(92) Weiß im Dezember

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Mittwoch, 25.12
Pov Lena
„Leni, wir sind spät dran", drang Marks Stimme durch die Badezimmertür. Wir waren wie immer mal wieder etwas zu spät aufgestanden und ich stand gerade noch vorm Spiegel, um ein ansehnliches Make-up hinzubekommen. Meinen schwarzen Rock und bordeauxfarbenen Wollpullover hatte ich bereits angezogen.
„Ich bin noch nicht fertig", rief ich zurück. Mark öffnete die Tür und steckte den Kopf durch diese. „Was hältst du davon, wenn ich schon mal deine Mama abhole und das mit einer Kiwi-Runde verbind?", schlug er vor. Dankbar nahm ich sein Angebot an, während ich noch versuchte, meine Locken unter Kontrolle zu bekommen.

Gute zwei Stunden später verließen wir dann endlich die Autobahn und waren tatsächlich nur eine halbe Stunde verspätet in dem kleinen Dorf angekommen. Anders als in Berlin bedeckte hier eine dünne Schneeschicht die Landschaft und tauchte die Welt in eine traumhaft winterliche Atmosphäre.
„Welcome to winter wonderland", scherzte Mark und brachte damit sowohl mich als auch meine Mutter zum Lachen.
Vorsichtig lenkte Mark das Auto durch die vereisten Straßen, ehe er es sicher am Straßenrand parkte.
Wir stiegen aus, nahmen unsere Taschen und gingen zur Haustür.
„Hey, schön, dass ihr auch endlich da seid", begrüßten Marks Mutter und seine Tante uns sofort herzlich.
„Hallo, schön sie auch mal kennenzulernen", umarmte Marks Mutter meine herzlich.
„Ach, wir können uns doch duzen, aber freut mich auch sehr", lächelte meine Mama. Marks Mutter nickte.
„Kommt doch endlich rein, es ist kalt draußen", meinte seine Tante, der das Haus gehörte schließlich und so traten wir ein. Drinnen war es auch deutlich wärmer durch den Kamin, der, wie ich kurz darauf sah, im Wohnzimmer für Wärme sorgte.
Auch der Rest der Familie, der größtenteils schon gestern angereist war, hieß uns willkommen.
Bis zum Kaffeetrinken dauerte es dann noch etwas, sodass ich mich geschafft neben Natalie aufs Sofa fallen ließ.
„Na, was macht die kleine wilde Maus", grinste sie. Ich hatte ihr bereits vor ein paar Tagen auf ihre Nachfrage geschrieben, dass Emilia ein ziemlich aktives Baby zu sein schien, da sie mich kaum eine Nacht wirklich durchschlafen ließ.
Ich seufzte auch. „Sie ist aktiv, sagen wir es mal so", musste ich dann aber lachen. Natalie und Ben lachten mit. „Aber das ist auch schön, wenn es nicht gerade die ganze Nacht ist", schmunzelte ich.
Natalie lächelte zustimmend. „Das kann ich mir vorstellen. Aber du siehst richtig gut aus, die Kugel steht dir", meinte Natalie ehrlich.
„Oh ja und ich hab endlich mal etwas mehr Brust bekommen", lachte ich, was Natalie auch auflachen ließ.
„Wie war euer Tag gestern?", fragte Marks Mama dann, als sie und Mark sich zu uns setzten. „Meinem Sohn muss man ja alles aus der Nase ziehen. Er hat lediglich gesagt, dass es schön war", verdrehte sie lächelnd die Augen.
Ich grinste. „Er kann auch anders, wenn er will", meinte ich. „Aber es war wirklich schön gestern. Wir beide haben den Großteil des Tages gekocht und dann nachmittags mit Mama Spiele gespielt, bis es Zeit war zu essen und wir dann Bescherung gemacht haben."
Marks Mutter sah mich überrascht an und dann zu Mark. „Ihr wart gar nicht in der Kirche?", fragte sie ungläubig. Mark blickte zerknirscht zu mir, aber schüttelte den Kopf.
„Wir gehen doch heute noch, Mama", meinte er dann aber.
Meine Mama, welche im Sessel neben mir saß, mischte sich nun auch ein. „Für uns hatte Kirche nie so eine wirklich wichtige Bedeutung. Also wir sind schon ab und zu hingegangen in Lenas Kindheit, aber es war nicht wirklich regelmäßig."
Marks Tante mischte sich jetzt auch noch ein. „Ist doch jetzt auch egal, oder? Lasst uns lieber langsam zum Kuchen übergehen."
Sie erhob sich und ging bereits, gefolgt von ein paar Verwandten in die Küche.
Mark kam zu mir und setzte sich auf den Sofarand. „Und deswegen habe ich ihr keine Details verraten", schmunzelte er, was mich verunsicherte. „Sorry", murmelte ich, doch Mark winkte ab.
„In spätestens fünf Jahren hat sie es wieder vergessen", grinste er. „Fünf Jahre?!" Ungläubig sah ich ihn an, aber Mark lachte nur und zog mich hoch.
„Lass uns rübergehen und Kuchen essen. Du hast doch bestimmt schon wieder Hunger", schmunzelte er, aber er hatte damit wirklich nicht unrecht.
Mama folgte uns, unterhielt sich aber ganz gut mit einem Onkel von Mark, weshalb ich nicht das Gefühl hatte, großartig auf sie eingehen und bei ihr bleiben zu müssen.
Also aßen wir erst einmal alle zusammen Kuchen, tranken Kaffee oder Tee und führten lockere Gespräche. Und tatsächlich blieben wir ziemlich lange dort sitzen. Um genau zu sein, etwas zu lange.

„Oh, wir müssen doch zur Kirche", sprang plötzlich jemand auf. Die Uhr zeigte zwanzig vor fünf.
Relativ hektisch standen alle auf, sprinteten beinahe in den Flur, um sich Schuhe und Jacken anzuziehen. Mark und ich lachten, gingen aber hinterher, wenn auch etwas entspannter.
„Schaffst du das?", wollte Mark sichergehen, als er feststellte, wie schnell seine Familie vorausging.
„Ich denke schon und sonst gehen wir halt langsamer", nickte ich. Mark schüttelte grinsend den Kopf. „Das wird Mama aber gar nicht gefallen, wenn wir zu spät zur Messe kommen, wo wir doch gestern schon nicht waren", scherzte er.
Sofort ging ich darauf ein. „Stimmt, du hast recht. Wie konnten wir nur?", fragte ich gespielt theatralisch. Gemeinsam brachen wir in Gelächter aus.
„Aber jetzt mal im Ernst. Wir gehen da jetzt entspannt hin und wenn wir zu spät kommen, hab ich mich halt überschätzt", sagte ich dann doch nochmal etwas ernster. Mark winkte ab.
„Da soll sie mal wirklich was sagen, das kann ich schon erklären", sagte er und legte den Arm um mich, während wir den Weg in Richtung Stadtmitte fortsetzten.

Die Messe war genau, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Langweilig, wie die meisten sonst auch.
Der Gottesdienst war größtenteils auf Polnisch, was ich ja noch nicht einmal verstand, aber auch Mark wirkte ein wenig gelangweilt, sodass wir es uns irgendwie zum Spaß machten, einander immer wieder unauffällig zu necken. Dabei das Lachen zu unterdrücken fiel uns deutlich schwer, sodass Mama irgendwann auf uns aufmerksam wurde, sich aber mit einem lächelnden Blick kopfschüttelnd wieder abwendete, ohne etwas zu sagen.

Dieses Licht, Wie Du AussiehstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt