Kapitel 104 - Draco's POV 16 - Vergebung

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Das ist er also. Der Tod.

...

Merkwürdig... ich habe keinen Schmerz gespürt. Gar nichts.

Ich fühle mich leicht. Beinahe schwerelos. Vorsichtig wage ich einen Blick an mir herunter und auf meine Hände. Ich betrachte mein Restbild. Das Bild, das ich von mir selber hatte, bevor ich gestorben bin. Fasziniert beobachte ich, wie helles Licht durch meine Finger hindurchfliesst. So fühlt sich das an, keinen Körper mehr zu haben?

Eine solche Ruhe habe ich zu Lebzeiten nie gekannt. Es ist schön und doch befremdlich. Langsam nehme ich meine Arme und Beine wahr. Ich trage das weisse Hemd, die Krawatte und die Hose meiner Schuluniform. Erst jetzt führt es mir deutlich vor Augen, wie sehr mein Unterbewusstsein sich mit dieser Schule identifiziert hatte. Nebst dem vollständigen Abbild meines Körpers, kann ich die Umwelt erkennen, die sich vor mir entfaltet.

Es ist warm. Ich sitze auf der grünen Wiese im Innenhof. Mit meinen Freunden habe ich hier oft die Pausen verbracht. Die Mauern von Hogwarts wirken wie neu. An der Kleidung und den Frisuren der vorbeigehenden Schüler und Lehrer, wird es mir klar. Einmal mehr bin ich im frühen Mittelalter gelandet.

Danach kann ich ihre Anwesenheit spüren. Sie sind hier! Harry, Hannah und Mina sind ganz in der Nähe. Unsere Verbindung geht offenbar über den Tod hinaus. Immerhin sind wir alle Hand in Hand gestorben. Vielleicht hat es damit zu tun?

Konzentriert erkunde ich die Umgebung. Lange zu suchen brauche ich aber nicht. Einer nach dem anderen tauchen sie zwischen den gotischen Rundbogen der Arkaden auf und betreten den Innenhof. Jeder von ihnen trägt die Schuluniform in seiner Hausfarbe. Mina rennt auf mich zu und springt mir direkt in die Arme. Ich fühle sie. Ihre Wärme. Ihr liebevolles Wesen. Das Licht, welches sie umgibt. Wunderschön. Besser, als jeden meiner Träume.

„Draco, ich habe meinen Vater getroffen und mit ihm gesprochen! Es geht ihm gut!" Erzählt sie mir aufgeregt und mit hochkommenden Freudentränen in ihren Mandelaugen. Ich lächle ihr zu und spüre die Erleichterung, wie sie auf mich übergeht. Wie sich eine der Wunden in mir beginnt zu schliessen und die Chance bekommt, zu verheilen.

Hannah und Harry stehen mittlerweile bei uns. Sie wirken entspannt und zufrieden. Ein komischer Anblick, wenn man bedenkt in welch prekärer Lage wir uns eben noch befunden haben.

„Meine Mutter ist mir erschienen." Teilt uns Hannah ausgeglichen mit. Harry lächelt ihr melancholisch zu und berichtet anschliessend von seinem Erlebnis. „Ich habe sie alle wiedergesehen! Remus, Tonks, Snape und meine Eltern..." Teilt er uns andächtig mit. Seine Verstorbenen-Liste ist bedeutend länger und ich verspüre ehrliches Mitgefühl. Erstaunlich, wie das Leben oder auch der Tod einen verändern können.

Wir stehen zusammen. Es gibt nicht viel, was in diesem Seins-Zustand noch gesagt werden müsste. Hier an diesem Ort existiert tatsächlich Frieden. Die Welt, aus der wir gerissen wurden, scheint bereits weit entfernt.

Mina's Kopf schnellt auf einmal zur Seite, als sie jemanden entdeckt. „Professor Dumbledore!" Ruft sie überrascht aus. Wir drehen uns alle in die gleiche Richtung um. Und tatsächlich. Da steht er in seinem gemusterten Zauberergewand und fährt sich in aller Ruhe über seinen langen Bart. Wir gehen auf ihn zu und bleiben in ehrfürchtiger Stille vor ihm stehen. Er lächelt uns an.

Harry wirkt, als würde ihn etwas schwer beschäftigen. Er tritt vor. „Wir haben es nicht geschafft ihn aufzuhalten. Was wird jetzt aus all den anderen, Professor?" Will er von ihm wissen. Dumbledore reagiert erschreckend gelassen darauf und hört nicht auf zu lächeln. „Für den gut vorbereiteten Geist ist der Tod nur das nächste grosse Abenteuer." Teilt er uns mit. Wir haben sichtlich Mühe, den Sinn hinter seinen Worten zu deuten. Unsere irritierten Blicke haften an ihm.

𝔻𝕒𝕣𝕜 𝕄𝕒𝕘𝕚𝕔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt