(83) Das Helle hat das Schwarz vertrieben

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Montag, 07.10
Pov Mark
„Leni, du solltest vielleicht mal wieder was trinken", erinnerte ich sie. Den ganzen Vormittag hatten wir kuschelnd auf dem Sofa verbracht. Im Hintergrund dudelten sanfte Kinderlieder und klassische Musik, da wir gelesen hatten, dass das Baby mittlerweile Geräusche und Stimmen wahrnehmen konnte. „Du hast heute noch nichts getrunken, außer das kleine Glas Saft beim Frühstück. Deine Ärztin hat gesagt, du musst daran denken, mehr zu trinken."
Genervt rollte sie die Augen. „Ich kann das schon selbst, weißt du. Ich brauche niemanden, der mich erinnert und ich hab jetzt keinen Durst." Jetzt war ich derjenige, der seufzte. „Leni...", begann ich, aber sie unterbrach mich.
„Nein, Mark. Du brauchst mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe", meckerte sie gereizt und befreite sich aus meinen Armen. Ich konnte ihr jedoch nur erneut seufzend hinterherschauen, da sie aufgestanden war. Wahrscheinlich sollte ich sie einfach ein paar Minuten in Ruhe lassen und versuchen, das stechende Gefühl in meiner Brust zu ignorieren.
Ich hörte, wie die Schlafzimmertür ins Schloss fiel und ließ mich zurück aufs Sofa fallen. Diese Diskussion war unnötig. Es Streit zu nennen wäre übertrieben, aber solche kleinen Diskussionen hatten wir in den letzten Tagen immer öfter und ich konnte mich nicht gegen das negative Gefühl wehren, welches sich in mir ausbreitete.
Nachdem ein paar Minuten vergangen waren, entschloss ich, mich mal nach Lena auf die Suche zu machen und fand sie nach wie vor im Schlafzimmer.
Ich klopfte leise an die Tür und öffnete diese im Anschluss langsam ein Stück weit. „Darf ich hereinkommen?", fragte ich vorsichtig uns steckte den Kopf durch die Tür. Lena nickte, hatte mir aber den Rücken zugedreht und sortierte ein paar Teile für das Baby, die wir schon gekauft hatten.
„Leni, du weißt, dass ich das nicht böse gemeint habe. Es tut mir leid", entschuldigte ich mich, wenn ich auch nicht wusste, warum meine Aussage sie so gestört hatte. Ich ließ mich aufs Bett sinken und beobachtete sie, wie sie konzentriert weiter die Sachen in die Kommode faltete. Irgendwann seufzte sie und drehte sich endlich um. „Ich weiß, dass das scheiße war, von mir und nicht von dir. Du brauchst dich nicht entschuldigen, wenn du recht hast", sagte sie und setzte sich neben mich.
„Komm her", sagte ich lächelnd, sodass sie sich an mich lehnte und ich den Arm um sie legen konnte. „Ich muss wirklich mehr trinken und das weiß ich auch, aber ich hab manchmal das Gefühl, dass ich damit nicht so gut umgehen kann, wenn man mich ständig daran erinnert", gab sie irgendwann zu. Behutsam streichelte ich ihren Oberarm. „Ich kenne sowas. Man hört das nicht unbedingt gerne, wenn man an seine Schwachstellen erinnert wird", schmunzelte ich.
„Was hältst du davon, wenn du und ich heute mal die Erstausstattung für unsere Prinzessin kaufen gehen und den Rest später im Internet bestellen? Dann können wir auch die Tage anfangen dein Gästezimmer ins Kinderzimmer umzubauen und du musst die Babysachen nicht mehr in deine Kommode sortieren", schlug ich vor. Endlich fing Lena wieder an, zu lächeln. „Gute Idee! Ich hab sowieso schon das Gefühl, dass wir damit langsam fast schon ein bisschen spät dran sind", grinste sie.
Also machten wir uns auf den Weg in die Stadt. Im Laden angekommen, waren wir beide mehr als überfordert. Zwar hatten wir uns bereits im Vorfeld über all die Möglichkeiten informiert, aber die Vielfältigkeit von allem konnte einen schnell überfordern. Zu unserem Glück kam uns eine Mitarbeiterin zur Hilfe, die uns gut beraten konnte. „Ich würde ihnen dieses Tragesystem empfehlen, weil es einfach am komfortabelsten ist. Ich bin Mutter von vier Kindern und habe das leider erst bei den letzten zwei Kindern gehabt, aber seither kann ich das jedem aus vollstem Herzen empfehlen", beriet uns die Frau.
So verließen wir später den Laden wieder. Kleinigkeiten wie zwei Schlafsäcke, ein Stillkissen, ein Nachtlicht, Kapuzenhandtücher, ein Badethermometer oder das Tragesystem nahmen wir sofort mit dem Auto mit. Die größeren, sperrigen Teile hingegen hatten wir bestellt. Das Babybettchen, die Wickelkommode, der Kombikinderwagen und die Babyschale sollten im Laufe der Woche zu Lenas Wohnung geliefert werden.
Zu Hause bei Lena angekommen, setzten wir uns erneut mit dem Laptop aufs Sofa, um zu überlegen, was uns noch fehlte, um das Kinderzimmer einzurichten. Also stöberten wir noch ein wenig über die Website eines Einrichtungshauses und bestellten noch einen Kleiderschrank und ein kleines Regal für Spielzeug. Wir hatten das Glück, nicht unbedingt auf das Geld achten zu müssen, solange es nicht allzu teuer wurde. Das war ein wirkliches Privileg und wir schätzen dieses heute einmal mehr.
Zufrieden legte Lena sich in meine Arme, sobald ich den Laptop auf den Tisch gestellt hatte.
„Erfolgreicher Tag würde ich sagen", lächelte ich und zog sie etwas näher an mich, um ihr sanft einen Kuss an die Schläfe zu legen. Dies' ließ sie lächelnd nicken. „Ich hätte nie gedacht, dass wir den Großteil heute schon bestellt haben, als du das vorhin vorgeschlagen hast", lachte sie. Da hatte ich auch nichts mehr zu ergänzen.
„Hast du dir eigentlich schon mal so richtig Gedanken um die Geburt gemacht?", fragte ich schließlich, was mir irgendwie schon den ganzen Tag durch den Kopf ging. „Also natürlich hast du das, aber ich meine, weißt du, wo du unser Baby E.T. bekommen willst?", verbesserte ich meine Frage schmunzelnd. Das ließ sie lachen.
Jedoch wurde sie schnell wieder ernst. „Ich bin mir nicht so wirklich sicher, aber ich glaube, ich will schon ins Krankenhaus dann. Ich weiß nicht, ich fühle mich dabei einfach sicherer, als wenn ich jetzt sagen würde, ich hätte gerne eine Hausgeburt", erklärte sie verlegen. Mich jedoch erleichterte das, da ich es doch so ähnlich empfand. Ich nickte. „Ich weiß, was du meinst. Und nehmen wir die Klinik, die Helena uns empfehlen hat? Das war doch auch die, wo eine Freundin von dir vorletztes Jahr mal war, oder?" Helena war die Hebamme, die uns betreute. Nach wochenlanger Suche hatten wir endlich eine gefunden, die sowohl uns fachlich als auch zwischenmenschlich wirklich gut gefiel. Lena nickte. „Ja, ich schätze mal, die wird es werden. Ich hab bisher viel Positives gehört und sie ist nicht zu weit weg", entschied Lena. Auch ich hielt diese für am passendsten.
Im Hintergrund liefen, wie heute Morgen schon, sanfte Klaviertöne und wir genossen diese, da sie die Stille füllten.
„Ich hab Angst", gab Lena irgendwann murmelnd zu. Ich schwieg, da ich das Gefühl hatte, dass das noch nicht alles gewesen war und sie noch was sagen wollte. „Ich hab Angst vor der Geburt, Angst vor der Zeit danach und Angst als Mutter zu versagen", murmelte sie und war plötzlich ganz beschäftigt damit, mit der dünnen Decke zwischen ihren Fingern zu spielen.
Natürlich hatte ich ähnliche Ängste, aber ich wollte trotzdem versuchen ihr ihre zu nehmen oder zumindest zu verringern.
„Ich glaube, das ist normal", lächelte ich also erstmal. „Natürlich habe ich auch Angst. Ich hab auch Angst in der Rolle des Elternteils zu versagen, weißt du, aber wir sind zu zweit. Wir sind nicht alleine und können alles schaffen, gerade weil wir zusammen sind. Ich kann dir die Angst vor der Geburt auch nicht nehmen oder dir die Aufgabe abnehmen, selbst wenn ich wollte, aber ich bin da und unterstütze dich bei allem, was du willst, okay?"
„Okay", grinste sie und legte die Lippen kurz auf meine. „Ich liebe das, wie du immer versuchst mir immer jeden Zweifel zu nehmen, danke."
„Für dich tu' ich so ziemlich alles", lächelte ich. „Und weißt du, warum?" Neugierig sah sie mich an. „Weil ich dich liebe", lächelte ich und küsste sie. Lena erwiderte den Kuss und meinen verliebten Blick. Wir waren zusammen. Und das war alles, was zählte.

Dieses Licht, Wie Du AussiehstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt