(52) Also trau dich ab und zu

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Freitag, 07.06
Pov Mark
Von einem leisen Fluchen wachte ich am Morgen auf. Ich streckte mich und stellte fest, dass Lena nicht mehr neben mir lag. Verdammt, war der erste Gedanke, der mir damit an diesem Morgen durch den Kopf ging. Wie viel Uhr war es eigentlich? Als ich mich umdrehte, sah ich Natalie, welche sich, leise jammernd, den Fuß hielt. „Sorry, habe ich dich geweckt?", fragte sie entschuldigend. „Ja, ist aber nicht schlimm", sagte ich nach einem Blick auf die Uhr. Es war kurz nach sieben. „Warum bist du schon wach", fragte ich Natalie und rieb mir einmal über die Augen, ehe ich mir dann meine Brille aufsetzte. „Ich musste auf die Toilette", stöhnte sie. „Ich habe gerade mal sieben Stunden geschlafen und jetzt kann ich eh nicht mehr weiterschlafen", jammerte sie. Natalie brauchte schon immer recht viel Schlaf, während ich mit deutlich weniger klarkam. „Wo ist Lena?", fragte Natalie. Ich setzte mich auf und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht", antwortete ich. Natalie setzte sich ebenfalls, mir gegenüber, auf ihr Bett und sah mich schief an. „Habt ihr gestern miteinander geschlafen?" fragte sie mich direkt. Sprachlos sah ich sie an. Normalerweise war das kein Thema, über das ich mit meiner kleinen Schwester sprach. „Es ist kein Geheimnis, dass ihr zwei euch gegenseitig anziehend findet", schmunzelte Natalie. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Sie will nichts von mir", sagte ich dann jedoch. Natalie sah mich an und schien alles andere als überzeugt. „Hat sie das gesagt?", fragte sie und ich konnte darauf nur den Kopf schütteln. „Dann glaub mir, dass sie mindestens genauso interessiert an dir ist, wie du an ihr." Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Gerade wollte ich etwas sagen, da wiederholte Natalie ihre Frage, dieses Mal eindringlicher. „Habt ihr miteinander geschlafen gestern?", fragte sie. „Ich- Wie kommst du darauf?", versuchte ich einer direkten Antwort aus dem Weg zu gehen. Natalie sah mich auffordernd an. „Ich bin deine Schwester, ich bin nicht blöd", witzelte Natalie. „Deine Jogginghose und das Handtuch liegen wild im Zimmer, ihr lagt zusammen in einem Bett, du trägst nur deine Boxershorts, Lena hatte deinen Pulli an und ist jetzt weg. Reicht dir das?", stellte Natalie alle Fakten dar, die genau das zeigten, was gestern Abend hier passiert ist. Ich seufzte. „Ok, ja. Wir haben miteinander geschlafen und nein, ich habe wirklich keine Ahnung, wo Lena ist." „Habt ihr wenigstens vorher miteinander geredet?", wollte Natalie wissen. „Nein", gab ich beschämt zu. „Mann Mark! Kein Wunder, dass Lena jetzt weg ist. Du musst mit ihr reden! Wie lange wollt ihr euch noch gegenseitig quälen, indem ihr eure Gefühle voreinander geheim haltet?", machte Natalie ihren Standpunkt klar. „Ich weiß, ich weiß. Das ist aber nicht so einfach", sagte ich. Natalie zog die Augenbrauen hoch. „Du redest mit ihr! Was meinst du, wie sie sich gerade fühlt? Sie ist alleine mit dir hier und hat niemanden, mit dem sie darüber reden kann, dass ihr schon wieder miteinander geschlafen habt. Musste das wirklich sein gestern?" Ich stöhnte. „Ich rede mit ihr", ergab ich mich. Ich wollte einfach nur, dass dieses Gespräch endete. Es war irgendwie unangenehm, so ein Gespräch mit Natalie führen zu müssen. „Heute Mark! Du redest gleich mit ihr. Am besten direkt nach dem Frühstück, sonst drückst du dich wieder davor. Ich sorge auch dafür, dass euch niemand stört", gab Natalie mir eindringlich vor, wie ich mich zu verhalten hatte. Widerwillig stimmte ich zu und stand auf, um ins Bad zu gehen.
Als ich herunterging, war nur meine Mutter vorzufinden. „Die anderen sind gerade Brötchen holen", sagte sie und lächelte mich an. „Wo ist Lena? Ist sie noch oben?", fragte meine Mutter. „Sie müsste gleich kommen", antwortete ich, ohne zu wissen, wo sie ist und ob sie gleich wiederkommt. Ich hatte gehofft, dass sie einfach nur schon nach unten gegangen ist, aber falsch gedacht. Hoffentlich kommt sie dann auch wirklich, sonst bemerkte meine Mutter noch etwas und ich wollte nicht, dass sie sich in die Spannungen zwischen Lena und mir einmischte oder sie sich um irgendetwas Sorgen machte. Also half ich meiner Mutter den Tisch zu decken und nach ein paar Minuten kam meine Familie mit dem frischen Brötchen wieder. Lena war nicht dabei. „Mann, Lena", dachte ich. Weglaufen war eigentlich mein Part. Natalie kam zu mir und sah mich besorgt an. „Ist sie immer noch nicht wieder da?", fragte sie mich leise. Ich schüttelte den Kopf. „Ich gehe sie suchen", sagte Natalie sofort. „Ich komme mit", gab ich ohne zu zögern von mir, doch Natalie schüttelte den Kopf. „Lass mich mal", lächelte sie mir zu. Widerwillig gab ich nach und setzte mich zu meiner Familie an den Tisch. „Ich bin gleich wieder da", sagte Natalie zu unserer Familie und ich konnte nicht mehr machen, als ich hinterherzuschauen. Hoffentlich fand sie Lena. Ich versuchte, etwas zu essen, aber ich bekam nicht wirklich etwas herunter. Lena kannte sich hier doch gar nicht wirklich aus. Ich will auch gar nicht wissen, was sie sich so für Gedanken machte. Tatsächlich dauerte es noch nicht einmal zehn Minuten, bis die Tür dann aber aufgeschlossen wurde und Natalie anschließend mit Lena hereinkam. Erleichtert lächelte ich, dankbar, dass meine Schwester sie gefunden hatte. Lena mied allerdings meinen Blick und setzte sich neben Natalie. Wirklich viel aß sie nicht und ich machte mir erneut Sorgen. Ich musste wirklich mit ihr reden, Natalie hatte recht. Allerdings sah Lena nicht aus, als würde sie das auch wollen.
„Ich schlage vor, wir machen einen kleinen Spaziergang in die Innenstadt. Ich wollte zum Trödelmarkt, der dort heute ist und später soll es doch regnen", war Natalies Idee beim Frühstück. Alle stimmten zu, jedoch verstand nur ich ihrem Hintergedanken. Ich sollte hier bleiben und in Ruhe mit Lena reden. Das konnte ja was werden, wenn Lena anscheinend sichtlich kein Interesse an einem Gespräch hatte. Natalie flüsterte Lena etwas zu, doch diese schien unzufrieden darüber. „Ich mach' das nicht, Natalie", war jedoch das einzige, was ich von ihr hörte. Daraufhin redete Natalie ein klein wenig auf sie ein, bis Lena schließlich sichtbar nachgab. Ich allerdings hatte keine Ahnung, worüber sie geredet haben. Nachdem alle gemeinsam den Tisch abgedeckt hatte, zogen sie sich Schuhe an und verließen das Haus. Lena saß immer noch auf dem Stuhl im Esszimmer, hatte sich kein Stück bewegt und mied meinen Blick weiterhin.

Dieses Licht, Wie Du AussiehstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt