Kapitel 63

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POV Mario

Marco hatte uns nach dem doch emotionalen Termin bei unserem Mannschaftsarzt nach Hause gefahren. Ich war auch um ehrlich zu sein recht froh darum nicht alleine fahren zu müssen, denn so recht hatte ich mich immer noch nicht beruhigt. Es herrschte einfach so ein durcheinander in meinem Kopf. Emotional als inzwischen auch physisch, da sich der kleine Fötus wieder zu Wort meldete. Er musste wohl ebenfalls sauer auf mich gewesen sein, dass ich vorgehabt hatte es tatsächlich von mir zu treiben. So kamen schließlich auch wieder die Schuldgefühle in mir hoch. Was hatte ich da eben fast getan? Ich wollte ein Leben in mir töten. Ihm jede Chance auf ein Leben nehmen. Mich zum Mörder meines eigenen Kindes machen und gerade jetzt durchströmte mich eine ungemeine Erleichterung, dass Marco mich aufgehalten hatte.
"Danke",murmelte ich in die Stille des Wagens.
"Wofür?", fragte Marco irritiert.
"Dafür, dass du mich aufgehalten hast."
"Ich würde es jederzeit wieder tun", antwortete Marco und klang dabei so ehrlich, dass es mir weh tat. Seine Ehrlichkeit stärkte meine Schuldgefühle und eigentlich wollte ich nur noch die Zeit zurück drehen. Aber das ging nicht und irgendwie wusste ich auch nicht, was ich noch sagen sollte, weswegen ich lieber schwieg. Erst zuhause vor der Tür sprachen wir wieder, als Marco mich noch kurz aufhielt: “Bitte erschrick nicht, aber André ist da und passt auf Milan auf. Ohne ihn hätte ich dich nicht aufhalten können, also sei ihm bitte nicht böse.“
Ich blickte Marco daraufhin schwach lächelnd an. Allerdings konnte ich ihm nicht mehr antworten, denn die Tür wurde geöffnet und ein unsicher wirkender André stand vor uns. Fast schon ängstlich blickte er mich an und ich beschloss einfach zu handeln. Ganz vorsichtig schloss ich ihn in eine Umarmung und murmelte ein “Danke“, in sein Ohr. Er war erst total erstarrt und entspannte sich dann langsam in meiner Umarmung, bis er sie sogar erwiderte.
“Ich-“, setzte er an, aber ich unterbrach ihn, denn ich wusste, dass er sich entschuldigen wollte: “Danke, dass du es getan hast.“
Einen Moment zögerte er dann noch, ehe er erwiderte: “Gern geschehen.“
Wir umarmten uns noch eine Weile, bis Marco sich dann irgendwann mal räusperte: “Ich find es ja echt toll, dass ihr euch mögt, aber könnten wir bitte weiter ins Wohnzimmer wandern?“
Natürlich lösten wir uns und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass Marco eifersüchtig war. Aber das war ja Schwachsinn. Dennoch fühlte es sich gut an, als Marco mich mit sich ins Wohnzimmer zog und mich direkt neben sich auf dem Sofa platzierte. André nahm uns gegenüber Platz und musterte uns eingehend.
“Sprich endlich“, forderte Marco ihn irgendwann genervt auf.
“Was werdet ihr jetzt machen? Wie geht es weiter? Was macht ihr mit Milan?“, platzten die Fragen aus André heraus und ich seufzte.

Marco und ich hatten noch keine Zeit gehabt, in Ruhe nochmal alles zu besprechen und dieses drängen von André, half mir nicht gerade, mich zu entspannen.

“Erst mal eins nach dem anderen. Wir müssen jetzt erstmal den Schock von heute verdauen und dann schauen wir weiter. Aber eins ist sicher. Ich werde meine drei nicht verlassen“, erklärte Marco und legte ganz sanft und vorsichtig einen Arm um mich. Es wirkte beruhigend, dass er seinen Standpunkt nochmal klar machte und zu mir hielt.
“Das ist schön zu hören. Ich hoffe ihr werdet dann endlich glücklich. Ihr hättet es verdient“, meinte André und lächelte uns an.

Ich wünschte mir in diesem Moment genau das Gleiche und irgendwie gab mir Marcos zuversichtlicher Blick, der nun auf mir lag, die Hoffnung zurück, dass ich einmal eine kleine, glückliche Familie haben würde.
“Wir schaffen das“, murmelte ich zuversichtlich.
“Freut mich zu hören. Nur wie erklärt ihr Milan, dass seine beiden Papas da ein neues Baby gemacht haben?“, fragte André schelmisch und ich hatte das Gefühl, dass ihn die Vorstellung wie wir mit Milan über die Bienchen und Blümchen und den Storch redeten, extrem erheiterte. Leider konnten wir nicht auf seine Aussage reagieren, denn besagter Sohn betrat gerade das Wohnzimmer.
“Papa, Milan Ball put“, schniefte der Kleine und hielt seinen kaputten Ball in den Händen. Schnell stand ich auf und kniete mich vor Milan hin.
“Zeig mal her mein Schatz. Vielleicht kann der Papa ihn ja reparieren.“

Wenn bei Milan ein Spielzeug kaputt war, musste man schnell reagieren. Das hatte mich die Erfahrung gelehrt, denn ein weinendes und schreiendes Kleinkind war nicht gerade traumhaft. Vor allem nicht an einem Tag wie heute, wo es schon genug Tränen und Drama gegeben hatte. Zum Glück musste man den Ball einfach nur mal wieder aufpumpen.
“Es ist alles gut Milan. Papa macht gleich neue Luft in den Ball und dann kannst du wieder damit spielen“, beruhigte ich unseren Sohn.
“Ball nicht put?“, fragte er mit großen Augen nach.
“Nein, er ist nicht kaputt. Papa macht ihn gleich wieder heil“, versicherte ich ihm.
“Papa dann auch wieder mit Milan spielen?“, fragte er fast gar ängstlich nach und ich streichelte ihm sanft über den Kopf.
“Ganz viel. Versprochen.“

Und das Versprechen würde ich auch erfüllen. Ich durfte eh nicht weiter professionell spielen, also konnte ich mit meinem Sohn ja etwas vorsichtig kicken und Milan wäre wieder richtig glücklich. In diesem Moment kniete sich auch Marco zu uns und fragte Milan: “Was hälst du davon, wenn wir drei in den Urlaub fahren? Dann kannst du ganz viel mit uns spielen. Den ganzen Tag lang.“
Milan blickte ihn an, runzelte kurz die Stirn, als würde er Marcos Worte genau analysieren und fragte dann: “Nur mit Milan spielen?“
“Nur mit dir spielen. Den ganzen Tag“, versicherte ihm Marco.
“Jaaaa!“, jubelte Milan und fegte mit einem “Milan Spielzeug packen“, aus dem Zimmer. “So ein kleiner Wirbelwind“, seufzte Marco und blickte ihm liebevoll hinterher.
“Unser kleiner Wirbelwind“, bestätigte ich und legte eine Hand auf meinen bauch. Hoffentlich würde dieses Baby etwas ruhiger werden, denn sonst konnten Marco und ich schon mal unser Kreuz schleppen.
“Warum eigentlich Urlaub?“, fragte ich ihn.
“Ich dachte ein bisschen Zeit zu dritt würde uns nicht schaden nach dem ganzen Stress. Einfach entspannen. Abseits von allem die Ruhe genießen und uns ganz in Ruhe über unsere Zukunft zu viert Gedanken machen“, erklärte er mir seine Idee und ich fand es wundervoll. Er hatte recht, es würde uns gut tun. Uns beiden und vor allem auch Milan.
“Danke, dass ist eine wundervolle Idee“, murmelte ich und fiel ihm um den Hals. Marco erwiderte die Umarmung fest und so bekamen wir gar nicht mit, wie die Zeit verging und wie André still und leise das Wohnzimmer verließ und sich noch ein wenig um Milan kümmerte, damit Marco und ich einen Moment für uns hatten.

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