Samstag, 20.07
Pov Mark
Vor elf Tagen hatte ich das letzte Mal etwas von Lena gehört. Ich wusste nicht, wie es ihr ging und was in ihren Gedanken vor sich ging. Das Einzige, was ich hatte, war Natalies Einschätzung und demnach ihre Aussage, dass sie mich irgendwie vermisste. Doch auch Natalies Besuch lag mittlerweile auch schon eine Woche zurück und in dieser Zeit konnte viel passiert sein. Selbst, wenn sie mich nicht mehr vermisste, dann tat ich das. Nahezu in jeder Sekunde musste ich an sie denken. In jeder Situation fragte ich mich, wie sie jetzt wohl handeln würde oder was sie dazu sagen würde. Das war nicht geradezu förderlich, schließlich hatte ich auch noch einen Job.
Nitti und Ralf hatten es mittlerweile beinahe aufgegeben, mich zu fragen, ob alles in Ordnung war, wenn ich mal wieder abwesend im Studio saß und in Tagträume verfiel. Es war offensichtlich, dass nicht alles ok war, auch wenn ich ihnen versicherte, dass es das war. Sie waren meine engsten Mitarbeiter und sehr gute Freunde, aber ich hatte es noch immer nicht geschafft, ihnen überhaupt so richtig mitzuteilen, dass Miriam und ich uns getrennt haben. Und das, obwohl es schon im Januar war. Wie sollte ich ihnen dann den Rest erklären?
„Mark?", riss Nitti mich erneut aus meinen Gedanken, sodass ich aufschreckte.
„Mhm?", fragte ich, hatte wie so oft in letzter Zeit, nicht zugehört.
„Du bist so abwesend. Willst du uns nicht mal langsam erzählen, was bei dir los ist und warum du so drauf bist? Wie sollen wir vernünftig Musik machen, wenn du uns so überhaupt nicht an dich heranlässt?", stellte er eine berechtigte Frage mit der Bitte, die ich schon so oft gehört hatte. Ich sollte mich öffnen und erzählen. Eigentlich war auch nichts dabei, aber das war schon immer eine meiner Schwächen. Natalie war die einzige, gegenüber der ich offen sein konnte. Und Lena.
Ich wusste, dass ich ihnen irgendwann erzählen musste, dass ich mich Anfang des Jahres getrennt habe, also warum nicht jetzt?
„Miriam und ich haben uns getrennt", gab ich also zu. „Aber das ist nicht der Grund für meine gedankliche Abwesenheit. Darüber will ich noch nicht reden", fügte ich schnell noch hinzu und hatte also den ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Überrascht sah Ralf mich an.
„Schon vor längerer Zeit oder jetzt frisch erst?", fragte Nitti, mit welchem ich noch deutlich enger befreundet war, deutlich gefasster.
„Im Januar schon", gab ich beschämt zurück, konnte mir bis heute nicht erklären, was mich ständig davon abhielt, meinem Umfeld sowas zu erzählen. Das ging schon mein Leben lang so. Nitti seufzte.
„Um ehrlich zu sein, habe ich mir sowas schon fast gedacht", sagte er, weshalb nun ich derjenige war, der überrascht reagierte. Scheinbar hatte ich es doch nicht so geheimhalten können.
„Früher ist sie öfter auch mal hier vorbeigekommen, hat was vorbeigebracht oder am Wochenende bei Proben zugesehen. Das wurde immer weniger im letzten Jahr und wenn ich die letzten Monate mal kurz bei dir war, war sie nie da. Das war schon auffällig", erklärte Nitti sich. Ich nickte. Das ergab schon Sinn. Schließlich seufzte ich.
„Da ihr jetzt sowieso darüber Bescheid wisst, kann ich euch auch sagen, dass ich einen Song darübergeschrieben. Der ist nicht fertig, aber schon auf einem guten Stand", brachte ich nun Wie früher mal dich ins Spiel. Relativ schnell nach der Trennung hatte ich zu Hause versucht, meine Gefühle zu sortieren und meine Gedanken in einen Song zu verpacken. Der Text stand auch eigentlich, aber ich war mit der Melodie noch nicht zufrieden und zu Hause hatte mir das Equipment gefehlt, um Verschiedenes auszuprobieren. Da wir jetzt aber sowieso nur hier herumsaßen und wegen meiner Gedanken an Lena, die ich noch nicht teilen wollte, nichts zustande bekamen, war das vielleicht ein passender Moment, um diesen Song vorzustellen und an ihm zu arbeiten.
„Willst du ihn uns zeigen?", fragte nun auch Ralf und ich nickte. Also holte ich meinen Laptop hervor, auf welchem ich die vorläufige Version gespeichert hatte, und begann diese vorzuspielen.Wenn ich wach bleib', denk' ich nicht an dich
Doch ich träum' davon
Wen so zu lieben wie früher mal dich
So wie früher mal dichMein Text mit meiner eigenen Stimme schallte in meinen Kopf. Das Lied traf mich jedes Mal aufs Neue und es war ohne Zweifel eins der persönlichsten Lieder, die ich je geschrieben hatte. Die Öffentlichkeit wusste offiziell ja noch nicht mal, dass ich überhaupt in einer Beziehung gewesen bin...
Mein eigener Wunsch, den ich noch vor ein paar Wochen als so unerreichbar angesehen hatte, schien plötzlich vielleicht gar nicht mehr so weit entfernt zu sein, wie ich dachte. Da war nun Lena in meinem Leben, die ein Teil von mir in sich trug. Und dass ich mich verliebt hatte, war mir mittlerweile mehr als bewusst. Und wenn ich Glück hatte, kam Lena zu einem ähnlichen Entschluss, wenn sie so weit war. Und vielleicht kann das Ganze mal so groß werden wie mit Miriam vor ein paar Jahren. Und vielleicht auch noch viel größer.
Als die Melodie abklang, merkte ich, dass meine Gedanken schon wieder zu Lena gewandert waren, aber jetzt machte mir das nichts aus. Ich konnte es sowieso nicht ändern, also war das schon in Ordnung.Nachdem Ralf und Nitti ihre Meinung mitgeteilt hatten, begannen wir dann tatsächlich ihre Ideen für eine Änderung und Anpassung der Melodie, umzusetzen.
Relativ spät am Abend verließ ich demnach das Studio mit einem guten Gefühl. Ich konnte es selber noch nicht glauben, aber wir hatten es wirklich geschafft, den Song fertig zu machen. Die Melodie war perfekt, sie passte zum Text, zur Stimmung und strahlte diese gewisse Hoffnung aus, die mir so wichtig war.
Das erste Mal seit Stunden warf ich erleichtert einen Blick auf mein Handy und sah zu meiner Überraschung eine Nachricht von einer ganz bestimmten Person, welche mir seit Tagen schon nicht mehr aus dem Kopf ging. Mein Herz schlug schlagartig schneller und ich begann zu schwitzen. Kurz blinzelte ich, hatte Angst, mir die Nachricht nur eingebildet zu haben, aber nein. Die Nachricht war da, sie war von Lena:
Hast du morgen was vor oder hast du Zeit zum Reden? Ich bin so ab Nachmittag zu Hause. Meld dich doch einfach, ob und wann es bei dir passt, hatte sie geschrieben und ein weißes Herz angehängt.
Das gab mir abschließend für heute einfach ein supergutes Gefühl. Ich antwortete ihr schnell und somit war klar, dass ich dann wohl morgen endlich Antworten auf die Fragen bekäme, die mich nun schon seit fast zwei Wochen beschäftigten.
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Dieses Licht, Wie Du Aussiehst
FanfictionMark war nun schon seit ein paar Monaten von seiner Freundin getrennt und seine Motivation, irgendetwas außerhalb des normalen Alltags zu machen, hielt sich in Grenzen. Lena ging es eigentlich recht gut in ihrer Beziehung, doch sie konnte ja nicht w...