Kapitel 20

3.1K 138 7
                                    

POV Mario

Panisch klammerte sich Milan an mich heran, weshalb meine Mutter ihn kaum von mir lösen konnte. ,,PAAAAAAPA", kreischte er weinend und streckte seine kleinen Ärmchen nach mir aus. Es zerriss mir das Herz ihn so zu sehen aber er musste sich dringend an andere Leute gewöhnen. ,,Milan, der Papa holt dich später ab. Er muss jetzt ein bisschen Fußball spielen", versuchte meine Mutter ihm alles leicht zu erklären. ,,Mitkommen", flehte er und konnte sich kaum beruhigen. Behutsam strich ich über seine Wange:,,Milan, du bleibst jetzt bei Oma okay? Ich muss jetzt ein bisschen arbeiten aber ich hole dich später ab." ,,Papa bleiben", meinte er trotzig und sah mich mit seinen verweinten, braunen Kulleraugen an. Mir war klar, dass ich jetzt schnell gehen musste, denn sonst würde ich nachgeben. Doch ich konnte Milan noch nicht mitnehmen. Marco wusste bis jetzt nicht, dass ich überhaupt wieder hier in Dortmund war. Schweren Herzens ließ ich meinen schreienden und weinenden Sohn zurück, ohne mich noch einmal umzudrehen. Auf dem Weg zum Trainingsgelände machte ich mir schreckliche Vorwürfe, weil ich ihn alleine gelassen hatte. Was war ich nur für ein Vater?
,,Alles gut?", fragte mich André, mit dem ich mich vor dem Eingang verabredet hatte.Zerknirscht schüttelte ich den Kopf: ,,Milan hat geweint und geschrien. Ich fühle mich schlecht.” ,,Ach was, Mario. Er muss lernen auch mal auf seinen Papa verzichten zu können", erwiderte mein bester Freund und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
,,Wahrscheinlich hast du Recht.” Damit gingen wir auch schon in die Kabine. Dort wurde ich mit skeptischen Blicken gemustert und es war sogar der ein oder andere nicht ganz wohlwollende Blick dabei. Genervt von dem ganzen Stress, beschloss ich deshalb schon mal alleine meine Runden auf dem Platz zu laufen. Immer wieder setzte ich zu einer lockeren Runde an und nach und nach füllte sich der Trainingsplatz. Mittlerweile hatten auch die meisten mitbekommen, dass ich anwesend war und beobachteten mich genau. Nur einer fehlte und das war zu meiner Verwunderung Marco. Normalerweise war er immer pünktlich aber ausgerechnet heute natürlich nicht.
"Ich begrüße euch zum ersten Training dieser Saison. Ich hoffe, dass ihr die Neuen gut integriert, sodass sie sich schnell hier einleben und einfinden können. Dasselbe gilt übrigens auch für Mario, der sich zu meiner Freude dazu entschieden hat wieder bei uns zu spielen", erklärte Tuchel und alle hörten ihm gebannt zu. Ich stattdessen war mit meinen Gedanken bei Marco. Dieser kam nach den Aufwärmübungen auf den Platz gehetzt und erklärte dem Trainer seine Verspätung. Anschließend gesellte er sich lachend zu Auba, woraus ich schloss, dass er mich noch nicht bemerkt hatte. Auba erzählte ihm etwas und schlagartig verfinsterte sich seine Mine. Sein Kopf schnellte in meine Richtung und ich konnte nicht so schnell reagieren, wie er auf mich zugerannt kam. ,,WAS WILLST DU HIER?", brüllte er und baute sich vor mir auf. Unsicher wich ich einen Schritt zurück: ,,I-ich bin wieder hier". ,,DAS IST NICHT DEIN ERNST ODER? NACH ALL DEINEM SCHEIß WAGST DU ES DIESEN RASEN NOCH EINMAL ZU BETRETEN? HAT BAYERN DIR NICHT MEHR GENUG GEZAHLT ODER WAS?".
,,Ich wollte zurück, Marco. Hier ist mein Platz", versuchte ich selbstsicher aufzutreten aber Marco lachte nur höhnisch auf: ,,DU WARST MAL EIN TEIL DIESES TEAMS ABER DAS WAR BEVOR DU DIR VON EINER DAHERGELAUFENEN SCHLAMPE EIN KIND HAST ANDREHEN LASSEN. DU UND DEIN SOHN SEID HIER NICHT RICHTIG", schrie er mir entgegen. Tränen in seinen Augen waren zu erkennen und der Schmerz war ihm deutlich anzusehen. Am liebsten hätte ich ihn in die Arme genommen aber ich wusste, dass er das nicht zulassen würde, ,,ICH HASSE DICH SO SEHR, GÖTZE!"
Damit rannte er vom Platz und ließ alle anderen verdutzt zurück. Dabei lag der Fokus natürlich auf mir, doch auch ich starrte immer noch auf den Platz wo Marco zuvor gestanden hatte.
,,Es tut mir Leid, Mario", unterbrach André die Stille und sah mich mitleidig an.
,,I-ich...ich muss ihn suchen", hauchte ich und rannte wie von selbst los. Die Rufe meines Trainers waren mir in diesem Moment mehr als egal, denn ich wollte Marco finden. Wie ein irrer rannte ich durch die Gegend und rief immer wieder Marco’s Namen. Immer und immer wieder, doch nichts tat sich. Kein Rascheln oder eine Antwort. Jetzt liefen auch mir die Tränen unaufhaltsam über die Wangen. Doch es änderte nichts daran, dass ich meine Suche abbrechen musste, als es fürchterlich zu regnen anfing. Mit gesenktem Kopf und einem schlechten Gefühl stieg ich in mein Auto und fuhr zurück zu meinen Eltern. Dort saß mein Vater mit Milan auf dem Sofa und schaute sich ein Buch an. Ich huschte zum Garten durch und wählte wie von selbst Lewy’s Nummer.
,,Was ist passiert?", fragte er direkt.
,,M-Marco. Er ist ausgerastet und dann abgehauen. Ich habe ihn die letzten zwei Stunden gesucht.”
Es knackte kurz am anderen Ende der Leitung.
,,Scheiße", entwich es ihm nur.
,,Du...Du hattest Recht. Das hier war ein Fehler. Milan und ich haben hier keine Chance", sagte ich nur und ging immer wieder auf und ab, weil mein Körper völlig neben der Spur war.
,,Stop! Du und Milan seit jetzt in Dortmund und ihr bleibt dort, okay? Ich weiß, dass ich gesagt habe, dass das alles keine gute Idee ist aber Marco muss damit leben. Es ist deine Entscheidung und nicht seine."
,,Du hast ja Recht aber er will weder etwas mit Milan noch mit mir zutun haben. Ich weiß nicht was Milan ihm getan hat, dass er so von ihm denkt", flüsterte ich.
,,Er denkt, dass Milan Schuld an deinem Wechsel gewesen ist."
Entsetzt schnappte ich nach Luft.
,,Milan hat mit meinem Wechsel nichts zutun. Jedenfalls nicht in diesem Sinne."
,,Ich weiß das doch aber er nicht", hörte ich noch, bevor jemand an meinem Bein zog und mich traurig ansah.
,,Tut mir Leid Lewy aber Milan braucht mich gerade. Ich ruf dich morgen an", murmelte ich, legte auf und nahm meinen Sohn auf den Arm.
,,Wieso bist du denn so traurig mein Schatz? War es nicht schön bei Oma?".
,,Papa mich nicht lieb?", fragte er gerade heraus und jetzt war es innerlich komplett um mich geschehen, doch für Milan musste ich stark sein.
,,Doch dein Papa hat dich lieb mein Schatz aber er weiß das noch nicht."
,,Warum?", harkte er nach und legte seinen Kopf etwas schief, ,,Papa nicht spielen?"
,,Der Papa hat gaaaaanz weit weg gewohnt und er kennt dich ja noch nicht so gut und deshalb kann er noch nicht mit dir spielen.”
,,Aber Papa hier", sagte er und mir wurde schlagartig klar, dass er doch verstanden hatte, dass sein anderer Papa jetzt näher bei ihm war als zuvor.
,,Ich weiß aber der Papa ist im Moment traurig und deshalb können wir ihn nicht besuchen. Aber solange können wir ganz viel mit Oma und Opa spielen. Ist das nicht schön?"
Er schüttelte jedoch den Kopf.
,,Nein Papa spielen. Er Milan nicht lieb hat?", fragte er nochmals​.
,,Doch Milan, der Papa hat dich lieb. Sehr sogar. Genauso wie ich. Mein kleiner Sonnenschein", flüsterte ich und presste ihn an mich heran. Immer wieder küsste ich seinen kleinen Kopf.
,,Ich lieb Papa", piepste er und lachte mich an.
,,Ich mit ihm Ball spielen", bestimmte er nun und klatschte begeistert in die Hände.Für diesen Moment ließ ich es gut sein, denn ich wollte nicht, dass mein Kind die nächste Enttäuschung erleiden musste. Zuerst einmal müsste Marco mit meiner Anwesenheit zurechtkommen müssen und das würde wohl doch länger dauern, als ich es mir tief im Inneren erhofft hatte.

Every BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt