(64) I don't know what I need

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Mittwoch, 10.07
Pov Lena
„Hey", begrüßte ich Mark am Mittwoch in meiner Wohnung. Jedoch war die Begrüßung weniger überschwänglich als noch ein paar Tage zuvor.
Wir hatten das Finale hinter uns gebracht und danach alle noch ein wenig zusammen gefeiert. Zwar hatten weder Mark noch ich mit unseren jeweiligen Talents gewonnen, aber wir freuten uns mit Steff und ihrer Finalistin, welche letztendlich im Zuschauer-Voting gewonnen hatte.
„Hey", erwiderte er und zog mich in eine Umarmung, mit welcher er das mir recht neue, verräterische Kribbeln erzeugte. Mir wurde das zu viel, zu intensiv, zu schnell. Ich wollte das nicht - wollte lieber mit ihm reden. Das hinter mich bringen, weshalb er hier war. Er wusste, dass ich reden wollte, weshalb er mich ausgiebig betrachtete, nachdem er mich aus der Umarmung befreite und ich erleichtert ausatmete. „Es tut mir leid", flüsterte ich, mit dem Gedanken an die nächsten paar Minuten.
Er griff erneut nach meinen Armen und hielt sie sanft fest. „Was ist los, Leni?", fragte er einfühlsam und brachte mich fast zum Weinen. Meine Nachricht, dass ich reden wollte, schien ihn beunruhigt zu haben.
Doch ich wollte ihn nicht verletzen, ihm nicht das Herz brechen, aber ich wusste, dass ich genau das tun würde innerhalb der nächsten Minuten.
„Können - Können wir ins Wohnzimmer gehen?", fragte ich, woraufhin er nickte und das Sofa zusteuerte. Ich folgte ihm ein bisschen versetzt und setzte mich mit Abstand zu ihm aufs Sofa. Die Situation ist schrecklich. Ich fühlte mich scheiße und schrecklich. Mark hatte das alles nicht verdient. Ich hatte ihn nicht verdient.
„Leni, was ist los? Rede doch mit mir", forderte er zunehmend verzweifelt und verunsichert über mein Verhalten. Bisher hatte ich nichts gesagt und mit abgewendetem Blick geschwiegen.
Doch nun räusperte ich mich, sah jedoch weiter auf meine ineinander gelegten Hände. „Ich habe nachgedacht", gab ich von mir und wagte einen Blick zu Mark, welcher mich abwartend ansah.
„Ich hatte Zeit die letzten Tage und konnte genug nachdenken. Keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist, aber ... Die letzten Wochen, seit Basti und ich uns getrennt haben, ist so so viel passiert und ich komme nicht hinterher, das alles zu verarbeiten. Mir geht das alles viel zu schnell und ich brauche Zeit - Ich glaube, es wäre besser, wenn wir uns eine Zeit nicht sehen", endete ich und sah wieder zu Mark. Dieser sah mich ungläubig an.
„Heißt das, das war's jetzt zwischen uns, obwohl es nicht mal richtig angefangen hat?", stellte er seine durchaus berechtigte Frage, die ich ihm nicht beantworten konnte. Ich schwieg. Mal wieder.
„Ich weiß es nicht", antwortete ich ihm. „Ich weiß eigentlich gar nichts mehr. Ich bin überfordert, Mark. Die letzten Jahre habe ich gelernt, mir Zeit zu nehmen und mich selbst zu reflektieren, um meine Gefühle zu verstehen und mit ihnen umzugehen, aber mir fehlt die Zeit. Wir waren immer zusammen die letzten Wochen. Basti und ich haben uns gefühlt eben erst getrennt und gleichzeitig kommt es mir vor, als sei es eine Ewigkeit her. Ich hatte keine Zeit, das zu verarbeiten. Wenn ich mir jetzt nicht die Zeit nehme, die Zeit für mich, dann wird das mit uns gnadenlos scheitern und das will ich nicht", erklärte ich aufgebracht meine Gefühle und spürte schon, wie die erste Träne über meine Wange lief.
„Leni, wir können das doch anders lösen", begann Mark und rutschte zu mir auf. Jedoch wendete ich mich abwehrend ab. Ich konnte es nicht ertragen, ihm das Herz zu brechen, aber es war notwendig, um uns auf lange Zeit gesehen, nicht beide zu verletzen.
„Kannst - Kannst du gehen und mich alleine lassen?", flüsterte ich unter Tränen. Mein Herz klopfte wie wild und protestierte lautstark gegen den Willen meines Verstandes. Trotzdem schloss ich die Augen und hielt ich den Atem an, bis ich spürte, dass Mark aufstand und in den Flur ging. Langsam folgte ich ihm, blieb jedoch im Türrahmen stehen.
„Wie lange denkst du, brauchst du?", fragte Mark und ich sah ihm an, dass ich ihn mit meinen Worten getroffen hatte, er mich aber eigentlich trotzdem nicht so alleine lassen wollte. Ich zuckte mit den Schultern. „Eine Woche? Vielleicht zwei - Ich melde mich bei dir, okay?", antwortete ich und weinte leise. Alles war so einfach, die letzten Wochen. Warum musste es jetzt so schwer sein, ihn gehen zu lassen?
Er nickte und stand auf, nachdem er sich die Schuhe angezogen hatte. „Darf ich dich noch einmal umarmen?", fragte er vorsichtig, fast schüchtern. Doch ich nickte, überbrückte schon den Abstand zwischen uns und fiel ihm in die Arme. Sein angenehmer, so vertrauter Geruch strömte mir in die Nase, sodass ich für einen Augenblick zufrieden die Augen schloss.
Als wir uns lösten, sah ich, dass sich auch aus Marks Augenwinkel eine Träne löste. „Versprichst du mir, dass du uns wenigstens eine Chance gibst, in deinen Gedanken?", fragte er leise, musste kaum lauter sprechen, da er immer noch nah bei mir stand. Ich nickte. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin optimistisch, was uns angeht, Mark. Ich brauche nur Zeit."
„Ok", hauchte er mir noch zu und gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn.
„Pass auf euch auf", war schließlich das Letzte, was er sagte, bevor die Tür ins Schloss fiel und ich mich verzweifelt, wie in Zeitlupe, die Tür herunterrutschen ließ, nur um wenig später weinend auf dem Boden zu sitzen und alle meine Entscheidungen zu hinterfragen.
Leere. Da war plötzlich nichts weiter als eine tiefe Leere. Ich fühlte mich leer und hatte Mark, welcher mir in den letzten Wochen so gutgetan hat, von mir gestoßen. Und er war gegangen. Mein Weinen änderte sich und ich begann zu schluchzen.
Tief in mir wusste ich, dass die Entscheidung richtig war, aber mein Herz wollte das gerade jetzt einfach nicht verstehen. Es schmerzte so sehr in meiner Brust, dass ich das Gefühl hatte, als hätte ich es mir selbst zerstört.
Mein Atem ging viel zu schnell. Schneller als er sein dürfte und ich bekam plötzlich kaum mehr Luft. Ich saß panisch im Türrahmen, weinte und begann, zu hyperventilieren. Panisch versuchte ich, meine Atmung wieder zu stabilisieren. Ich war voller Angst zu versagen - Wollte weder Mark noch mich verletzen und hatte Angst, dass genau das passieren würde, wenn ich mich mit meinen Gefühlen beschäftigte. Mein Körper setzte einen Schutzmechanismus auf, welcher meine Gefühle verdrängte und meinen Fokus verlagerte. All das kannte ich von früher schon und es war verängstigend, dass ich das anscheinend nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Dieses Licht, Wie Du AussiehstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt