Kapitel 84 - Der Abgrund

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Wir waten durch das seichte Wasser, zurück ans Ufer. Mit einem Zauber trocknen wir unsere nassen Hosen und Schuhe. Draco zieht etwas aus seiner Hosentasche und streckt mir seine geschlossene Hand entgegen. Als er sie öffnet, liegt darin mein Obsidian-Ring mit dem eingearbeiteten ♏-Symbol aus Brillanten-Splittern. „Danke, den hätte ich beinahe vergessen." Antworte ich ihm, überrascht davon, dass es mir nicht eher aufgefallen ist. Ich streife mir das Schmuckstück über meinen linken Ringfinger und krame dann meinen kleinen Kompass aus dem Rucksack.

„Hast du mir dein Jagdmesser?" Erkundige ich mich bei ihm. Ein kühler, ernster Blick zeigt sich für kurze Zeit auf seinem Gesicht, bevor er das Messer hervorholt und an mich übergibt. Ich verstehe nicht ganz, was ihm dabei durch den Kopf gegangen ist aber ich halte mich nicht weiter damit auf. Vorsichtig setze ich die scharfe Klinge auf meiner Handinnenfläche an und drücke sie in mein Fleisch. Eine kleine Wunde entsteht und frisches Blut tritt aus. Meine verletzte Hand lege ich auf den Kompass und schliesslich bewegt die Anzeige sich wie von Geisterhand.

Meine Aufmerksamkeit liegt auf der Kompassnadel, welche sich wie wild umherbewegt. Plötzlich kann ich die Wärme seiner Hände auf meiner spüren. Er dreht meine Handfläche nach oben und betrachtet den frischen Schnitt. Langsam umschliesst er meine Hand und wendet dabei den Blick nicht ab. Ein warmes Kribbeln breitet sich auf meiner Haut aus und ich warte gespannt ab, was passiert. Er löst seine Hände von meiner und ich traue meinen Augen kaum. Der Schnitt ist weg. Komplett verheilt und weg. „Das ist... unglaublich." Bekomme ich gerademal die paar Worte raus. Draco's Ausdruck bleibt ruhig und beherrscht. Kein Grinsen, kein Selbstlob oder Ausdruck von Überlegenheit oder Stolz. So gefasst und in sich ruhend habe ich ihn noch nie gesehen.

Er wendet sich ab und schaut jetzt auf meinen blutverschmierten Kompass. Auch ich bringe meinen Fokus zum Kompass zurück. Die Nadel ist stehen geblieben und hat sich für eine Himmelsrichtung entschieden. „Südwesten also." Bemerkt er mit einer Schwere im Klang. Ich ziehe meinen Zauberstab und lehne mich an ihn. Sein Arm legt sich dicht um meine Taille und wir disapparieren.

Insgesamt springen wir dreimal und landen zum Schluss in einem Wald. „Es ist nicht mehr weit. Ich kann es spüren." Lasse ich ihn wissen. Draco schaut sich unsere Umgebung genau an und versucht etwaige Gefahren zu erkennen. Die Pflanzen hier sind tiefgrün, obwohl es Herbst ist. Die alten Bäume stehen dicht beieinander und sind so hoch gewachsen, dass man den Himmel darüber fast nicht mehr erkennen kann. Auf dem Erdboden um uns herum wächst überall Farn, soweit das Auge reicht. Der Boden ist einiges wärmer als die Luft und eine Art Dampf steigt vom Grund zum Himmel auf.

Die Präsenz, welcher ich folge wird stärker und ich schreite ihr entgegen. Draco bleibt dabei dicht hinter mir. Es führt uns immer tiefer in den Wald hinein und ich sehe die ansteigende Besorgnis auf seinem Gesicht.

Ein merkwürdiges Gefühl breitet sich in mir aus. Ich halte an. Es ist totenstill. Ich schaue auf meinen Ring. Er wird wärmer und meine Augen weiten sich. Rasch drehe ich mich zu Draco um und sehe noch eine Sekunde lang sein wachsames Antlitz, bevor mich etwas von der Seite packt und in einer rasenden Geschwindigkeit von Ort und Stelle mit sich reisst.

Ein undurchdringlicher Rauch umgibt mich. Ich höre ein finsteres, verrücktes Lachen von einer Männerstimme dicht hinter mir, während ich durch die Luft und zwischen den Bäumen herumgeschleudert werde.

Es gibt einen Aufprall. Wir sind wieder am Boden. Dieser Jemand hat mich fest im Griff und meine Hände sind hinter dem Rücken zusammengebunden. Mir ist schwindelig. Langsam legt sich der dunkle Rauch und ich kann meine Umgebung erkennen. Vom Schock erstarrt, sehe ich wie sich fünf Todesser in einem Kreis vor uns versammeln. Die Fratzen ihrer versilberten Masken schauen mir entgegen.

Bald dämmert es mir, wer der sechste Todesser hinter mir sein muss. Dolohow. Ich kann seinen widerwärtigen Atem an meinem Hals spüren. Mein ganzer Körper zieht sich vor lauter Angst zusammen. Einer der verhüllten Todesser hat meinen Rucksack und zieht soeben vorsichtig mit einem Handschuh gewappnet das Diadem heraus.

𝔻𝕒𝕣𝕜 𝕄𝕒𝕘𝕚𝕔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt