Kapitel 60

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POV Mario

Am nächsten Tag hatte ich Milan in die Kita gebracht und war dann weiter zum Trainingsplatz gefahren. Ich wollte heute unbedingt mit unserem Teamarzt über die Abtreibung reden, denn je schneller die Schwangerschaft vorbei war, umso schneller war ich für Milan wieder voll einsatzbereit und konnte wieder trainieren. So langsam wurde es nämlich schwer Marco anzulügen.
“Was machst du denn hier Mario?“, fragte mich ein erstaunter Marco, dem ich ungeplanter Weise auf dem Parkplatz begegnete.
“Hey Marco, ich...ähm... will nur kurz was beim Doc abchecken“, stammelte ich und versuchte mich nicht allzu auffällig zu verhalten.
“Aber es ist alles okay bei dir?“, fragte er nach und beäugte mich skeptisch.
“Klar, nur ein Routinecheck, ob ich wieder zum Training kann oder nicht“, redete ich die Sache klein und ein Teil war ja nicht mal gelogen. Es ging wirklich auch darum, ab wann ich wieder trainieren konnte.
“Achso, na dann viel Glück. Freu mich, wenn wir wieder gemeinsam trainieren“, lächelte er mich an und mir wurde ganz warm ums Herz.
“Ich mich auch“, erwiderte ich, “aber ähm... Ich sollte jetzt wohl mal...“
“Klar, ich will dich nicht aufhalten. Kannst mir ja zuhause erzählen, was der Arzt gesagt hat“, meinte Marco und machte sich, ohne auf meine Antwort zu warten, auf den Weg zur Kabine.

Ohje, das war eng gewesen. Was musste ich auch für ein unglaubliches Glück haben und Marco über den Weg laufen. Sarkasmus lässt grüßen. Um nicht noch jemanden zu begegnen beeilte ich mich, ins Arztzimmer zu kommen.
“Ach guten Morgen Mario, ist was passiert? Geht es dir nicht gut?“, wurde ich sofort besorgt begrüßt.
“Ja... Also, nein... Also“, stammelte ich.
“Okay Mario Stopp. Setz dich hin und dann sag mir bitte in Ruhe, was los ist“, weist mich unser Arzt an und dirigiert mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Er selbst ging um den Schreibtisch herum und setzte sich auf seinen Bürostuhl.
“So und jetzt sag mir bitte was ich für dich tun kann.“
“Ich...Ich... Ich will das Kind nicht“, presste ich heraus und kniff dabei die Augen zusammen.
“Oh Mario, bist du dir ganz sicher?“, fragte der Arzt vorsichtig und sanft.
“Es geht einfach nicht“, stammelte ich und war kurz davor los zu weinen.
“Aber warum denn nicht Mario? Wegen deiner Karriere? Die ging doch auch nach Milans Geburt weiter“, redete er auf mich ein.
“Es geht nicht um meine Karriere, aber ich kann das Kind nicht bekommen. Es macht alles kaputt“, würgte ich hervor und konnte mich nicht beruhigen.
“Gehe ich recht in der Annahme, dass Marco der andere Vater ist?“, fragte er plötzlich.
“Ja...“, hauchte ich und mit den Bildern jener Nacht im Kopf, flossen bei mir auch die ersten Tränen.
“Weiß er von deiner Entscheidung?“, fragte er weiter und schob mir eine Packung Tempos rüber, die ich dankend annahm.
“Nein und er darf es auch nicht. Das würde nur alle kaputt machen und Milan...“, setzte ich hysterisch an, konnte aber nicht fertig sprechen vor Panik, dass er Marco informieren würde.
“Ich werde nichts sagen Mario. Aber was ist mit Milan?“, beruhigte er mich.
“Milan musste bis jetzt schon genug wegen meiner blöden Schwangerschaft leiden“, brachte ich weinend hervor und war mir nicht mal sicher ob man die Worte überhaupt noch verstand. Unser Teamarzt schwieg zum Glück und ließ mich weinen. Es tat so gut, das Angestaute raus zu lassen. Es war so erleichternd und erst als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, sprach er weiter: “Ich kann dich verstehen Mario. So eine zweite und dann auch noch geheime Schwangerschaft ist nicht leicht. Aber vor ein paar Jahren war Milan das Baby da in deinem Bauch und bist du nicht froh ihn nicht abgetrieben zu haben?“
“Doch, aber es geht einfach nicht. Bitte“, flehte ich.
“Okay Mario, ich verstehe dich ja. Ich werde dir helfen“, redete er ganz ruhig auf mich ein.
“G...Gut“, stammelte ich und war erleichtert, endlich Hilfe zu bekommen.
“Ich drucke dir jetzt ein paar Unterlagen aus, die du zuhause bitte ganz genau durchliest und unterschreibst. Und wenn du das hast, dann machen wir einen Termin aus für die Abtreibung.“
“Nein, jetzt schon. So schnell wie möglich“, murmelte ich und krampfte meine Hände auf meinem Schoß.
“Na schön, dann sehen wir uns in warte-“, sagte er und schaute schnell in seinem PC etwas nach. “In vier Tagen wieder hier. Dann bekommst du eine Tablette die das Wachstum des Fötus hemmt und ich bringe dich sicherheitshalber schon da ins Krankenhaus. Drei Tage später wird der Fötus dann operativ entfernt.“
“Gut, das ist schnell“, murmelte ich.
“Ja, das ist es. Aber so wolltest du es doch oder? Und eins muss dir bewusst sein Mario. Ab der Tablette gibt es keinen Weg mehr zurück.“
“Ja, so ist es gut“, murmelte ich und war mir dann doch etwas unsicher, weil alles so schnell ging. Aber das war albern. Ich hatte es mir lange genug überlegt.
“Dann bis in vier Tagen. Oder willst du noch einen Ultraschall machen?“, fragte er vorsichtig.
“Nein, nein bis dann“, verabschiedete ich mich und flüchtete mit den Unterlagen schier aus dem Raum. Bloß kein Ultraschallbild. Je weniger ich von dem Fötus sah und wusste, umso besser. Alles andere würde die Abtreibung nur noch schwerer machen.
Nur leider hasste mich mein Leben heute und ich lief André in die Arme.
“Mario was- Wie siehst du denn aus?“, fragte er mich entsetzt.
“Ich... Es ist alles okay“, schwindelte ich.
“Ich seh doch, dass du geweint hast. Also sag mir bitte die Wahrheit. Was wolltest du bei unserem Arzt?“, bohrte er nach und ich hasste ihn gerade dafür, dass er mich so gut kannte.
“Unwichtig“, blockte ich ab.
“So sieht es aber nicht aus und dann blickte er auf die ganzen Papiere in meinen Händen, “und wofür brauchst du das Zeug? Du weißt doch schon, wie so eine Schwangerschaft funktioniert.“
“Sicher ist sicher“, log ich. Aber ich war halt leider schon immer ein schlechter Lügner und ich konnte André förmlich ansehen, wie es ihm dämmerte.
“Du willst es abtreiben, hab ich recht?“, fragte er gefährlich leise und ich brachte einfach nur ein nicken zustande.
“Tu das nicht Mario. Das ist ein Fehler. Du wirst es bereuen“, redete er auf mich ein und hatte mich auch an den Oberarmen gepackt. Ich biss mir auf die Unterlippe.
“Bitte Mario, mach keinen Scheiß“, flehte er mich förmlich an und erneut flossen meine Tränen. Warum musste er jetzt auch noch auf mich einreden? Warum konnten sie nicht einfach meine Entscheidung akzeptieren.
“Es ist zu spät“, murmelte ich, “ich hab mich entscheiden. In vier Tagen ist es so weit und in sieben bin ich es los.“
Geschockt ließ André mich los, ganz so, als hätte er sich verbrannt.

“Das bist nicht du. So würdest du nie reden.”
“Doch, das bin ich“, erwiderte ich nur und machte, dass ich so schnell wie möglich hier weg kam.

Er hatte doch keine Ahnung und kein Recht sich einzumischen. Ich war immerhin derjenige, der eine Schwangerschaft durchmachen müsste. Derjenige, dessen Karriere und Familie darunter litt. Also war es auch meine Entscheidung, was für mich das Beste war und das war nun mal eine Abtreibung.

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