Kapitel 3 - Die Zugfahrt

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„Tja, dann muss ich mir wohl ein anderes Abteil suchen." Sage ich leise zu mir selbst. Während ich planlos durch den Zugkorridor des Hogwartsexpress laufe und nach einem freien Platz suche, denke ich nach. Wahrscheinlich war Draco nur nett zu mir, weil seine Eltern anwesend waren. Er scheint froh gewesen zu sein, als er mich dann vorhin endlich losgeworden ist. Meine Angst, in Hogwarts keine Freunde zu finden, steigt. Plötzlich fällt mir ein, dass ich noch das Kästchen in meiner Jackentasche habe. Ich nehme es heraus und lege mir die Halskette um. Ich stelle mir vor, wie diese Halskette eine magische Kraft besitzt, wie sie mich beschützt und mir den Weg weist. Meine Angst verflüchtigt sich ein wenig.

Keine Minute später laufe ich an einem Abteil vorbei, aus dem freudiges Gelächter erklingt. Ich schaue vorsichtig hinein. Da sehe ich, dass noch ein Platz frei ist, welcher aber schon mit Gepäck belegt ist. Ich erstarre plötzlich und bekomme kein Wort heraus. Ein asiatisches Mädchen in einer Ravenclaw-Uniform dreht sich zu mir um und lächelt mich an. „Möchtest du zu uns sitzen?" fragt sie in einem etwas scheuen Ton. Ich denke nur: „Merlin sei Dank!". Meine starre löst sich auf einmal und ich fühle, wie eine schwere Last von mir fällt. „Ja, sehr gerne. Aber nur wenn es keine Umstände macht." Antworte ich etwas zögerlich.

Alle in dem Abteil starren mich jetzt an. Es ist kein schlimmes Starren. Es ist bloss Neugierde, würde ich mal sagen. Ein Mädchen mit hellblonden, lockigen Haaren verstaut mit einem verträumten Blick den Rucksack auf dem Platz neben ihr und deutet damit an, dass ich dort jetzt sitzen kann. Ich ziehe meinen Rucksack aus, betrete langsam das Abteil, setze mich hin und platziere den Rucksack vor mir auf meinem Schoss. Es starren mich immer noch alle an. Das Mädchen mit dem verträumten Blick neben mir bricht die Stille. „Du musst das neue Mädchen sein, das in diesem Jahr zu uns in die 5. kommt. Du trägst noch gar keine Kennzeichen eines Hauses." Stellt sie mit einem phlegmatischen und doch wundersamen Unterton in ihrer Stimme fest. „Ja, genau... das bin ich." Sage ich langsam mit einem verlegenen Lächeln. „Ich heisse Mina Crowley." Füge ich hinzu. „Dann ist es also wahr?" Sagt der Junge in Hufflepuff-Uniform, der neben dem asiatischen Mädchen sitzt. „Was genau meinst du?" Frage ich verwundert. „Du bist die Tochter von Aleister Crowley, dem Auror, stimmt's?" Hakt er interessiert nach.

Das asiatische Mädchen neben ihm stupft dem Jungen leicht mit dem Ellenbogen in den Arm und dieser zuckt etwas zusammen. „Frag sie doch nicht gleich so aus, Cedric!" Das Mädchen lehnt sich vor zu mir. „Sorry für den holprigen Start. Ich bin übrigens Cho Chang. Freut mich dich kennenzulernen, Mina." Danach ist das Eis gebrochen und jeder in dem Abteil stellt sich mir kurz vor.

Das verträumte Mädchen rechts neben mir heisst also Luna Lovegood. Neben ihr sitzt ein Mädchen mit einem langen, schwarzen Zopf. Sie heisst Padma Patil. Auf der Gegenüberliegenden Seite sitzt Cho Chang und neben ihr Cedric Diggory, welcher schon in der 6. ist. Die beiden scheinen mehr miteinander zu haben, so nahe wie sie sitzen und ständig den Körperkontakt suchen. Am Fenster sitzt ein Junge namens Anthony Goldstein, welcher in ein dickes Buch vertieft ist und daher während der Zugfahrt nicht viel sagt. Da scheine ich ja voll bei den Ravenclaw's gelandet zu sein. Ich muss an meine Mutter denken. Bestimmt würde sie jetzt lachen, wenn sie mich sehen könnte.

Wir reden über alles Mögliche während der Fahrt. Vor allem wollen die anderen aber mehr über mich wissen und so geht die Fragerei immer weiter. Da sie aber sehr höflich fragen, sehe ich keinen Grund etwas zu verbergen.

„Deine Mutter ist doch Astrologin und Astronomin, oder? Dann bist du in den Fächern sicher echt gut!" Kombiniert Padma geradeheraus. Ich weiss nicht was antworten, doch da kommt schon die nächste Vermutung. „Ja und in Verteidigung gegen die dunklen Künste erst!" Fügt Cedric hinzu. „Mit Crowley als Vater, machst du bei den Duellier-Meisterschaften sicher jeden fertig." Spricht er mit einem schelmischen Grinsen. Eine Hitze steigt mir langsam von der Brust in den Kopf und meine Wangen erröten sich etwas. Ich richte meinen Blick zum Boden. Als ich mich etwas beruhigt habe, frage ich in die Runde. „Gibt es in Hogwarts Duellier-Meisterschaften? Wann sind die?"

Eine Stille umgibt wieder das Abteil. Nur die Geräusche des Zuges und das leicht beginnende prasseln des Regens gegen die Fensterscheiben sind zu hören. „Die Meisterschaften fürs Duellieren finden diesen Frühling statt." Sagt Cho, mit einer gewissen Verwunderung darüber, dass ich keine Ahnung davon hatte. „Die meisten Schüler, die daran teilnehmen, trainieren schon ein paar Jahre dafür. Das Turnier findet nur alle fünf Jahre statt." Erklärt sie mir etwas besorgt.

„Und macht jemand von euch mit beim Turnier?" Frage ich vorsichtig nach. Alle drehen sich und schauen Cedric an. „Schuldig gesprochen." Scherzt Cedric mit gelassener Stimme. „Du wirst es bestimmt weit schaffen, Ced." Bemerkt Cho und schaut ihn dabei mit ihren glänzenden, dunklen Knopfaugen an.

„Es machen nicht sehr viele mit, weisst du. Weil das Turnier gefährlich ist." Redet Luna leise vor sich hin. Cho's Blick trübt sich und sie umklammert den Arm von Cedric noch fester. Draussen fängt es an zu Donnern und die saftig grünen Hügel der Schottischen Highlands werden umhüllt von grauen Schlieren. „Cedric beherrscht so viele Zauber, dass er sogar gegen einen Siebtklässler gewinnen könnte." Sagt Padma überzeugt. Cedric lächelt verlegen und neigt seinen Kopf zur Seite. „Vor gewissen Gryffindor's und den Slytherin's sollte man sich trotzdem in Acht nehmen. Die kämpfen wie Wahnsinnige bei diesen Duellen." Merkt Anthony kurz an, bevor er mit seinem Gesicht wieder hinter seinem Buch verschwindet. „Und Harry ist da keine Ausnahme." Sagt Luna mit einem Lächeln. „Moment, du meinst damit ‚den Harry Potter' oder Luna?" Entgegne ich sofort. „Ja, genau. Ich bin mit ihm befreundet. Falls ich ihn dir vorstellen soll, musst du mich nur fragen." Sagt sie und blickt mich dabei ermutigend an. „Schon okay, wir sind ja in derselben Klasse, wie ich mitbekommen habe. Dann werde ich ihn später bezüglich des Turniers löchern."

„Es sind immer noch Plätze frei für Turnierteilnehmer, Mina. Egal in welchem Haus du sein wirst, du würdest sicher eine grosse Bereicherung fürs Team sein." Teilt Padma mir daraufhin mit.

Der Servierwagen kommt vorbei. Wir alle kaufen uns ein paar Kleinigkeiten und teilen die Süssigkeiten untereinander. „Die sauren Blaubeerzungen sind eine neue Geschmacksrichtung. Probier mal!" Verkündet Luna und steckt mir gleich eine von diesen ‚sauren Zungen' in den Mund. „Und wie schmeckt's?" Fragt sie mich mit unschuldigem Blick. Mein Gesicht beginnt sich zu verziehen. „Diese Dinger sind echt voll sauer... aber lecker." Mein Gesicht entspannt sich wieder und ich beginne freudig zu lächeln. Auch die anderen lachen mit mir. Wir reden noch über so manches. Alle bieten mir an zu helfen, wenn ich später fragen habe zum Unterricht oder wenn ich die Klassenräume nicht finden sollte. Es wird über Lehrer gelästert und ich höre viele, amüsante Geschichten aus den vorigen Jahren. Die Stunden bis zur Ankunft vergehen wie im Flug.

Ich bin von tiefer Dankbarkeit erfüllt. Meine Angst, nicht dazuzugehören, legt sich und ich habe fast das Gefühl, als könnte hier eine Art zweite Familie für mich entstehen.


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𝔻𝕒𝕣𝕜 𝕄𝕒𝕘𝕚𝕔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt