbandswechsel kommen." Sie sah leicht unwohl zu ihm auf, bevor sie sich an Madam Pomfrey wandte. „Oui, Madame...ich...ich war unten am See und...hatte einen kleinen Vorfall...", begann sie und Severus schnaubte entnervt. „Sie ist ins Eis eingebrochen, als sie darauf Schlittschuh gelaufen ist. Und nun ist ihr die ganze Zeit kalt und sie zittert."
Madam Pomfrey riss entsetzt die Augen und den Mund auf, während Avessa wütend und vorwurfsvoll zu ihm aufsah und ein stummes ‚Dankeschön...' an ihn formte, als sie bereits mitgezogen wurde. Severus erwischte sich bei einem leichten Grinsen, als er ihre eingeschnappte Miene sah, bevor die Vorhänge zugezogen wurden. Er wandte sich um, um zu gehen, doch fiel ihm dann auf, dass es sicher gut wäre, hier auf sie zu warten. Es wäre ebenso wie ihre Rettung aus zwei Gründen gut. In Avessa würde es Zweifel an seinem ‚bösen Charakter' sähen. Und als angenehmen Nebeneffekt würde es das ebenso bei Lily, der Avessa sicher von ihrer Rettung erzählen würde. Er lächelte schmallippig und lehnte sich vor dem Krankensaal an die Wand, auf Avessa zu warten.
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𝒜𝒞 - Alles zu seiner Zeit
Fanfic𝐁𝐀𝐍𝐃 𝟒 Avessa Carrow. Jüngster Spross einer der ältesten reinblütigen Familien, der Unantastbaren Achtundzwanzig. Und eine Gryffindor. Das sechste Schuljahr beginnt und Avessa will nur noch weg. Denn der Dunkle Lord ist zurück und ihre Familie...