taktischer zwischenkotzer

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"Musst du...?", fragte ich und zwang sie dazu mich anzusehen, als ich die Treppen des Gebäudes hochlief.
Sie nickte still.
Ich legte sofort einen Gang zu. Das letzte, was ich brauchte, war dass sie mir hier jetzt ins Treppenhaus kotzte. Schnell schloss ich die Wohnungstür auf und streifte mir schnell meine Schuhe ab. Gerade so schafften wir es noch zur Toilette, wo ich den Deckel öffnete und sie sofort hinein spuckte. Ich band ihr die Haare mit einem Haargummi zu einem Dutt hinten zusammen. Wie es sich anhörte, kam sowieso nur der Alkohol heraus, den sie in den letzten Stunden mühelos in sich hineingelegt hatte. Selbst schuld, wobei ich dabei ja kein Stück besser war.
"Ist alles draußen?", fragte ich nach einigen Minuten, in denen sie nur würgte, aber nichts mehr kam.
Sie nickte langsam und drehte sich dann von mir weg.
Es war ihr peinlich.
Ich stand seufzend auf und hielt ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen.
Zögernd ergriff sie diese und warf dabei einen kurzen Blick zu mir.
Ihr Gesicht war leichenblass. Ich nahm etwas Klopapier, mit dem ich ihr die Kotze von den Mundwinkeln wischte.
"Ich fühle mich nicht besser.", schnaufte sie und rollte mit den Augen.
"Komm mit!", meinte ich, nachdem ich das Papier ins Klo geworfen hatte und gespült hatte.
Sie griff nach meiner Hand, was mich zugegebenermaßen schon eigenartig fand, da sie jetzt zwar krank aber nüchtern aussah. Ich schleppte sie hinter mir her in die Küche und setzte mich gegenüber von ihr an den Esstisch, nachdem ich ein Glas Wasser geholt hatte.
"Du musst viel trinken, damit der Alkohol aus deinem Blut verschwindet.", erklärte ich ihr und schob ihr das Glas hin.
Sie sah nicht begeistert aus.
"Das musst du ja am besten wissen.", seufzte sie, setzte das Glas dann allerdings doch an ihre Lippen und trank es in einem Zug aus.
Vermutlich sollte das gerade eine Anspielung auf meinen zu vielen Alkoholkonsum sein.
Sie sah wieder auf.
"Wieso bist du eigentlich gekommen?", fragte sie und legte den Kopf ein wenig schief.
"Du hast mich angerufen.", erinnerte ich sie, aber Annabelle schien das zu wissen.
"Aber ich sagte nicht, dass du kommen sollst.", wandte sie ein.
Die Farbe kehrte langsam wieder in ihr Gesicht zurück.
"Du sagtest aber, dass du mit Kai..."
Ich brach ab, weil alleine die Vorstellung mich ebenfalls zum Kotzen bewegen würde. Das konnte ich nicht zu lassen.
"Kann dir doch egal sein. Du warst drei Wochen weg, da hätte ich mich genauso durch die halbe Stadt vögeln können.", sagte sie mit einem Schulterzucken.
"Du bist mir aber nicht egal. Hör auf so etwas zu behaupten!", sagte ich mit einer etwas festeren Stimme, da sie nun wieder nüchtern wurde.
"Wieso gibst du mir dann das Gefühl? Wieso hast du mich alleine gelassen?", fragte sie mit zitternder Stimme.
Ich wollte nicht schon wieder streiten.
"Du solltest dich ausschlafen.", meinte ich und wollte mich erheben, aber Belle griff über den Tisch und hielt mein Handgelenk, wodurch ich wieder Platz nahm.
"Jetzt ziehst du wieder den Schwanz ein, stimmt's? Du erträgst keine Kritik. Wenn du wenigstens einmal einsehen würdest, dass du Scheiße gebaut hast, Wesley.", bebte sie und schlug so wie ich vorhin auf den Tisch.
