𝔻𝕒𝕣𝕜 𝕄𝕒𝕘𝕚𝕔

Kapitel 97 - Die Ruhe vor dem Sturm

Ich sitze im Gästezimmer meiner Mutter auf dem Bett, mit Ausblick auf den verschneiten Hof. Ich bin in eine warme Decke eingewickelt und meine geliebte Eule Caramel sitzt auf dem Fensterbrett und leistet mir Gesellschaft. Meine langen Haare sind zu einem praktischen Pferdeschwanz zusammengebunden. Vertieft schreibe ich in das kleine Ledernotizbuch. Ich halte nicht nur Träume fest. In den letzten Tagen schreibe ich über so ziemlich alles. Es hilft mir dabei, die wirren Gedanken zu ordnen. Es gibt mir Klarheit darüber, was wirklich zählt.

Es ist der 23. Dezember und bald wird der ‚Stichtag' eintreffen. Morgen wird sich alles für immer verändern. Die Angst vor dem Unbekannten ist allgegenwärtig im Schloss. In den letzten Tagen habe ich viel Zeit mit meiner Mutter und meinen Freunden verbracht. Wir haben geredet, geweint und gelacht. Im klaren Wissen, dass einige von uns bald nicht mehr da sein könnten.

Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Wirklich beschreiben kann man das nicht. Trotz der Endzeitstimmung, bin ich von so viel Liebe und Geborgenheit umgeben.

Hogwarts ist sogar für Weihnachten dekoriert. In der Grossen Halle steht ein turmhoher, geschmückter Tannenbaum. Es wurde darüber diskutiert, ob das in dieser Situation angebracht ist, doch die meisten von uns empfinden es als wunderbare Ablenkung. Es stärkt die Moral. Die festliche Umgebung versetzt mich in meine glückliche Kindheit zurück. Es erinnert mich daran, wie schön das Leben sein kann und wie fröhlich und unbekümmert ich war. Was würde ich jetzt dafür geben, diesen Seins-Zustand zurückzubekommen.

Die letzten Vorbereitungen laufen. Hagrid ist heute Morgen mit ein paar Riesen aufgetaucht, die sich aus Überzeugung unserer Sache angeschlossen haben. Bill und Fleur sind vor zwei Wochen extra nach Rumänien, um mit Charlie ein paar Drachen herzuholen. Wir schöpfen aus jeder nur erdenklichen Quelle. In den Strategiesitzungen haben wir verschiedene Szenarien durchgespielt, um jegliches Risiko zu minimieren.

Wir wissen nicht, was für eine Todesser-Armee uns erwarten wird und wie stark Voldemort in all der Zeit wirklich geworden ist. Im Prinzip wissen wir gar nichts. Jetzt heisst es nur noch abwarten und ins Schicksal vertrauen. Vertrauen darauf, dass wir stark genug sind.

Und da wir gerade beim Schicksal sind... Meine Mutter hat sich hinter ihre Astrologie-Bücher gesetzt und dabei eine interessante Entdeckung gemacht. Morgen, am 24. Dezember 1997, wechselt der Mond in den Skorpion. Die Beschreibung dazu habe ich mir notiert:

‚Der Skorpionmond beschert uns starke Energien. Leidenschaft, Sinnlichkeit, Impulsivität. Streit- und Rachsucht bestimmen diesen Tag. Es fällt uns leichter, mit gravierenden Veränderungen umzugehen. Unser altes Ich verbrennt im Feuer und ein neues Ich wird aus der Asche wiedergeboren. '

Ich spüre die tiefe Wahrheit hinter diesen Worten. Das sind die Energien, welche unaufhaltsam auf uns zurasen und uns überrollen werden. Es wird ein erbitterter Kampf unter dem Einfluss von Mars, dem Gott des Krieges. Egal wie sehr wir uns auf das Morgen vorbereitet haben, das Chaos wird am Ende übernehmen und der Ausgang bleibt ungewiss. ‚Ein neues Ich wird aus der Asche wiedergeboren.' Dabei muss ich an Fawkes, den Phönix von Dumbledore, denken.

Meine Mutter verlässt gerade das Bad und schaut mir mit stolzem, emotionalem Blick entgegen. Ich lege meine persönlichen Aufzeichnungen weg. Langsam kommt sie zu mir und setzt sich an den Bettrand. „Ich muss bald zur nächsten Strategiesitzung. Kommst du hier zu recht, mein Engel?" Spricht sie in umsorgender Stimme zu mir. „Ja, ich komme klar. Wir vier müssen nach dem Mittagessen nochmal zu Dumbledore." Erkläre ich ihr zuversichtlich. „In Ordnung. Erzähl mir davon, wenn ich zurück bin, ja?" Entgegnet sie mir mit einem Lächeln. „Ich hab dich lieb, Mum." Flüstere ich ihr gefühlvoll zu. Sie schliesst mich in eine innige, mütterliche Umarmung. „Ich habe dich auch ganz fest lieb, mein Engel!" Erwidert sie den Tränen nahe. Wir verabschieden uns und sie verlässt, wenn auch nur ungern, das Zimmer.