„männer" sind anstrengend

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P.O.V. Annabelle

Ich spürte sofort die Leere, die sich breit machte, als Wesley die Tür vor wenigen Minuten geschlossen. Es war aber die richtige Entscheidung gewesen. Ich war nicht naiv und würde wieder darauf reinfallen. Leider erinnerten mich die dunklen Flecken an meinem Hals nur zu gut daran, dass ich beim ersten Versuch direkt gescheitert war. Vermutlich konnte ich ihm die Schuld dafür geben, aber ich hatte ihn dazu gezwungen, ihn vor die Wahl gestellt. Wahrscheinlich hätte ich genauso gehandelt. Benommen wie eine Nutte hatte ich mich. Deswegen schämte ich mich auch so.
"Kaffee?", fragte Josh und hantierte an der Maschine herum.
"Ja, schwarz!", teilte ich ihm mit und rieb mir immer noch total müde die Augen.
"Kopfschmerzen?", fragte er und versuchte mich in ein Gespräch zu verwickeln.
Ich hatte wenig Motivation überhaupt zu reden. Es war heute schon so viel passiert. Dabei hatten wir erst vier Uhr morgens.
"Mhmm!", murmelte ich leise vor mich hin und schlug mir leicht mit der Faust gegen die Stirn.
Er stellte mir eine duftend, heiße Tasse vor die Nase und nahm dann gegenüber von mir Platz. Joshuas Blick war analysierend und gleichzeitig irgendwie gereizt. An der Backe hielt er sich gefrorene Erbsen hin.
"Bist du sauer?", fragte ich und legte den Kopf schief, während ich an meinem Kaffe schlürfte.
Sofort verbrannte ich mir die Zunge, weshalb ich ihn schnell wieder abstellte, obwohl ich den Koffein brauchte.
"Ein wenig!", gab er mit einem Schulterzucken von sich.
Ich wollte wieder ansetzen, um etwas zu sagen, aber er unterbrach mich:
"Du musst dich nicht rechtfertigen."
Doch ich hatte das Gefühl, dass ich das tatsächlich musste. Wegen mir hatte er sich mit Wesley geschlagen. Es war meine Schuld.
"Doch, muss ich!", behauptete ich.
Josh stand auf, um sich seine Kaffee ebenfalls zuhören, der nun fertig war. Dann machte er den Rollladen nach oben und schaute dann entgeistert aus dem Fenster.
"Na, wen haben wir denn da?", prustete er kopfschüttelnd, den Blick weiter nach draußen gerichtet.
"Dein Ex geht direkt zur nächsten Party, um die Nächste zu ficken. Mit den Worten „Ich brauche noch etwas Zeit" dachte ich nicht, dass du meinst wieder mit Wesley zu schlafen. Dieser Drecksack!", regte er sich über Wesley auf, den er offensichtlich da draußen entdeckt hatte.
"Jo—sh!"
"Nein, ist schon okay! Ich hätte nichtmal ansatzweise eine Chance gegen ihn.", lachte Joshua bedauernd und trank von seinem Cappuccino.
Leider hatte er Recht, aber das würde ich ihm jetzt nicht sagen.
"Ich dachte, dass aus uns mal etwas ernsthaftes wird. Hättest mir auch gleich sagen können, dass ich nur als Übergang gedacht war, bis Wesley wieder da ist. Dann könnt ihr wieder ficken und alles ist wieder gut.", seufzte er und fuhr sich durchs Gesicht.
"Du weißt, dass ich dich nicht verletzen will und auch dass ich dich immer nur als guter Freund sehen werde."
Ich wollte ihm nicht wehtun, aber genau das tat ich gerade.
"Soll ich so ein Draufgänger werden wie er? Hätte ich dann eine Chance?", sagte er wohl eher aus Verzweiflung.
Das hatte wenig damit zu tun. Ich wollte nichts von Josh außer eine Freundschaft. Das war schon immer so und es sollte auch immer so bleiben, meiner Meinung nach. Am Ende würde ich ihn als Freund verlieren wegen so etwas. Das wollte ich nicht riskieren.
"Hör auf! Ich habe mir das nicht ausgesucht.", murmelte ich vor mich hin.
Eigentlich brauchte ich dringend Schlaf. Sogar mehr als alles andere gerade.
"Du bist viel zu naiv. Springt er von einem Turm, würdest du hinterher springen.", hackte er auf mir herum, weil ich mich für den falschen Typen entschieden hatte.
Das wusste ich ja selbst.
"Ich hab nicht Wes rausgeschmissen, nur dass du hier reinkommst und mich genauso anschreist."
"Ich weiß, sorry!", entschuldigte er sich.
"Egal, ich wäre genauso drauf an deiner Stelle."
"Ich denke ich werde jetzt gehen."
Ich nickte und erhob mich, um mich von ihm zu verabschieden.
"Es tut mir leid. Du bist zur falschen Zeit gekommen, Joshua!", fing ich nun auch an mich dafür zu entschuldigen, dass ich nicht ihn sondern jemand anderen liebte.
"Ist schon okay!", tat er, als wäre es keine große Sache.
Das war es aber und das wussten wir beide.
Er nahm mich in den Arm.
"Wir sehen uns und ruf an, wenn was ist, nicht dass dein Bruder mal vorbeikommt und meint er müsste dich wieder fertig machen!", verabschiedete er sich und tätschelte meinen Kopf.
Ich war ein dummer Mensch ihn so wegzustoßen.
Hoffentlich würde das jetzt nicht irgendwie unsere Freundschaft kaputt machen. Das wollte ich um jeden Preis verhindern.
Ich sah ihm zu, wie er die Wohnung verließ und sogar noch aus dem Fenster, wie er dann in sein Auto stieg und davon fuhr.
Müde griff ich nach meinem Handy und wählte die Nummer meines Bruders.
Das war eine blöde Idee.
Ich stand auf blöde Ideen.
Zweimal klingelte es und dann hob er ab.
"Was willst du, Annabelle?", meldete er sich zu Wort.
Seine Stimme klang genervt. Wir hatten ja auch mitten in der Nacht.
"Mit dir reden."
Ich räusperte mich kurz, weil ich einen Frosch im Hals hatte.
"Dein Ex ist wieder in der Stadt. Ich werde ihm noch einen Arm dranlassen, wenn ich ihn verprügelt habe.", behauptete er und dann war die Leitung tot.
So eine verdammte Scheiße!
Ich warf mein Handy Richtung Küche und vergrub meinen Kopf in meinen Händen.
Glückwunsch! Annabella Garcia! Du hast es mal wieder geschafft alle Menschen, die dir wichtig sind, zu vergraulen.
Ich sollte mir wirklich mal weibliche Freunde suchen.
Vielleicht waren die ja weniger anstrengend.

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