Kapitel 77

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POV Mario

"Also Mario, sie dürfen heute wieder nach Hause, aber sie müssen mir versprechen auf sich aufzupassen", erklärte mir Doktor Stoll. Er hatte mich auch schon damals während Milans Schwangerschaft behandelt und ich war vor drei Tagen sehr erleichtert gewesen, als er auch dieses Mal mein behandelnder Arzt war.
"Natürlich. Kein Stress und kein Fußball mehr", versicherte ich ihm und war recht froh, endlich wieder aus diesem Krankenhaus heraus zu kommen. Ich mochte diese sterilen weißen Räume einfach nicht.
"Und absolute Bettruhe. Sie bleiben mindestens bis nach dem dritten Monat liegen. Sonst kann ich nicht versprechen, dass sie das Baby behalten", mahnte mich Doktor Stoll.
"Versprochen. Ich werde alles für mein Baby tun", versprach ich brav.
"Gut", meinte er und lächelte mich sanft an, "wie geht es eigentlich Milan?"
"Er ist hier in München bei meinen Brüdern, aber er vermisst seinen Vater", meinte ich und wurde bei dem Gedanken an Marco etwas traurig.

Natürlich kannte Doktor Stoll die ganze Geschichte. Ich hatte sie ihm nach Milans Geburt erzählt, denn das Aussehen meines Sohnes hätte sonst garantiert zu Fragen seinerseits geführt.
"Darf ich davon ausgehen, dass Herr Reus auch der Vater ihres zweiten Kindes ist?", fragte er vorsichtig nach.
"Ja", hauchte ich und nickte abwesend.

In meinem Kopf spielten sich die Bilder unserer gemeinsamen Nacht und unseres Urlaubs wieder ab. Es war perfekt gewesen. Ein perfektes Schauspiel und jetzt war alles wieder kaputt. Zum Glück schwieg Doktor Stoll und überließ mich meinen Gedanken.
"Kann sie jemand abholen?", fragte er mich dann doch.
"Ja... Ja, ich denke schon", meinte ich.
"Gut, dann mache ich Ihnen die Entlassungspapiere fertig und bringe sie Ihnen später vorbei", verabschiedete sich Doktor Stoll und ließ mich alleine.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich am besten Fabi anrufen sollte. Den würde ich am ehesten erreichen, denn für Lewy und Felix war es gerade die perfekte Zeit joggen zu gehen.
"Hey Fabi, kannst du mich abholen?", fragte ich zögerlich, nachdem mein Bruder gestresst klingend abgenommen hatte.
"Wann? Ich bin gerade mit Milan allein", seufzte er und ich bekam ein schlechtes Gewissen.

Er klang vermutlich wegen Milan so gestresst. Ich wusste, dass der Kleine es nicht so gut aufnahm von Marco und von mir getrennt zu sein.
"Ist nicht so wichtig, ich frage Ann Kathrin. Die ist auch gerade in München. Bleib du ruhig zuhause", meinte ich schnell und legte auf, ehe Fabi noch was sagen konnte. Allerdings hatte ich da die Rechnung ohne meinen Bruder gemacht, denn er rief mich direkt zurück.
"Felix nimmt mir Milan in einer halben Stunde ab, dann komme ich dich abholen", erklärte er mir und dann war er es, der einfach auflegte und nicht auf eine Antwort von mir wartete.
"Ach warum ist das alles nur so kompliziert?", seufzte ich und strich mir über meinen Bauch.

Warum konnte es in meinem Leben nicht einmal einfach sein? Eigentlich wünschte ich mir im Augenblick nichts sehnlicher, als Marco hier an meiner Seite. Wünschte mir, dass er mir Halt gab, mich im Arm hielt und sich die gleichen Sorgen um unser Baby machen würde.

Aber er war nicht hier und er hatte nicht mal per WhatsApp gefragt, wie es mir und dem Baby ging. Wir waren ihm egal. Er hatte ja seine Scarlett.
"Warum muss ich deinen Daddy auch nur so lieben?", fragte ich verzweifelt und die ersten Tränen liefen schon wieder über meine Wangen.
Bis Fabi kam hatte ich mich zum Glück schon wieder beruhigt.

Besorgt brachte er mich ins Auto und auch während der Fahrt fanden besorgte Blicke ihren Weg zu mir.
“Mir geht es gut Fabi”, pampte ich ihn irgendwann genervt an.
“Na, da ist ja einer bei bester Laune.”
“Halt die Klappe!”, maulte ich. Fabi schwieg daraufhin, bis er das Auto in seiner Einfahrt abstellte und mich ansah:

“Pass mit deiner Laune auf. Zuhause wartete dein kleiner Sohn auf dich und dem geht es durch die Trennung nicht gerade gut.”
“Was willst du damit sagen?”, fragte ich ihn entsetzt.
“Milan geht es nicht gut. Und ganz ehrlich Mario, du kannst nichts mit Milan unternehmen. Du darfst deinen Hintern nicht aus dem Bett schwingen und so leid es mir tut, Lewy, Felix und ich haben auch ein Leben. Wir können uns nicht immer um Milan kümmern. Der Kleine braucht seine Väter”, hielt mir Fabi den Vortrag weiter.
“Worauf willst du hinaus?”, fragte ich scharf.
“Okay, hass mich jetzt bitte nicht. Aber für Milan wäre es vielleicht das Beste, wenn er zurück zu Marco nach Dortmund gehen würde. Marco kann sich um ihn kümmern, sein Leben ist auf Milan abgestimmt und du hättest hier genug Ruhe um dich um dich und euer zweites Kind zu kümmern-”
“Ich lasse mir mein Kind doch nicht wegnehmen! Von niemanden und erst recht nicht von Marco! Wie kannst du das nur unterstützen?! Du bist mein Bruder! Du solltest zu mir halten!”, schrie ich ihn wütend an.
“Ja Mario, ich bin dein Bruder. Und genau deswegen will ich auf dich und deinen Sohn aufpassen und für euch beide ist es das Beste, wenn Milan wieder bei Marco ist. Du brauchst Ruhe”, redete er eindringlich weiter auf mich ein.
“Nein, ich brauche einen Bruder, der mich unterstützt”, schrie ich ihn an.
“Mario, bitte beruhig dich oder ich bringe dich gleich zurück ins Krankenhaus”, drohte mir Fabi und ich schaute ihn wütend an. Wie konnte er es wagen, mir zu drohen?
“Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß”, pampte ich ihn an.
“Ihr seid mein Scheiß. Ihr seid meine Familie”, erklärte mir Fabi sanft, “deswegen mache ich mir ja solche Sorgen um euch. Denk doch bitte einmal zuerst an Milan und dann an dich”, flehte er mich an.
“Ich denke immer an Milan. Ich habe ihm von Anfang an von Marco erzählt”, verteidigte ich mich und mir kamen die Tränen in die Augen.

Wie konnte er mir das nur vorwerfen. Milan war mir wichtiger als alles andere. Ich hätte für ihn mein zweites Baby abgetrieben, damit es ihm gut geht.
“Dann tu doch jetzt bitte auch das Richtige. Milan braucht seine normale Umgebung. Seine Kita und seinen Vater, der den Rest des Tages aktiv für ihn da ist und mit ihm spielen kann. Der Kleine war am Ende, weil er nicht wusste, wie es dir geht. Es tut ihm nicht gut, dich während der Schwangerschaft so schwach zu sehnen. Bei noch einem Zwischenfall dreht er uns komplett durch”, versuchte es Fabi erneut und legte mir eine Hand auf die Schulter, “mir gefällt das doch auch nicht wirklich Mario, aber ich sehe keine andere, gute Alternative.”
“Wäre es wirklich das Beste?”, fragte ich unsicher.
“Ja. Ja, das ist es”, bestätigte mit Fabi.
“Ich denke drüber nach”, beendete ich das Gespräch und Fabi akzeptiere es. Gemeinsam verließen wir das Auto und betraten das Haus.
“Papa, du bist wieder da!”, wurde ich von meinem Sohn empfangen, der sofort auf mich zustürmte.

Vorsichtig kniete ich mich auf den Boden, um Milan in den Arm nehmen zu können. Ich genoss es meinen kleinen Sohn im Arm zu halten. Es war wie Balsam für meine Seele. Doch dann erstarrte mein Herz zu Eis.

Milan hatte angefangen zu weinen. Mein Sohn klammerte sich an mich und weinte Rotz und Wasser. Während ich darauf versuchte ihn zu beruhigen und zu trösten, glitt mein Blick zu meinen Brüdern, die uns mitleidig und bedauernd ansahen.
“Ruf Marco an”, hauchte ich tonlos.

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