(65) Ruf mich an, ich bin natürlich für dich da

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Mittwoch, 10.07
Pov Mark
Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und erlöschte damit die letzte Hoffnung, dass Lena es sich anders überlegen würde. Die Stille im Treppenhaus wurde unterbrochen durch den Nachhall der in das Schloss fallenden Tür und ich fühlte eine intensive Leere.
Nach den letzten Wochen Gefühlsrausch fühlte sich diese Stille und Leere unwirklich an. Mein Herz hüpfte bei dem Gedanken an Lena, doch meine Emotionen dämpften die Euphorie.
Nur langsam ging ich die Stufen hinunter. Eine nach der anderen brachten sie mich ein Stück weiter weg von dem Menschen, den ich liebte. Ich liebte sie!
Dieser klare Gedanke traf mich so plötzlich, dass ich erschauderte. Es war der absolut falsche Moment. Ich war wirklich so unglaublich verliebt in sie. Ausgerechnet jetzt, wo sie mich von sich gestoßen hatte, bemerkte ich das in so einer Intensität, dass ich eine Gänsehaut bekam.
Ich konnte nicht mehr ohne sie. Doch trotzdem war ich mal wieder nicht genug. Mal wieder wurde ich abgewiesen, bevor es ernster wurde. Wie schon so oft zuvor.
Nur dieses Mal war es anders. Das, was da zwischen uns war, das ist nicht nur ein verliebt sein, das schnell vorübergeht. Da war so viel mehr: Es war Liebe... Zumindest von meiner Seite aus.
Auf dem Weg zum Auto reflektierte ich unser Gespräch. Es war noch nicht alles verloren. Sie hatte lediglich um Zeit gebeten. Zeit zum Nachdenken und Überdenken. Ein ganz normaler Wunsch.
Außerdem hatte sie selbst gesagt, ich solle optimistisch sein, was uns betrifft, weil sie eben selbst optimistisch war, auch wenn sie verwirrt und überfordert ist.
Doch die negative Stimmung hielt an. Ich fuhr mit dem Auto nach Hause und kochte mir zuerst ein Abendessen, bevor ich es mir mit einer Serie auf dem Sofa gemütlich machte. Allerdings kamen meine Gedanken kaum zur Ruhe und ich konnte mich nicht auf meine Serie konzentrieren. Ich vermisste sie. Jetzt schon.
Frustriert griff ich nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus, nur um anschließend irgendwelche irrelevanten Dinge auf meinem Handy zu lesen. Ich liebe sie, hallte der Gedanke von vorhin immer wieder durch meinen Kopf.
So beschloss ich, Natalie anzurufen, um ein wenig auf andere Gedanken zu kommen.
„Hey", begrüßte ich sie, nachdem sie abgehoben hatte. „Hi, was ist los?", fragte sie sofort.
Seufzend stellte ich fest, dass Natalie wirklich die Person war, die mich am besten kannte. Es brauchte nur ein Wort und schon schaffte ich es nicht mehr, meinen Schutzwall aufrechtzuerhalten. Normalerweise hatte ich Grenzen und versuchte, andere Menschen nicht so sehr an mich herankommen zu lassen. Natalie war da allerdings schon immer die Ausnahme. Seit ich Lena kannte, auch sie. Die Beiden kannten mich so gut, dass es teilweise beängstigend war.
Ich seufzte erneut. „Keine Ahnung, was los ist. Ich weiß es nicht", antwortete ich wirr.
Von Natalie kam ein Seufzen. „Um ehrlich zu sein, habe ich schon damit gerechnet, dass du dadurch heute verwirrt wirst", gab sie zu, was mich nur noch verwirrter machte.
„Wovon redest du?", fragte ich ahnungslos.
„Lena hat doch heute mit dir geredet, oder?"
Woher wusste sie davon?
„Woher- ", begann ich, wurde aber direkt unterbrochen.
„Sie hat es mir erzählt. Wir haben telefoniert und sie hat mir ihre Sorgen geschildert und... um ehrlich zu sein, habe ich ihr sogar dazu geraten, mit dir zu sprechen, auch wenn ich weiß, dass dir sowas schwerfällt", erklärte sie.
Für einen Moment verschlug es mir die Sprache. Lena hatte eher mit meiner Schwester geredet als mit mir und diese hatte ich sogar geraten, sich von mir zu distanzieren.
„Warum?", wollte ich wissen. „Ist es so anstrengend mit mir, dass man auf Abstand gehen muss, um es auszuhalten?"
„Mark-" Natalie seufzte.
„Sie ist verwirrt, verunsichert. Das mit euch ging so schnell und sie hatte noch nicht mal das mit Basti verarbeiten. Gib ihr die Zeit und lass ihr den Freiraum, den sie braucht. Nur dann wird sie zu dir zurückfinden."
Das ließ mich nachdenken, jedoch überzeugte es mich nicht.
„Woher willst du das wissen?", fragte ich.
„Wir haben viel geschrieben in letzter Zeit, also Lena und ich. Mark, du liebst sie, das sehe ich. Und sie liebt dich genauso und braucht nur Zeit. Gib ihr diese Zeit."
Ich seufzte. „Ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll", lachte ich, ungläubig darüber, wie abhängig ich mich schon von ihr fühlte. Jedoch schwang auch ein Hauch von Traurigkeit mit. „Was ist, wenn sie ihre Meinung ändert und sie zu dem Entschluss kommt, dass sie uns keine Chance geben will?", fragte ich.
Natalie lachte darüber allerdings nur leise. „Glaubst du das wirklich?"
Ich zuckte nur mit den Schultern, auch wenn sie das gar nicht sehen konnte. War verwirrt und konnte so vielleicht doch ein bisschen nachvollziehen, wie Lena sich fühlen musste. Verwirrt.
„Ich habe Angst", gab ich zu und öffnete mich, wie ich es selten tat.
„Was hat sie dir denn gesagt? Wie ist ihr Gefühl?", hakte Natalie nach.
„Sie ist optimistisch", seufzte ich, war das gerade selbst eher weniger.
„Dann sei das doch einfach auch mal", sagte Natalie und ich hörte ihr aufmunterndes Lächeln, mit welchem sie mich schon immer bekommen hatte, heraus. Stille. Ich musste nachdenken.
„Hör mal zu. Du sollst dich vermutlich nicht bei Lena melden, aber ich kann dich ja auf dem Laufenden halten. Übermorgen gehe ich sie besuchen, dann kann ich nachhorchen und dir berichten, wie es ihr geht und wie sich ihre Haltung entwickelt hat, okay?", machte Natalie mir ein Angebot. Ich stimmte zu. Was blieb mir auch anderes übrig?
„Moment-", stoppte ich Natalie, bevor sie auflegen konnte. „Du bist in Berlin? Oder ist Lena verreist?"
Natalie lachte leise. „Sorry", entschuldigte sie sich. „Ich bin nur Freitag in Berlin. Ben ist beruflich morgen und übermorgen in Berlin und ich komme am Freitag, um ihn abzuholen und dann gehen wir Abendessen und fahren Samstag zusammen nach Hamburg und gehen ins Musical", erzählte Natalie und ich hörte, wie verliebt sie in diesen Mann war, den sie bald ja auch heiraten würde. „Und da bleibt keine Zeit für deinen Bruder?", fragte ich gespielt beleidigt und schnappte mir eine Decke, da es langsam kalt wurde.
Natalie lachte, wurde dann aber wieder ernst. „Ich fürchte leider nicht. Ich fahre ja erst am Freitagmorgen los und bin dann den Nachmittag bei Lena und abends mit Ben essen, weil er mich in ein schickes Lokal entführen will. Samstagmorgen fahren wir dann auch schon wieder weiter", erklärte Natalie entschuldigend, doch ich winkte nur ab.
„Schon gut. Wir sehen uns ja eh bald wieder. Dann schau lieber nach Lena und pass auf sie auf", lächelte ich, ehe wir langsam wirklich auflegten. Ich war wirklich so sehr verliebt in diese Frau.

Dieses Licht, Wie Du AussiehstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt