Kapitel 48

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POV Mario

Diese Hoffnung zerschlug sich jedoch in den nächsten zwei Wochen komplett denn Marco zog sich immer mehr von mir zurück. Am Anfang hatte ich noch das Gefühl gehabt mir das einzubilden, doch so allmählich überkam mich das Gefühl, dass er mit Absicht so handelte. Wir redeten allgemein viel weniger als zuvor, was auch daran lag, dass Marco es sich zur Aufgabe gemacht hatte fast jeden Abend bei Marcel und Robin abzuhängen. Zuhause war er dementsprechend nicht mehr wirklich oft. Auch während dem Training mied er mich. In der letzten Zeit hatten wir oft wieder die Übungen zusammen durchgeführt, doch jetzt hielt er sich wieder an Auba.
Das Schlimmste daran war ja nicht mal, dass er nicht mit mir redete. Das Schlimmste war, dass er Milan vernachlässigte. Ich holte ihn jeden Tag aus der Kita ab, was Marco vor diesem Kuss öfters gemacht hatte. Milan litt unter der Situation denn er vermisste die Zeit mit Marco.
Doch heute musste er Zeit mit Milan verbringen denn André hatte sich zum Abendessen angekündigt und deshalb musste Marco anwesend sein.
Milan spielte gerade in seinem Zimmer mit seinen Autos während ich mich ums Essen kümmerte. Marco war heute morgen schon früh zu Marcel und Robin gefahren, was mich innerlich zum explodieren gebracht hatte. Doch für Milan hatte ich mich zusammengerissen denn er war viel zu klein um dieses ganze Theater zu verstehen. Er merkte sowieso schon, dass etwas nicht richtig lief. Ich hing beim Kochen die gesamte Zeit meinen Gedanken nach und ließ deshalb noch fast das Essen anbrennen. Doch zum Glück merkte ich es noch rechtzeitig und konnte das Essen von der Herdplatte nehmen. Irgendwann klingelte es an der Tür und ich öffnete diese so schnell ich konnte. André würde den Weg selbst finden, weshalb ich schonmal anfing den Tisch zu decken.
“Onkel André“, hörte ich Milans aufgeregte Stimme.
“Hey großer Mann. Wo hast du denn deine Papas gelassen?“, fragte er neugierig und kurz darauf standen die Beiden vor mir.
“Da Papa“, sagte Milan, ließ Andrés Hand los und zeigte auf mich.
Lächelnd nickte ich und ging auf die Beiden zu. André umarmte ich zur Begrüßung, bevor ich Milan auf meinen Arm hob.
“Wo ist denn Marco?“, harkte André erstaunt nach, nachdem er sich umgesehen hatte.
“Wo Papa?“, fragte jetzt auch Milan und ich war direkt genervt. Eigentlich sollte dieser Vollpfosten schon längst hier sein aber er hatte ja anscheinend wichtigeres zutun.
“Der kommt gleich. Ist noch bei Marcel und Robin“, sagte ich und versuchte mir dabei meine Wut und meine Traurigkeit nicht anmerken zu lassen.
Zum Glück ließ André das Thema auf sich beruhen und nahm mir stattdessen Milan ab, damit ich das Essen holen konnte. Kurze Zeit später saßen wir drei am Tisch und fingen schon mal an zu Essen.
“Es schmeckt wirklich toll Mario“, lobte mich André irgendwann und sogar Milan hatte das Gemüse probiert. Die Kita schien ihn wirklich gut zu tun.
“Papa macht lecker Essen“, meinte auch Milan begeistert und machte sich gleich über sein Stückchen Fleisch her.
In diesem Moment hörte ich einen Schlüssel in der Tür und ich schloss kurz meine Augen um meinen Ärger herunterzuschlucken. Als ich diese wieder öffnete stand der Vater meines Kindes bereits vor uns und sah André entschuldigend an.
“Ich hab mich verquatscht. Schön das du bei uns bist André“, sagte er und setzte sich letztendlich zu uns an den Tisch.
“Hallo Papa“, sagte Milan fröhlich und Marco beugte sich zu ihm damit er einen Kuss bekam.
“Hallo mein Schatz. Hast du schön gespielt?“, murmelte er und Milan nickte erfreut.
“Ja mit Autos. Da war Papas Auto“, meinte er stolz.
“Und was hat Papas Auto gemacht?“, versuchte ich mich mit einzubinden, bereute es aber kurz darauf.
“Papa und Papa haben Bussis gegeben“, war Milans einfache Antwort und mir flogen, im wahrsten Sinne des Wortes, alle Gesichtszüge herunter.
“Papa und Papa geben sich Bussis?“, nahm André die Antwort auf und Milan fing zu allem Überfluss auch noch an begeistert zu nicken. Hätte ich ihn bloß nicht angelogen aber ich war ja mal wieder so dämlich gewesen.
“Papa und Papa immer Bussis geben. Aber Papa sagt nur Bussis wenn Papa mit Papa alleine“, erklärte er so gut er konnte und André zog gekonnt eine Augenbraue hoch. Ich signalisierte ihm, dass er später eine Erklärung bekommen würde, doch als ich in Marcos Gesicht sah, schien mir die Erklärung nicht das größte Problem zu sein.
Während des gesamten restlichen Essens herrschte eine mehr als angespannte Stimmung. Marcos Blicke gegenüber mir sagten mehr als tausend Worte und am liebsten hätte ich mich heulend im Bett verkrochen. Milan wollte nach dem Essen noch etwas mit seinen Autos spielen, weshalb ich die Küche wieder auf Vordermann brachte. André und Marco blieben im Wohnzimmer und schauten Fußball. Wäre auch zu schön gewesen, wenn er mir mal geholfen hätte. Ich war gerade fertig geworden als Marco zu mir in die Küche kam und mich kurz musterte.
“André und ich gehen feiern. Warte nicht auf mich“, sagte er leicht desinteressiert und ehe ich etwas dazu sagen konnte war er auch schon verschwunden. Sprachlos sah ich ihm hinterher, ehe kurze Zeit später die Tür zuknallte.
Seufzend warf ich das Geschirrtuch in die Ecke und machte mich auf den Weg zu Milan. Ein Blick auf die Uhr hatte mir nämlich gezeigt, dass er langsam ins Bett musste.
Langsam kniete ich mich zu meinem Sohn herunter: “Hey mein Schatz. Es ist jetzt langsam Bettzeit.”
Sofort schüttelte Milan den Kopf und spielte unbekümmert mit seinen Autos weiter.
“Milan. Es ist jetzt Zeit fürs Bett“, sagte ich es noch mal etwas energischer, doch Milan kümmerte es nicht.
Leicht genervt stand ich auf und klemmte mir Milan unter den Arm. Dieser fing daraufhin an zu weinen und nach Marco zu rufen.
“Milan, ich bin doch hier. Wieso willst du denn nicht ins Bett?“, fragte ich behutsam und drückte Milan sanft an mich, doch dieser konnte sich einfach nicht beruhigen.
“Paaaapa... Papa Milan ins Bett“, schluchzte er und ab diesem Zeitpunkt hatte Marco komplett bei mir verschissen denn Milan fing an unter der Situation zu leiden.
“Der Papa musste noch mal ganz dringend mit Onkel André weg“, versuchte ich ihm zu erklären doch der Kleine war immer noch völlig aufgelöst.
“Papa nicht Milan lieb“, schniefte er und krallte sich richtig an mir fest. Beruhigend trug ich ihn erstmal ins Badezimmer und setzte mich mit ihm auf den Toilettendeckel.
“Schhhhh ist ja gut. Papa ist hier“, hauchte ich behutsam und presste den Kleinen fest an mich heran. Durch meine Schaukelbewegungen wurde er langsam ruhiger und fing an seinen Daumen in den Mund zu stecken.
“Milan Papa schlafen?“, fragte er irgendwann leise und sah mich durch seine verweinten Augen an.
“Natürlich. Wir gehen Zähne putzen und dann gehen wir beide schlafen okay?“, murmelte ich leise in sein Ohr und er nickte zustimmend.
Eine halbe Stunde später lagen wir beide in meinem großen Bett. Während der Gutenachtgeschichte war Milan endlich eingeschlafen und jetzt beobachtete ich ihn. Er sah so friedlich aus, wie er dort so lag und schlief. Seine Haare nahmen auch immer mehr die Farbe von Marcos Haaren an und es war immernoch erstaunlich wie ähnlich sie sich waren.
Ich, hingegen, konnte überhaupt nicht schlafen. Stattdessen hörte ich nur auf das Ticken des Weckers und wälzte mich unruhig hin und her. Hatte Marco der Kuss so zugesetzt, dass er jetzt alles aufs Spiel setzen musste? War ich ihm vielleicht doch egal?
Als Marco gegen halb Vier immer noch nicht da war, hatte ich die Schnauze voll. Wütend schlich ich in sein Zimmer und warf ich paar seiner Klamotten in eine Tasche. Diese Tasche stellte ich vor die Tür und streckte meinen Schlüssel von innen rein, damit Marco nicht reinkommen sollte.
Irgendwann dusselte ich dann doch weg bis mich zwei Stunden später das vibrieren meines Handys aus dem Schlaf riss. Es war Marco, der mich bei Whatsapp mit Nachrichten vollgespammt hatte. Murrend stand ich auf, lief zur Tür und öffnete diese mit einem Rück. Dort saß Marco auf der Treppe und hatte schon einen leicht glasigen Blick.
“Lass mich bitte rein“, bat er mich leise und wollte an mir vorbei huschen.
Demonstrativ schob ich ihn zurück und funkelte ihn wütend an: “Da ist deine Tasche. Du kannst wiederkommen, wenn du weißt was du willst.”
“Wie...wie meinst du das?“, fragte er entsetzt.
“Ganz einfach. Du benimmst dich wie ein Arschloch. Seit dem Kuss behandelst du mich wie der letzte Dreck. Das ist aber nicht das Schlimmste. Dein Sohn leidet unter der Situation. Er denkt, dass du ihn nicht mehr lieb hast und ich konnte ihn kaum beruhigen. Ich habe die Schnauze voll, Marco. Du bist nur noch bei Marcel und Robin. Ständig gehst du feiern und bist betrunken. Alles bleibt an mir hängen und ich kann nicht länger hinnehmen, dass Milan jeden Tag so leidet. Du hast drei Tage um dir darüber klar zu werden was das hier soll, sonst ist unser Projekt WG gescheitert“, damit schlug ich ihm die Tür vor der Nase zu.
Weinend ließ ich mich an der Tür herabsinken. Tränen liefen unaufhaltsam an meinen Wangen herunter und mir wurde bewusst, dass vielleicht alles zuende sein würde. Vielleicht hatte ich Marco für immer verloren doch das war besser als mich kaputt machen zu lassen. Er könnte Milan auch so ständig sehen und wenn es nur noch eine Zukunft in getrennten Wohnungen geben konnte, musste ich das akzeptieren. Für Milan würde ich immer mit dem Herzen entscheiden und so ging es einfach nicht mehr weiter.

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