Kapitel 33

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POV Mario

Zum Glück hatte sich Milan wieder relativ schnell beruhigen lassen und so saßen Marco und ich wenig später wieder ganz entspannt auf dem Sofa. Milan hatte sich inzwischen mit seinen Malsachen auf dem Boden ausgebreitet und malte ganz angestrengt.
“Er ist schon so groß“, seufzte ich irgendwann ganz in Gedanken versunken.
“Das ist er und ich habe schon so viel verpasst“, murmelte Marco und klang extrem traurig. In mir stieg erneut das schlechte Gewissen auf, dass ich ihm seinen Sohn vorenthalten hatte.
“Es tut mir leid Marco. Wenn ich es nochmal rückgängig machen könnte...“, setzte ich an, konnte meinen Satz aber nicht beenden und senkte traurig den Kopf.
“Muss es nicht. Wenn ich Milan jetzt so sehe, dann kannst du ziemlich stolz auf ihn sein. Wir können stolz auf ihn sein und ich bin stolz darauf, dass du das so gut hinbekommen hast. Milan ist ein wundervolles Kind und auch wenn ich jede verlorene Minute bereue, so freue ich mich doch über jede, die du mir mit diesem fantastischen Kind schenkst“, erklärte mir Marco und legte mir aufmunternd eine Hand auf den Oberschenkel. Auf diese Ansage wusste ich einfach nichts zu sagen, so gerührt war ich und genoss einfach nur den Moment.
“Papa schauen“, unterbrach Milan die Stille und kam mit seinem Bild zu mir und Marco. Er drehte es um und erklärte uns ganz genau, was darauf zu sehen war: “Das Papa“, sagte er und deutete auf die 'Person' ganz links. “Das Milan“, beschrieb er die kleinste 'Person' in der Mitte und mit “Das Papa“, war das Bild vollständig erklärt. Er hatte uns alle drei gemalt. Gemeinsam auf einem Bild, wie eine richtige Familie.
“Das hast du toll gemacht mein Schatz“, lobte ich den kleinen und hatte Tränen in den Augen.
“Da hat der Papa recht. Das hast du wirklich ganz toll gemacht“, bestätigte Marco und blickte Milan stolz an.
“Für Papa“, sagte Milan und hielt das Bild Marco hin. Ich wartete auf seine Reaktion und die war schöner, als ich sie mir vorgestellt hatte. Marco nahm das Bild ehrfürchtig und mit Tränen in den Augen entgegen und küsste Milan dann liebevoll auf die Stirn.
“Das bekommt einen Ehrenplatz an meinem Kühlschrank“, erklärte er und mit einem “Das erste gemalte Bild von meinem Sohn“, was er wohl mehr zu sich selbst, als zu uns sagte, hängte er das Bild auch gleich an den Kühlschrank. Stolz blickte ich Milan an. Womit hatte ich nur so ein tolles Kind verdient? Marco stand immer noch vor seinem Kühlschrank und betrachtete das Bild, während ich einen Blick auf die Uhr warf.
“Wir sollten langsam gehen. Es ist schon spät und wir müssen noch Abendessen“, stellte ich etwas traurig fest.
“Nein Papa. Milan will bei Papa bleiben“, jammerte der Kleine sofort los und auch Marco drehte sich wenig begeistert um.
“Und wenn ihr hier esst? Wir könnten Pizza bestellen und bis die kommt Pudding kochen“, schlug er vor. Unschlüssig wiegte ich beide Möglichkeiten ab. Ich konnte versuchen Milan unter Theater nach Hause zu bringen und unzufrieden zu haben oder ich genoss hier weiter die Illusion unserer kleinen Familie. Letztendlich fiel mir die Wahl nicht schwer und ich stimmte zu, hier zu bleiben. Sowohl Marco als auch Milan strahlten mich glücklich an und in diesem Moment sahen sie wieder aus wie Zwillinge. Nur halt mit ein paar Jahren Altersunterschied und es erwärmte mir das Herz. Meine zwei Lieblingsmenschen. Marco bestellte eine Familienpizza und dann ging es ans Pudding kochen.
