Kapitel 37

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POV Marco

Müde saß ich zuhause auf dem Sofa und genoss die wenigen Minuten Ruhe die ich noch hatte. Natürlich liebte ich Milan, aber gerade merkte ich die Last des Eltern-Daseins gänzlich und ich bekam immer mehr Respekt vor Mario’s Leistung die letzten Jahre, auch wenn ich das nie zugeben würde.

Die erste Woche mit Milan war reibungslos verlaufen, doch jetzt wurde es immer schwieriger. Letzte Nacht hatte Milan zum Beispiel einen Alptraum und war zu mir gekommen auf der Suche nach seinem Papa. Genauer gesagt auf der Suche nach Mario. Nur nach viel Mühe hatte er sich wieder einigermaßen beruhigt. Allgemein glaubte ich, dass er jetzt so langsam verstand, dass er Mario nicht sehen würde, sich etwas verändert hatte und begann zu seinem Papa zurück zu wollen. Aber das würde ich nicht zulassen. Mario stellte nur eine Gefahr für ihn dar und der konnte ich meinen Sohn nicht weiter aussetzen. Milan würde bei mir bleiben und sich früher oder später schon damit abfinden. Immerhin hatte er eh die ganze Zeit zu mir gewollt seitdem er mich kannte und mich nicht mehr hatte gehen lassen wollen. Gleich würde Marcel ihn herbringen. Er hatte ihn von der Kita abgeholt, da es sonst mit dem Training nicht anders ging. Wiedermal fragte ich mich, wie Mario das immer hinbekommen hatte. Aber allzu gut konnte das ja nicht gewesen sein, immerhin bekam er es aktuell nicht mal hin ins Training zu kommen.
"Wir sind da", erklang Marcel’s Stimme und ich stand sofort auf, um den beiden entgegen zu kommen. Als Milan mich sah rief er sofort "Papa" und kam auf mich zugelaufen.
"Hallo Milan", begrüßte ich ihn und nahm den Kleinen hoch. Er kuschelte sich sofort an mich und ich fragte ihn: "Na, war dein Tag in der Kita schön?"
"Ja", bekam ich als Antwort und war erleichtert, ehe Milan noch etwas hinterher schob, was mir die Laune verhagelte: "Milan jetzt Papa gehen?"
"Nein Milan, wir können jetzt nicht zum Papa gehen. Der hat ganz viel zu tun und keine Zeit", versuchte ich dem Kleinen zu erklären, woraufhin der nur bockig dreinblickte.
"Milan Papa gehen", wiederholte er jetzt schon nicht mehr als Frage.
"Nein Milan", erwiderte ich.
"DOCH. Milan will Papa gehen!", kreischte mein Sohn jetzt schon fast.
"Milan es reicht. Wir gehen nicht zum Papa", sagte ich lauter als beabsichtigt und man konnte Milan’s Reaktion ganz genau beobachten. Sein Blick wurde noch trotziger, seine Unterlippe begann zu beben und dann fing er unter lauten Papa-Schreien an zu weinen. Gleichzeitig zappelte er so sehr, dass ich Mühe hatte, ihn zu halten.
"Milan, Schluss. Beruhig dich", befahl ich meinem Sohn, machte das Theater damit aber nicht gerade besser. Ganz im Gegenteil, es wurde immer schlimmer und so langsam war ich überfordert. Was hatte Mario in solchen Situationen nur immer getan? Während ich das noch fieberhaft überlegte, beruhigte sich das Theater auf meinem Arm langsam aber sicher, bis nur noch ein weinendes Bündel übrig blieb. Scheinbar hatte ihn die Krankheit doch mehr Kraft gekostet als gedacht. Jetzt jedoch zu meinem Vorteil. Sanft begann ich ihn leicht zu schaukeln und redete beruhigen auf ihn ein, bis mein kleiner Sohn eingeschlafen war.
"Endlich", seufzte Marcel und ich stimmte ihm zu. Auf weitere solche Anfälle konnte ich echt verzichten.
"Ich bringe ihn kurz ins Bett, dann bin ich bei dir. Bedien dich einfach, du weißt ja wo der Kühlschrank ist", sagte ich und brachte Milan in sein Zimmer. Dort legte ich ihn vorsichtig in sein Bett, schloss den Rollladen und verließ das Zimmer wieder um zu Marcel zurück zu gehen. Der hatte sich inzwischen auf dem Sofa ausgebreitet.
"Entschuldige bitte", sagte ich, doch Marcel winkte ab: "Nicht so wild. Er ist ein Kind und von seinem Papa getrennt, den er sonst jeden Tag gesehen hat."
"Trotzdem, dass es so heftig wird", seufzte ich und fuhr mir durch die Haare.
"Mensch Marco, was hast du erwartet. Der kleine vermisst seinen Vater und ganz ehrlich, er geht mir ganz schön auf den Geist. Er fragt mich so ziemlich immer, wenn er mich sieht, ob ich ihn zu seinem Papa bringe und wenn ich dann sage, dass ich ihn zu dir bringe, quengelt er, dass er zu seinem anderen Papa will. Über kurz oder lang kann es so nicht weitergehen. Er dreht ja schier ab", beschwerte sich Marcel.
"Was soll ich denn bitte tun? Ich versuche es Milan ja schon so einfach wie möglich zu machen, dass er sicher ist", erwiderte ich.
"Vielleicht würde es dem Kleinen leichter fallen Mario mal wieder zu sehen", schlug Marcel vor.
"Nein, wenn er auf Mario dann so reagiert, wie auf mich damals, wird es nur noch schlimmer und eine Katastrophe. Es ist gut so, wie es ist. Mario war überfordert mit dem Kleinen. Er ist ja mit seinem eigenen Leben schon so überfordert, dass er es nicht mal mehr ins Training schafft. Wie soll sich so jemand um ein Kind kümmern?", erwiderte ich spöttisch.
"Na wenn du meinst, aber dann solltest du über einen Wechsel nachdenken. Distanz zwischen euch drei bringen. Es würde euch allen gut tun und vor allem würdest du Milan nicht weiter verwirren. Hier in der Wohnung wart ihr drei gemeinsam. Die Kita verbindet euch drei. Der BVB verbindet euch drei und Milan wird die Gewissheit, dass sein Papa ganz in der Nähe ist bestimmt nicht helfen, sich von ihm zu lösen", meinte Marcel und zuckte mit den Schultern.
"Aber der BVB, meine Familie, meine Freunde. Das alles ist hier", gab ich zurück und fügte in Gedanken noch Mario in die Reihe hinzu, denn er war auch hier und ob ich wollte oder nicht, er hatte immer noch einen Platz in meinem Herzen.
"Dann musst du mit Milan’s Theater umgehen lernen, denn ich bezweifle, dass es besser wird", meinte Marcel trocken.
"Wir werden ja sehen", wiegelte ich ab aber in Gedanken stimmte ich seiner Befürchtung zu. Hier würden Milan und ich wohl nie so richtig zur Ruhe kommen. Dafür war Mario zu present.
"Wie auch immer. Ich muss los", verabschiedete sich Marcel und in Gedanken versunken blickte ich ihm hinterher. Was sollte ich schon tun? Irgendwie hatte ich gerade das dringende Bedürfnis meinen Sohn zu sehen und ging leise in Milan’s Zimmer. Er sah so süß und so unschuldig aus, wenn er schlief. Nichts erinnerte daran, wie sehr er ausrasten konnte. Ich liebte dieses Kind einfach. Er war perfekt, auch wenn seine Eltern es nicht waren. Aus meinen Gedanken wurde ich durch ein Klingeln an der Tür gerissen. Für einen kurzen Moment überlegte ich, einfach nicht zu öffnen, aber mein Besucher war hartnäckig. Es klingelt erneut und da Milan schon unruhig wurde, beschloss ich lieber zu öffnen, bevor er ganz aufwachte. Als ich die Tür öffnete bereute ich es jedoch sofort. Vor mir standen ein ziemlich wütender Basti und ein nicht weniger wütender Lewy.

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