"Ich war in New York, Annabelle!", fing ich an, als sie meinen Arm wieder losließ.
"Aber nicht alleine! Hab ich nicht recht?", meinte sie schnippisch.
Da hatte sie recht.
Ich nickte und sah auf die Tischplatte. Der Tisch stand krumm. Ich sollte vermutlich mal einen neuen kaufen gehen.
"Das war ja klar. Sowie ich dich kenne hat ganz New York seine Beine für dich geöffnet.", schrie sie und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, damit ich sie wieder ansah.
"Im Gegensatz zu dir kann ich mich zurückhalten. Wie oft hat Josh dich hier drinnen flachgelegt? Das ist meine Wohnung. Geh nach Hause da, wo du hingehörst!", regte ich mich jetzt auch darüber auf.
Als wäre ich voll der Fuckboy, wobei sie ja nicht ganz unrecht hatte.
"Ich kann nicht nach Hause. Falls du es mitbekommen hast, mein Bruder weiß Bescheid. Er ist verdammt nochmal durchgedreht. Ich kann nicht nach Hause und sonst kann ich auch nirgends hin. Ich hab Josh einmal heute geküsst und das wars. Aber okay! Schmeiß mich doch raus!", lachte sie kopfschüttelnd.
Es war dieses bedauernde Lachen, dass ich sie wieder enttäuscht habe.
Ich atmete laut aus.
"Es-tut mir leid. Es sollte doch eigentlich gar nicht soweit kommen.", seufzte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
"Ich war nur der One-Night-Stand. Was ein Pech, dass ich mich in dich verliebt habe und jetzt wie eine Klette an dir hänge!", behauptete sie und machte dabei so eine komische Handbewegung.
"Ich weiß nicht, wie ich es dir zeigen soll. Dass ich dich liebe, meine ich. Mir wurde das nicht beigebracht. Ich weiß doch, dass ich mich egoistisch verhalte.", rief ich und zuckte währenddessen mit den Schultern.
"Dann erzähl mir davon, was dir passiert ist, damit ich es verstehen kann! Natürlich kannst du Geheimnisse haben, die hat jeder. Aber sie erdrücken dich, du wirst zu einem Arsch dabei bist du doch überhaupt kein böser Mensch. Du bist verletzt, aber du könntest mir mal vertrauen, anstatt immer wild um dich zu schlagen und mir wehzutun.", schlug sie vor.
Ja, das könnte ich machen. Es war fast peinlich.
Natürlich war ich schon auf diese Idee gekommen. Sonst würde ich sie verlieren, wenn ich das nicht schon bereits hatte. Das war mir klar. Es war aber nicht so einfach, wie es sich anhörte.
"Ich hab einfach Angst, dass du mich danach mit anderen Augen siehst. Ich habe böse Dinge gemacht und vielen Menschen wehgetan.", wandte ich ein, weil ich da selbst nicht wirklich stolz drauf war.
Allerdings war es mir teilweise bis heute ziemlich gleichgültig. Ich wollte mit manchen Leuten nichts mehr zu tun haben.
"Du könntest auch einfach mal damit anfangen mir zu erzählen, was du in New York zu suchen hattest.", schlug sie vor und lehnte sich etwas zurück, weil die Situation sich entspannt hatte.
"Ich hab meine Schwester besucht. Sie wohnt dort.", kürzte ich das ganze ein wenig ab.
Es war dumm, weil jetzt eigentlich der Zeitpunkt gewesen war, wo ich mit ihr reden hätte sollen.
"Cassy ist schwanger.", fügte ich hinzu.
Es war besser es jetzt zu sagen.
Sie schwieg und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Kurz auf den Boden und dann zu mir.
"Seit wann weißt du es?", fragte sie etwas leiser, weil wir die ganze Zeit so herum geschrien hatten.
"Seit dem Abend, an dem wir bei Deric waren.", antwortete ich, wobei sie die ganze Zeit irgendwie rätselhaft schaute.

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