“Na komm Milan, wir machen Pudding“, forderte ich den Kleinen auf zu helfen und an Marco gewandt fragte ich: “Hast du vielleicht einen Tritt, auf den sich Milan stellen kann und an dem er sich festhalten kann?“
Bevor Marco antworten konnte, rief Milan: “Jaaaaa. Schokopudding!“
“Ja, Schokopudding“, bestätigte Marco dem Kleinen und gab dann etwas geknickt zu: “Nein leider nicht. Ich werde mich wohl erst mal kindgerecht ausstatten müssen.“ Ich hatte einfach das Bedürfnis und sagte: “Ist doch nicht schlimm. Das kommt alles mit der Zeit und woher hättest du das auch wissen sollen?“
“Ja schon, aber ich weiß nicht. Ich wirke gegen dich als Vater wie eine richtige Niete“, murmelte er.
“Quatsch. Du musst da erst mal reinkommen und dann bist du mindestens ein genauso guter Vater. Wenn nicht gar ein besserer. Ich musste auch erst alles lernen. Das fügt sich schon alles“, versuchte ich ihn aufzumuntern und tatsächlich zierte wieder ein kleines Lächeln seine Mundwinkel.
“So jetzt aber genug geredet. Wir wollten doch Pudding kochen“, kehrte ich zu unserem eigentlichen Vorhaben zurück und nahm Milan auf den Arm, damit er beim zubereiten helfen konnte.
Letztendlich endete alles in einer riesen großen Sauerei an verschütteten Zutaten und genau drei Portionen von dem Schokopudding. Aber auch Marco, Milan und ich hatten allerhand abbekommen.
“Wir sollten uns wohl sauber machen“, sprach Marco meinen Gedanken aus.
“Sollten wir. Für Milan habe ich zum Glück Sachen im Auto“, stimmte ich zu, druckste am Ende jedoch etwas rum. Marco merkte das und fragte: “Möchtest du vielleicht etwas von mir?“
“Aber das ist doch viel zu groß“, versuchte ich abzuwiegeln.
“Ach Quatsch. Was früher ging, geht heute auch noch“, erklärte er mir, “Ich leg dir was raus, das du anziehen kannst. Mir ist es etwas knapp, dann sollte es dir nur minimal zu groß sein.“ Und schon war er verschwunden. Als er zurück kam, war er bereits umgezogen: “Ich habe dir die Sachen auf's Bett gelegt.“
“Danke, ich hole schnell Milan's Sachen und dann gehen wir beide uns umziehen“, erwiderte ich und machte mich schnell auf, Milan’s Sachen aus dem Auto zu holen. Dann ging ich mit dem Kleinen in Marco's Schlafzimmer. Zuerst zog ich Milan um und als dieser unbedingt zurück zu Marco wollte, ließ ich ihn springen und zog selbst in aller Ruhe noch Marco’s Sachen an. Es fühlte sich gut aber irgendwie auch komisch an nach so langer Zeit wieder Sachen von ihm zu tragen. Zugegeben, hatte es mir vielleicht auch ein bisschen gefehlt. Genau wie dieser Duft nach seinem Waschmittel, das sich in all den Jahren nicht verändert hatte.
“Mario, die Pizza ist da. Kommst du bitte?“, erklang Marco's Stimme und ich musste verträumt grinsen. Genau so sollte es eigentlich immer sein. Eine ganz normale Familie. Aber das waren wir leider nicht und mit dieser Gewissheit kehrte ich zu den beiden zurück. Die Pizza duftete himmlisch und der Schokopudding danach krönte ein perfektes Abendessen.
“Milan müde“, erklang noch während dem Essen des Puddings Milan’s Stimme.
“Nach dem Essen gehen wir gleich Heim“, versicherte ich meinem Sohn, doch der wollte davon nichts hören: “Milan bei Papa schlafen.“
“Nein Milan, wir müssen nach Hause“, versuchte ich es erneut, doch Milan wiederholte: “Milan bei Papa schlafen.“
Ich wollte schon zu sprechen ansetzen, als Marco mich leise unterbrach: “Und wenn ihr beide hier schlaft?“ Skeptisch blickte ich zu ihm.
“Bitte Mario, nur diese eine Nacht“, flüsterte er erneut. Ich schloss die Augen, atmete tief durch und sagte: “Na schön. Aber wirklich nur diese eine Nacht.“
“Danke“, sagte Marco schlicht und allein um das glückliche Funkeln in seinen Augen erneut zu sehen, würde ich jederzeit wieder zustimmen.
“Ich richte dir schnell das Gästezimmer her“, fügte Marco dann schnell hinzu, ganz so als hätte er Angst, dass ich es mir jeden Moment anders überlegen könnte. Nachdenklich blickte ich ihm hinterher, während ich mit Milan auf dem Sofa kuschelte. Dem Kleinen fielen schon schier die Augen zu und auch ich war ziemlich müde. Also nahm ich Milan kurzerhand auf den Arm und ging mit ihm in das Zimmer, in dem Marco verschwunden war. Tatsächlich stellte es sich als das Gästezimmer heraus und Marco war gerade fertig geworden das Bett zu beziehen.
“Ihr seid ja schon da“, stellte er fest und ich nickte.
“Milan ist müde und ich zugegebenermaßen auch“, sagte ich und Milan bestätigte meine Aussage durch ein Gähnen.
“Na dann ist es wohl Zeit für's Bett“, sagte Marco und ich nickte. Marco kam auf uns zu und wollte Milan wohl nur einen gute Nacht Kuss geben, als dieser seine Ärmchen ausstreckte und etwas unverständliches nuschelte, dass ich als “Papa schlafen“ interpretierte. Ich musste schlucken. Noch nie hatte Milan bei jemand anderem geschlafen wenn ich da war und jetzt wollte er von sich aus bei Marco schlafen? Bedeutete das jetzt endgültig, dass ich abgeschrieben war?
“Darf...Darf er bei mir schlafen?“, fragte Marco und wirkte dabei so ängstlich vor einer Absage, dass es mir fast das Herz zerriss und mir gar nichts anderes übrig blieb, als Milan an Marco zu übergeben, den beiden eine gute Nacht zu wünschen und allein im Gästezimmer zurückzubleiben. Wir waren halt doch keine richtige Familie. Einer von uns würde immer allein sein, ohne Milan, während der andere das kleine Wunder um sich haben durfte. War es nicht gerecht, dass nach der langen Zeit, die ich Milan für mich allein hatte, Marco endlich zum Zug kam? Und dennoch, trotz all der Logik, wollte ich einfach nicht von Milan getrennt sein und es brach mir schier das Herz, dass ich bei meinem Kind gerade nicht die Nummer eins war. Leider trugen diese Gedanken nicht gerade dazu bei, dass ich einschlafen konnte und so wälzte ich mich noch lange im Bett umher und fand keine Ruhe. Irgendwann hörte ich leise Schritte auf den Flur und erstarrte in meiner Bewegung. Ich lauschte gebannt als die Schritte vor der Gästezimmertür anhielten. Ganz leise und vorsichtig öffnete sich die Tür.
“Mario, schläfst du schon“, fragte Marco und seine Stimme war nicht mehr, als ein Flüstern.
“Nein“, antwortete ich genauso leise.
“Ich...Ich kann nicht schlafen“, stammelte Marco und ich antwortete ein geseufztes “Ich auch nicht“.
“Willst...uhm...Willst du vielleicht zu Milan und mir kommen? Das Bett ist groß genug“, schlug er vor und wenn es nicht dunkel gewesen wäre, hätte ich ihn vermutlich erröten sehen können.
“Ich...Ich weiß nicht recht“, stammelte ich und wusste wirklich nicht, was ich tun sollte. Naja, irgendwie schon, denn mein Gefühl sagte mir, dass ich das Angebot annehmen sollte.
“Tut...Tut mir leid. Ich wollte dich nicht drängen“, stammelte Marco.
“Nein, ist...ist schon gut. Danke für das Angebot. Ich...Ich glaube ich würde es gerne annehmen“, stammelte ich und jetzt war ich es, der im Schutz der Dunkelheit errötete.
“Dann komm“, erwiderte Marco und ich bildete mir ein, einen Hauch Freude in seiner Stimme gehört zu haben. Ich schwang mich also aus dem Bett und folgte Marco in dessen Schlafzimmer. Dort legten wir uns ins Bett, Milan in unserer Mitte. Wie eine richtige Familie, alle gemeinsam. Mit diesem glücklichen Gedanken schlief ich ein.

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