Mitternachtstraum

5.6K 212 35
                                    

Mein Blick galt der Frau auf dem steinernen Boden. Ihrem übel zu gerichteten Körper. Den offenen Wunden, blauen Flecken, Rissen und Kratzern.  Ihrem fahlen bleichen Gesicht mit den aufgeplatzten trockenen Lippen, die wie zu einem Stummen Schrei leicht geöffnet standen. Ihre Fahle Haut fing leicht das Licht der Umgebung ein, ließ es leicht schimmernd auf ihrer Haut widerspiegeln.
Die Züge ihres Gesichts schienen verzerrt. Leblos.
Jeder meiner Blicke konzentrierte sich auf ihre Augen. Ein trockenes starres Paar das in seiner letzten Sekunde noch einen schmerzhaften Augenblick, eine tödliche Erfahrung hatte machen müssen.
Verfolgte man den Weg ihrer Hände so erkannte man was sie im Todeskampf mit sich selbst hatte erdulden müssen. 
Die weißen kalten Finger waren zu einer Faust geballt. Jede für sich. Eine letzte Geste der Auflehnung.
Der kleine Dolch lag nur einige Meter entfernt von ihrem Körper. 
Ein seltsames Instrument. So unbedeutend. Klein. Krumm. Doch war er tödlich in den Händen einer entschlossenen Frau. Ein Werkzeug welches entfremdet worden war. Zu einer Sache die es hätte nie vollführen dürfen.
Umso erstaunlicher war es das es überhaupt scharf genug gewesen war.
Ganz zu schweigen von der Entschlossenheit der Frau, ihren Mut und aufopferungsvolle Liebe zu dem Mann dem sie vor Monaten gegenüber nur Hass empfand. Ein langer Weg voller Angst, Wut, Selbsthass, Enttäuschung, Abscheu und Schmerzen lag hinter ihr. Der neue, bessere, Weg schien begonnen zu haben.
Hoffnung war in ihr aufgekeimt. Hoffnung über ein neues besseres Leben.
Ein Leben mit ihm an ihrer Seite.
So hatte sie ihren Entschluss alles für ihn auf zu geben bereits gefasst gehabt, als sie erst von dem Angriff erfuhr. Auch wenn sie es selbst noch nicht bemerkt zu haben schien, so war dieser Grund Gedanke "Alles zu tun, um ihn zu retten", bereits fest in ihrem Geist, ihrem Willen verankert.
So war es für sie selbstverständlich ihr Leben für seines zu geben. Es sollte ihm Helfen. Schützen. In einer einfachen Menschlichen Geste der Liebe, doch hatte siw dabei ganz vergessen was mit ihm, mit seinen Gefühlen, geschah.
Den nur einen Wimpernschlag neben ihr saß er. Eingesunken in seiner Haltung. Die Hände verdeckt vor dem Gesicht. Sich verzweifelnd vor und zurück schaukelnd.
Das Blut an seiner Kleidung bedeckte den größten Teil seines Kostüms. Das Shirt, die Hose. Es klebte sogar in den Spitzen seiner Haare.
Wie bei ihr auch bedeckte es Hände und zeichnete Spritzerauf Gesicht und Wange ab.
Der einzige Unterschied hierbei jedoch sollte sein das dies nicht sein Blut, sondern das aller Feinde in der Umgebung war. Sie alle hatten dafür büßen müssen was sie ihr und damit ihm angetan hatten. Seiner Famile. Seiner Liebe. Seiner Hoffnung sie nun vollkommen zerstört war.
In einer fast zärtlichen Umarmung hatte er einem nach dem anderen den Schädel zertrümmert. Ihre Köpfe vom Rest des Körpers getrennt und sich ihres Blutes habhaft gemacht.
Jeder der ihren Geruch an sich trug viel ihm zum Opfer.
Die blinde Wut welche ihn trieb schien ihm innerlich zu zerfressen. Noch nie hatte er solche Schmerzen des Verlustes erdulden müssen, wie diesen den er in eben jenem Moment spürte.
Es riss und zerrte an seiner Brust. Sprengte alles bis her gekannte, jede Vorstellungskraft reichte nicht dafür aus.
Seine Seele schien entzwei. Sein Leben hatte an Sinn verloren in dem Moment in dem sie sich den nun Blutigen Dolch ins Herzen gerammt hatte.
Ihre letzten liebevoll gesäuselten Worte brachten ihn um den Verstand.
Nur sein Körper reagierte. Sein Geist war wie leer gefegt.
Seine Hände und Finger umklammerten ihren Körper, verfingen sich in ihrem Haar.
Tränen kamen auf, liefen langsam über blasse Wangen.
Und wie als hätte er selber nicht bemerkt was er da Tat, berührte er diese mit den Fingerspitzen und blickte fassungslos und verloren auf Sie herab. 
Das erste Mal in seinem Leben vergoss er Tränen. Nie zuvor hatte er dieses Gefühl, diese Emotion wahrgenommen. Geschweige den überhaupt gekannt an sich selbst.
Diese unendliche Leere die sich erst jetzt bemerkbar machte als er tatsächlich realisierte das Sie ihre Augen nicht mehr aufschlagen würde, ihn nicht mehr anlächeln würde, war beinahe, Nein nicht nur beinahe, sie wär unerträglich.  Schmerzhafter als jede Folter der Welt. Wie sollte er ein unendliches Leben ohne Sie verbringen?
Qualen, jeden unendlich langen Tag. Die Bilder dieser Szene im Kopf, die sich immer und immer wieder vor seinem inneren Auge abspielen würden.
Seine Hände verkrampfen ohne das er es bemerkte. Sein Körper zuckte, ein schluchzen entwich seiner Kehle.
Er würde sie retten.
Er musste sie retten.
Entweder das oder auch er würde sich von dieser Welt entsagen.
Kein klarer Gedanke streifte seinen Geist. Nur den Blick auf ihre Halsbeuge gerichtet starrte er zu ihr.
Er sah nur einen Weg.
Ein Gift. Sein Gift. In Kombination mit all seinen Fähigkeiten.
Er wusste er musste sich beeilen. Auch das seine Chancen mehr als nur geringfügig waren.
Gefangen in seinem Kreis aus Trauer biss er zu. Verteilte sein Gift in ihrem Körper. Heilte gleichzeitig ihre Wunden. Nur die schlimmsten. Kratzer und Flecken waren nicht bedrohlich.
Während er dies tat vernahm er weder die Stimmen seiner Familie und Freunden weder die anderer Bekannter. Sie strömten den Keller und füllten die kleinsten Ecken mit ihrer Präsenz, doch konnten sie wie er nichts gegen Ihr Schicksal ausrichten.
Tränen rannen an den verschiedensten Ecken. Flüche hallten durch den Raum, warum man nicht schon früher eingegriffen hätte und warum aufgerechnet sie zu Schaden gekommen war.
Ja, egal in welches Augenpaar man blickte, alle zeigten sie tiefe Trauer. Vor allem der Blick der Mutter durchbrach alles. Sie fühlte mit ihrem Sohn. Empfing sein Leiden, seine Verzweiflung und den Selbsthass.
Es schien wie eine Show aus steinernen Figuren die auf eine Szene herab blickten die sie für unmöglich gehalten hatten.
Niemand sprach ein Wort. Die Stille reagierte. Durchbrochen durch schluchzen und das Geräusch seiner Bisse.
Sein letztes bisschen Lebenskraft hätte er ihr geschenkt, doch ehe es dazu kommen konnte legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter. Drückte sie sachte herunter.
Knurrend, mit tödlicher Schnelligkeit wirft er diese ab. Dreht seinen Körper kurz, blickt den Vater aus pechschwarzen Augen an.
Auch er war nun eine Gefahr. Jeder der sich ihrem Körper näherte war es.
Je mehr versuchten sich ihm zu nähern, desto mehr schützte er seinen Schatz.
Ohne es zu bemerken verlor er den Verstand.
Riss Sie vom Boden empor in eine schützende Ecke. Knurrte und fletschte die Zähne.
Eine dunkle Aura breitete sich um Sie herum aus.
Tat nun noch jemand einen Schritt so würde es dieser Person leid tun. Kaum etwas konnte ihn nun von ihr weg zerren.
Nur der Anblick einer Person ließ seine Wut noch steigen. Und damit seine Unachtsamkeit.
Er!
Er stand dort. Eingeklemmt zwischen vier Vampieren und grinste ihn an. Der Bastard der Sie ihm weg genommen hatte.
Der ihn erpresst hatte. Belogen und geknechtet.
Der dasselbe ihr zugefügt hatte und die erst in diese Lage gebracht hatte.
Noch ein weiteres schiefes Grinsen und er sah rot.
Eine ungeheure Macht schoss aus seinem Körper hervor. Umfing, umhüllte ihn in Gänze. Verlieh im mehr Macht und Stärke als jemals jemandem zuvor.
Eine Präsenz der Finsternis umwaberte ihn und seinen Geist.
Den ganzen Raum in dem sie sich befanden und jagte jedem eine Gänsehaut über den Rücken.
Den dies war der Moment in dem seine Gestalt mit der Nacht verschmolz, seine Hände zu klauenartigen Fängen wurden, die Zähne zu Spitzen Dolchen und aus seinem Rücken monströse jedoch majestätische angsteinflösende Schwarze Flügel hervor brachen.
Dämonische Flügel.
Ohne Farbe. Ohne Liebe.
Er verschwendet keinen weiteren Gedanken mehr, sondern stürzte sich auf die Person die sein Herz getötet hatte. Alle Kraft undFähigkeiten die er erhalten hatte von ihm nützen hier nichts. Er konnte fliehen, abtauchen. Er würde ihn finden.
Den er war und ist der einzige der sich einen König der Nacht nennen darf.

House of VampiresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt