Kapitel 109

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Sirius

„Ich habe Ihnen doch gesagt, wo sie ist!", brüllte er und schüttelte die Hand seines Freundes ab, der ihn zu beschwichtigen suchte. „Tatze...", raunte dieser warnend, doch war Sirius egal, mit wem er hier sprach und ob es ihm an Respekt fehlte. Es ging um Avessa!

Doch der alte Zauberer wurde nicht wütend, so rüde unterbrochen zu werden, sondern lächelte in einer so enervierenden Mischung aus Bedauern und Verständnis, dass Sirius ganz übel wurde. „Verflucht! Wir haben Ihnen gesagt, dass Schniefelus gefährlich ist! Aber Sie haben ihn einfach weiter gewähren lassen! Und nun wollen Sie nicht ins Malfoy Manor, obwohl sie wissen, dass sie dort ist! Nicht, dass daran jemals ein Zweifel bestand!"

Dumbledore hielt mit einem nun doch strengen Blick eine Hand hoch und Sirius verstummte widerwillig. James legte seine Hand erneut auf die Schulter seines besten Freundes, den Arm halb um ihn gelegt, ihm stumm seiner Unterstützung versichernd. „Mister Black", begann Dumbledore mit fester, aber nicht unfreundlicher Stimme. „Mir ist durchaus bewusst, dass Sie sich Sorgen machen, doch ist niemandem, auch nicht Miss Leary damit geholfen, wenn wir uns in gegenseitigen Beschuldigungen ergehen."

Sirius schnaubte. „Gegenseitig? Was will er uns denn vorwerfen?", murmelte er und James musste grinsen. Doch war es so leise, dass Dumbledore so tun konnte, als habe er es nicht gehört. Er sah die drei Freunde nacheinander an. „Severus Snape ist ein Junge, der durchaus Neigungen zeigt, dass er sich von der dunklen Seite angezogen fühlt, doch ist es dabei umso wichtiger, so jemanden nicht mit Unterstellungen und falschen Verdächtigungen zu kommen..." Sirius wollte aufbegehren, doch fuhr Dumbledore einfach lauter fort „...und ihn damit nur noch weiter in seiner Annahme zu bestätigen, hier niemanden zu haben, der an ihn glaubt. Ich weiß, Sie und Ihre Freunde können es nicht verstehen, Mister Black, aber es ist nicht schön, von Beginn an ausgeschlossen zu werden. Von Beginn an abgelehnt und in eine Ecke gedrängt, die man vielleicht nie als die eigene gewählt hätte. Es ist kein Wunder, wenn man dann recht empfänglich für eine Hand ist, die gereicht wird und die verspricht, dass es sich ändert."

Sirius fing den Blick von Remus auf, der einen sachten ‚Hab ich ja gesagt' Ausdruck trug, und damit Sirius' Wut schürte. „Ja!", stieß er spöttisch hervor. „Der arme arme Schniefelus. Er hat praktisch keine andere Wahl, als Avessa zu verschachern, um in den elitären Kreis um Du-weißt-schon-wen aufgenommen zu werden!", blaffte er laut und knurrend und seine Stimme hallte durch das Schulleiterbüro. Er riss sich los und stapfte schwer atmend zum Fenster. „Dann gehe ich eben allein.", entschied er und wollte zur Tür, doch hört er, wie sie verriegelte. Er sah aufgebracht zu Dumbledore, der auf die Stühle deutete, die vor seinem Schreibtisch standen und die Sirius bisher geflissentlich ignoriert hatte, war er viel zu energiegeladen und nervös, um sich zu setzen.

„Setzen Sie sich, Mister Black...Mister Lupin, Mister Potter, Sie bitte auch." Er wartete, bis die jungen Männer Platz genommen hatten. Er selbst blieb stehen und betrachtete sie über den Rand seiner Halbmondbrille hinweg. „Ich kann Ihren Ärger und Ihre Sorge verstehen. Doch Sie müssen mir vertrauen. Wir können nicht einfach ins Malfoy Manor stürmen und leider völlig unbewiesene Behauptungen aufstellen." Erneut musste er Sirius mit einem scharfen Blick daran hindern, aufzuspringen und seinem Ärger Luft zu machen.

„Ich weiß sehr wohl, was Sie mir erzählt haben und ich bin dankbar für diese Information, auch wenn es natürlich mehr als verboten und zu gefährlich war, was sie da taten...doch gebieten die Zeit und der Anlass derlei Maßnahmen." Die drei Gryffindor, die bereits hatten aufbegehren wollen, nickten zustimmend und Sirius runzelte die Stirn bei dem bedeutungsvollen Blick, den der Schulleiter einem jeden von ihnen zuwarf und spürte, wie Aufregung ihn erfasste.

„Was ich Ihnen nun sage, müssen Sie drei unbedingt für sich behalten.", sagte Dumbledore ruhig und Sirius und seine Freunde warfen sich kurz einen Blick zu. „Natürlich, Sir.", war es Remus' Stimme, die für sie antwortete. Wer sonst. Sirius musste kurz schmunzeln, nickte dann aber ebenso wie James ernst. Der Schulleiter lächelte leicht, bevor er tief durchatmete. „Wie Sie wissen, befindet sich der Zauberer, den alle ‚Du-weißt-schon-wer' nennen, nicht mehr nur auf dem Vormarsch. Er hat bereits eine erkleckliche Anzahl an Zauberern und Hexen um sich geschart. Leider, wie meine Informanten mir mitteilten, nicht nur in unserem Land. Zudem scheint er sich seine Anhänger und Unterstützer nicht nur unter den Menschen zu suchen."

Sirius' Augen weiteten sich. Nicht nur unter den Menschen? Was sollte das heißen? Der Schulleiter schien seine Verwirrung erwartet zu haben und sah ihn an. „Er sucht zum Beispiel unter Riesen, Vampiren und... Werwölfen nach Unterstützung." Sirius sah zu Remus, dessen Gesicht starr war und nun das Kinn reckte. „Sie werden ihm nicht folgen!", stieß er hervor. „Die, die nicht versuchen, mit dem...Fluch zu leben...sie hassen die Unverfluchten!" Sirius fragte sich kurz, woher sein Freund das wissen wollte, ging er nicht davon aus, dass jene, die unter dem Fluch litten, regelmäßige Treffen abhielten, bei denen Remus anwesend war.

Doch Dumbledore nickte leicht und sah Remus sanft an. „Das ist richtig. Die Zaubererwelt schließt sie aus, ächtet sie. Voldemort..." Die Jungs zuckten leicht zusammen bei dem Namen. „...verspricht, ihnen Gehör zu verschaffen." Remus schnaubte und auch Sirius empfand die Vorstellung als sehr dumm. „Das ist doch Schwachsinn! Gerade die Reinblüter hassen alles, was nach Halbwesen aussieht. Entschuldige, Moony, aber..." Remus winkte ab. „Geschenkt, Tatze. Ich weiß schon, was du meinst." Dumbledore sah von einem zum anderen, während James sich in ungewöhnliches Schweigen hüllte. Sirius sah seinem Freund aber deutlich an, dass dessen Gehirn fieberhaft mitarbeitete.

„Auch das ist richtig und wie Sie denke ich nicht, dass Voldemort sie zu gleichberechtigten Individuen erheben will. Doch wenn dieser Zauberer eins kann, dann ist es, reden. Überzeugen. Er ist brillant. Besitzt einen sehr scharfen Verstand und vollbringt Unglaubliches mit dem Zauberstab. Er wird versuchen, aus allen Ecken Unterstützung zu bekommen – und hat sie eventuell bereits erhalten."

Die Jungs atmeten tief durch und jeder hing kurz seinen Gedanken nach. Die letzten Wochen und gerade erst die letzten Stunden hatten ihnen allen die kalte Realität vor Augen geführt, die man in Hogwarts so gern vergaß, gar nicht wirklich mitbekam. Und der sie sich nicht mehr entziehen wollten. Ganz im Gegenteil verspürte Sirius in sich den Drang, aktiv mitzuwirken am Fall von Du-weißt-schon-wem und er sah dieses Feuer auch in den Augen seiner Freunde lodern.

„Nun, dann sollte man ihn dringend aufhalten!", entkam es James voller Tatendrang und Sirius sah, dass es ihn kaum auf dem Sitz hielt. „Wir müssen etwas gegen ihn unternehmen! Sofort!" Sirius und Remus nickten grimmig und Dumbledore lächelte milde, doch auch voller Genugtuung, wie es Sirius schien, als habe er diese Reaktion erhofft. „Nun, Mister Potter... Wie es der Zufall will, ist nicht nur die Seite um Voldemort dabei, sich zu sammeln." Er sah sie nacheinander an und Sirius fing Remus' Blick auf, der auf dem Heimflug bereits gemutmaßt hatte, dass es einen Widerstand geben musste. Augenscheinlich sollte er Recht behalten.

„Es gibt einige Zauberer und Hexen, die ganz und gar nicht mit den Werten oder der Ideologie einverstanden sind und erkannt haben, dass es nicht bei der Meinung einzelner bleiben wird, sondern dass dieser dunkle Zauberer versucht, eine Wende herbeizuführen, die unser Leben und insbesondere das der Muggel und leider auch Muggelstämmigen in Gefahr bringt." Dabei sah er kurz zu James, dessen Hände sich zu Fäusten ballten und der aufsprang.

„Lassen Sie uns daran teilhaben!", forderte er aufgewühlt. „Wir müssen sie schützen!" Sirius dachte erst, er meinte Avessa, doch durchzuckte ihn dann die Erkenntnis, dass Lily muggelstämmig war. Und nicht nur sie. Bilder all der muggelstämmigen Mitschüler und Mitschülerinnen huschten vor seinem inneren Auge entlang. Sie alle waren in höchster Gefahr, wenn Du-weißt-schon-wer offen in den Krieg zog und ihn – Merlin bewahre – auch noch gewann!

Auch Sirius und Remus erhoben sich und sahen Dumbledore entschlossen an, der ebenfalls aufstand und einmal durchatmete. „Das habe ich vor, Mister Potter. Und danach widmen wir uns der Rettung Ihrer Freundin, die ich entgegen Ihrer Annahme ganz und gar nicht aus den Augen verloren habe, Mister Black." Sirius verzog leicht reuevoll die Miene, doch wirklich verlegen war er nicht, hatte er immer noch das Gefühl, keine Zeit mehr zu haben. Die Feier würde gewiss bald beginnen.

Dennoch sagte er nichts und wartete, dass Dumbledore weitersprach. Dieser ging einmal um seinen Schreibtisch herum zu der Stange, auf der sein Phönix saß und sich putzte. Ein wunderschönes Tier, welches anscheinend am Zenit seines Lebens stand. Majestätisch, groß und flammend saß er da und gurrte einmal leise, als Dumbledore zu ihm trat. Sofort verspürte Sirius sich zuversichtlicher und die Anspannung in ihm und seinen Freunden schwand ein Stück weit.

„Seien Sie also versichert, dass alles vorbereitet ist und wir nur noch auf den, wie man so schön sagt, Startschuss warten. Bis zu diesem Zeitpunkt werde ich Ihnen nun einiges über den ‚Orden des Phönix' erzählen, denn auch, wenn Sie eigentlich noch zu jung sind, erlauben und erfordern, wie ich es bereits sagte, die Umstände dieser Zeit ein paar vorgezogene Maßnahmen."


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