(47) But we're more than worth it and that's why it hurts

298 17 4
                                    

Mittwoch, 05.06
Pov Lena
Er erwiderte den Kuss sanft und legte seine Hand an meine Wange. Unsere Lippen schienen wie füreinander gemacht. Sie schmiegten sich perfekt aneinander, als wären sie eins. Einige Sekunden versanken wir in diesem Moment und es gab nur uns beide. Alles andere vergessen und egal. Schließlich war aber ich die, die sich als erstes löste und wieder halbwegs klare Gedanken fassen konnte.
„Ich... Es tut mir leid", sagte ich sofort und fühlte mich schuldig. Meine Gedanken rasten und gleichzeitig bekam ich keinen einzigen zu fassen. Wieso konnte ich meine Gedanken nicht stoppen, sich in Taten zu verwandeln?
„Vielleicht sollten wir zurück zu deiner Familie gehen", schlug ich murmelnd vor, während ich bereits aufstand und nach meinem Handtuch griff. Mark konnte mir nur überfordert dabei zusehen, wie ich gehen wollte.
„Hey, warte mal", sagte er schnell und griff nach meiner Hand. Ich drehte mich zu ihm, konnte jedoch nicht in seine Augen sehen.
„Setz dich doch bitte kurz nochmal", bat er und klopfte neben sich, was ich schließlich ein wenig widerwillig tat.
„Wenn wir jetzt wieder nicht darüber reden, wie letztes Mal, wird es wieder komisch", merkte er an und ich wusste, dass er recht hatte. Trotzdem wollte ich nicht darüber reden. Es war mir einfach unangenehm, dass ich mich nicht hatte zurückhalten konnte. Ich hatte viel zu viel riskiert für diesen einen kurzen Moment. Ich starrte nur geradeaus auf den Sand und ließ diesen langsam durch meine Finger gleiten, nur um ihn nicht ansehen zu müssen. Etwas weiter in der Ferne konnte man beobachten, wie er durch den leichten Wind immer wieder ein wenig aufgewirbelt wurde.
„Es tut mir leid", murmelte ich dann.
„Schon gut", erwiderte Mark jedoch sofort und legte seinen Arm um mich, da ich zwangsläufig neben ihm auf seinem Handtuch saß. Ich rückte ein Stück zur Seite, konnte diese Nähe gerade nicht ertragen, also ließ er seinen Arm wieder sinken und sah mich an. Ich allerdings saß regungslos neben ihm, überfordert mit meinen Gedanken und Gefühlen. Was hatte ich nur getan?
„Wir müssen darüber reden, Leni", sagte er. Ich nickte.
„Ich kann aber nicht. Ich... Lass uns einfach vergessen, dass das passiert ist", murmelte ich und merkte, wie mir die Tränen kamen. Mit aller Macht kämpfte ich gegen sie an, wollte nicht, dass er sah, wie ich mich fühlte.
Ich war überfordert. Der Kuss hatte eine neue, viel heftigere Welle an Emotionen über mich gebracht, mit welcher ich gerade nicht umzugehen wusste. Ich wollte nicht weinen, nicht schwach wirken. Ich wollte ihm nicht zeigen, wie viel mir das ganze bedeutet hatte.
Das erste Mal seit April war wieder etwas zwischen uns passiert, nur diesmal ist es echter gewesen. Dieses Mal konnte ich es viel deutlicher spüren, da wir nüchtern waren.
Mir wurde heiß und ich war kurz davor durchzudrehen und den Kampf gegen die Tränen zu verlieren. Wenn ich jetzt hier sitzen bleiben würde, konnte ich für nichts mehr garantieren.
„Ich kann das nicht. Bitte lass es uns vergessen und alles bleibt so wie es war", sagte ich aufgelöst und stand wieder auf. Ich drehte mich um, ließ Mark alleine zurück und ging wieder zu den anderen.
Natalie schenkte mir ein Lächeln, als ich mein Handtuch neben ihrem ausbreitete und mich neben sie setzte. Sie begann sofort ein Gespräch mit mir und erzählte aus ihrer Kindheit, in welcher sie ihre Ferien hier verbracht hatte und so oft es nur ging, an diesen See gefahren war. Jedoch konnte ich nur mit halbem Ohr zuhören, viel zu sehr war ich noch mit der Situation von vor ein paar Minuten beschäftigt. Nach außen hin hatte ich mich fast wieder komplett im Griff oder zumindest hoffte ich, dass niemand Wind davon bekam, wie es mir ging. Hin und wieder symbolisierte ich Natalie, dass ich ihr zuhörte, denn das tat ich ja auch irgendwie.
Mark hatte sich neben seine Mutter gesetzt, gegenüber von Natalie und lauschte dem, was Natalie erzählte, ebenfalls, wechselte aber auch ab und zu ein paar Worte mit seiner Mutter und einer seiner Tanten. Er verhielt sich wie immer. Er lachte mit allen und scherzte, hörte ihnen zu und antwortete ihnen. Mark tat so, als wäre der Kuss nie passiert, als hätte es rein gar nichts mit ihm gemacht.
Vielleicht hatte ich mir die Zuneigung seinerseits, welche ich meinte gespürt zu haben, doch nur vorgestellt? Habe ich ihn also vollkommen damit überrumpelt? Aber warum hatte er den Kuss dann erwidert?
Es verletzte mich. Es fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube.
Ich war schwanger von ihm, hatte ihn geküsst und er verhielt sich, als wäre nie etwas geschehen. Das ist zwar das, was ich wollte, aber dennoch hatte ich gehofft, vielleicht sogar erwartet, dass er nicht lockerlassen würde. Eventuell auch, dass er genau so fühlte, wie ich. Doch scheinbar löste meine Hoffnung sich spätestens jetzt gerade in Luft auf.
Ich weiß nicht, wie lange ich so schweigend und in meinen Gedanken versunken dasaß, aber irgendwann machte Natalie erneut auf sich aufmerksam. Und als ich aufblickte, sah ich gerade noch, wie Mark seinen Blick schnell von mir abwandte. Er schien mich angestarrt zu haben.
„Lena?", fragte Natalie und streifte kurz meine Hand. Überrascht sah ich sie an, hatte gar nicht gemerkt, dass sie etwas gesagt hatte.
„Mhm? Sorry, ich habe gerade nicht zugehört", murmelte ich entschuldigend.
„Wir würden gleich was essen wollen. Möchtest du auch was?", erkundigte sie sich. Erst jetzt bemerkte ich, wie viel Zeit seit dem Frühstück bereits vergangen war und nickte.
„Pommes mit Mayo wären schön", antwortete ich also, was sie dann an Mark weitergab. Dieser machte sich mit unseren Bestellwünschen und einem seiner Onkel auf den Weg zur Strandbar.
Mich nervte es, dass er mich nicht selbst gefragt hatte, sondern Natalie vorschob. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, doch unsere Situation machte es zu einem Problem für mich. Er schien eine gewisse Distanz aufzubauen und zu wahren. Ich war enttäuscht. Vielleicht war ich auch einfach überempfindlich, aber ich war enttäuscht.
„Irgendwie habe ich euch das noch nie gefragt, aber wie haben Mark und du euch eigentlich genau kennengelernt? War das wirklich bei The Voice Kids?", fragte Natalie an mich gewandt, was die ganze Familie dazu brachte, mich neugierig anzuschauen. Scheinbar schien sie das alle brennend zu interessieren und dass Mark ihnen das bisher nie erzählt hatte, wunderte mich nicht. Mit Sicherheit gab es auch viel, was ich nach all den Jahren aus seinem Leben nicht wusste und was er für sich behielt. Aber irgendwie war das auch okay so. Ich musste schmunzeln, wenn ich an unsere erste richtige Begegnung dachte.
„So richtig sicher sind wir uns bis heute nicht, ob wir uns nicht vorher bei irgendeiner Veranstaltung oder so schon über den Weg gelaufen sind, aber richtig bewusst begegnet sind wir uns das erste Mal tatsächlich bei The Voice Kids", begann ich zu erzählen.
„Ich weiß noch, das war bei einer Vorbesprechung und ich war schon im Raum. Mark kam rein, schaute in die Runde und machte einen blöden Witz, um die Stimmung aufzulockern. Alle haben gelacht und nur ich habe einfach mitgelacht, weil ich den Witz nicht verstanden habe", lachte ich, was alle auflachen ließ.
„Dann haben wir uns aber über die Sendung näher kennengelernt, uns ab und zu getroffen und uns angefreundet. Mark hat mir dann irgendwann im Laufe der Zeit erklärt, dass es ein Witz auf meine Kosten war", beendete ich lachend die Erzählung.
„Das klingt nach Marek", lachte seine Mutter.
„Habt ihr nie darüber nachgedacht, dass ihr vielleicht mehr füreinander sein könntet, wenn ihr so lange befreundet seid?", fragte Marks Tante neugierig und ließ mich kurz unmerklich zusammenzucken. Allerdings versuchte ich, es gelassen zu nehmen.
„Irgendwie war das nie eine Option, nein. Mark war so lange mit Miriam zusammen und ich bis vor zwei Monaten mit meinem Exfreund. Wir hatten beide die gesamte Zeit, in der wir befreundet waren, einen festen Partner", erklärte ich.
Marks Mutter lächelte mich an. Sie kannte schließlich die Wahrheit und den Hintergrund, dass ich schwanger war und ein Kind von Mark erwartete. Nur, dass ich mir mehr mit ihrem Sohn vorstellen konnte, das wusste sie nicht.

Dieses Licht, Wie Du AussiehstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt