Kapitel 89

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POV Mario

Schweißgebadet wachte ich mitten in der Nacht auf. Sofort hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Das etwas mit meiner Prinzessin nicht stimmte. Ich hatte wieder furchtbare Unterleibsschmerzen und mein Kind war nicht so aktiv wie sonst.
Ich fing hemmungslos an zu weinen und traute mich nicht auch nur einen Muskel zu bewegen. Mein Schluchzen wurde immer lauter und mit einem Mal wurde meine Zimmertür aufgerissen.
“Mario! Was ist los?!”, hörte ich meinen Bruder rufen, der schon auf mich zugelaufen kam.
“Mit… mit der Kleinen stimmt was nicht”, weinte ich und legte meine Hände auf den Bauch.
“Bist… bist du sicher?”, fragte Fabian nach und ich nickte nur panisch.
“Ja! Ich merke doch, dass etwas nicht in Ordnung ist! Hilft mir Fabian! Ich flehe dich an!”, schrie ich ihm schon fast entgegen und genau im selben Moment stand auch Lewy in der Tür.
Besorgt kam er zu uns herüber.

“Was ist hier denn los?”
“Es ist etwas mit dem Kind. Ich bringe Mario jetzt sofort in die Klinik”, hörte ich meinen Bruder sagen und schon merkte ich, wie meine Decke zur Seite geschlagen wurde.
Zitternd versuchte ich aufzustehen, doch es half nichts. Ich konnte mich kaum halten, so schlimm waren meine Schmerzen. Stützend stellten sich die beiden zu mir und schafften es irgendwie mich ins Auto zu hieven.

Mein Bruder verabschiedete sich schnell mit einem Kuss von seinem Freund und fuhr wie ein Irrer durch München.
Keine fünfzehn Minuten später hatten wir endlich meine Klinik erreicht und Fabi rannte rein, um einen Arzt zu holen. Es dauerte nicht lange, da kam er mit meinem Doktor und zwei Pflegern zurück. Sie setzten mich in einen Rollstuhl und brachten mich in ein Behandlungszimmer. Die ganze Zeit über hielt Fabian meine Hand.
“Es wird alles gut, Mario”, flüsterte er und versuchte mich irgendwie zu beruhigen, obwohl ich seine Sorge sofort spüren konnte.
Der Arzt und die Pfleger legten mich auf eine Trage und sofort fing mein Arzt an einen Ultraschall zu machen. Immer wieder fuhr er mit dem Gerät über meinen Bauch und tippte etwas in den Computer ein. Ich war inzwischen wieder am weinen und kam überhaupt nicht mehr klar. Was sollte ich tun, wenn mein Baby sterben würde? Was würde Marco tun? Dann hätte ich ihn für immer verloren. Das würde er mir nie verzeihen.
“Können Sie schon etwas sagen?”, harkte Fabi nach.
Der Arzt drehte sich zu uns um.

“Mario hat wie es aussieht schon Geburtswehen, deshalb mache ich jetzt sofort ein Cardiotogramm.”
Kaum hatte Dr. Stoll das gesagt, holte er auch schon die nötigen Instrumente heraus. In Eile zog ich mein Tshirt aus und der Arzt machte das Cardiotogramm um meinen Bauch. Ich legte mich wie immer auf die Seite und er befestigte den Druckaufnehmer ab dem elastischen Gurt. Er schloss mich an das Gerät an und meinte, dass es ungefähr fünfzehn Minuten dauern würde.
Mein Bruder setzte sich auf den Stuhl neben mich und hielt wieder einfach nur meine Hand fest. Zwischendurch strich er immer wieder durch meine Haare, doch ich hatte einfach unglaubliche Angst um mein Kind.
Dr. Stoll kam nach der Wartezeit zurück und betrachtete das Ergebnis genau.

“Mario, du hast schon sehr starke Wehen. Hattest du viel Stress in der letzten Zeit?”
Schniefend nickte ich.

“Ja, wegen Marco. Er hat mir ständig Liebesbriefe und Nachrichten geschickt. Das hat mich total überfordert und ich stand ständig unter Strom.”
Ernst nickte er.

“Okay, hör mir zu. Durch den Stress sind die Wehen vier Wochen zu früh eingetreten. Das ist aber nicht ganz so schlimm. Das Problem ist, dass sich durch den Stress die Herztöne der kleinen Maus extrem verschlechtert haben. Deshalb müssen wir sie jetzt schon holen.”
In diesem Augenblick brach eine Welt für mich zusammen. Marco würde wieder nicht bei der Geburt dabei sein und ich musste das Ganze Drama alleine durchstehen. Tränen liefen meine Wangen herunter und ich versuchte tief durchzuatmen, während der Arzt einige Helfer organisierte.
“Ich bereite jetzt alles Nötige vor und in einer halben Stunde hole ich dich ab. Du kannst schonmal das OP-Hemd anziehen und dich auf die Liege legen”, sagte er mir an, was ich zutun hatte und war direkt wieder verschwunden.
Fabi half mir dabei meine Sachen auszuziehen und reichte mit den blöden OP-Kittel. Zum Glück schämte ich mich vor nichts und er machte ihn mir hinten am Hals zu. Danach stütze er mich so, dass ich wieder auf die Liege kam, um die blöden Wehen weg zu atmen.
“Mario, es wird alles gut gehen”, meinte Fabi und sah mich zuversichtlich an.
“Nein”, wisperte ich und starrte an die kahle Wand, “Marco… Marco ist nicht hier. Ich wollte ihn bei der Geburt dabei haben. Ich brauche ihn und er ist nicht hier. Ohne ihn schaffe ich das nicht.”
“Ich weiß, dass du ihn hier haben wolltest aber du schaffst das auch ohne ihn. Ich bin hier und lasse dich nicht alleine okay?”, redete er auf mich ein, doch das tröstete mich nicht im geringsten.
“Wir… wir haben keinen Namen für sie. Das ist alles zu früh. Ich… ich schaffe das nicht”, schniefte ich und schlang die Arme um meinen Bauch.
“Einen Namen könnt ihr euch später überlegen. Das Wichtigste ist, dass du sie bald in deinen Armen halten kannst”, versuchte mein Bruder weiter mich zu beruhigen, doch es war einfach zwecklos.
“Marco wird mir das nie verzeihen”, krächzte ich, “ich habe ihn von mir gestoßen. Er wollte für mich da sein und ich habe ihn weggestoßen. Immer und immer wieder. Er hat die letzten Wochen so viel versucht und gemacht und ich habe ihm das Gefühl gegeben, dass er keine Chance hat, dabei liebe ich ihn.”
“Und er liebt dich auch, deshalb wird er dir verzeihen. Er kennt dich und es wird alles gut werden. Gleich hast du deine Prinzessin im Arm”, versicherte Fabian mir und küsste mich sanft auf die Stirn.
“Was… was ist, wenn ihr Herz aufhört zu schlagen? Ich will sie in meinen Armen halten.”
“Denk gar nicht erst daran”, sagte Fabian, “sie ist stark, denn sie ist eine halbe Götze und eine halbe Reus. Götzeuskinder sind die stärksten Kinder, die ich kenne.”
Jetzt musste selbst ich lächeln und drückte die Hand meines Bruders fest. Schon kam Dr. Stoll mit dem vorbereiteten Bett herein. Er und Fabi halfen mir ins Bett und schon wurde ich in den Raum für den Kaiserschnitt gebracht.
“Ich gebe dir jetzt die Spinalanästesie. Bitte leg dich auf die Seite”, meinte er und ich tat wie mir befohlen. Nach einem kurzen Pieks war der Schmerz vorbei und ich merkte, wie immer alles tauber wurde.
Inzwischen war das Ärzteteam komplett und der Vorhang wurde vor mir ausgebreitet. Jetzt würde es also losgehen. Meine kleine Tochter würde ohne ihren anderen Vater auf die Welt kommen.
Ich hatte schreckliche Angst aber ich wusste, dass mein Kind schnell geholt werden musste. Meine einigen Bedürfnisse waren dabei egal. Es ging um das Leben unseres Kindes und das würde hoffentlich auch Marco verstehen.

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