Kapitel 46

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POV Mario

Nachdem wir uns fertig umgezogen hatten, liefen wir alle zusammen auf den Platz. Die ganze Zeit über blieb Milan erstmal an Marco’s Hand. Er sah sich jedoch alles genauestens an und seine Augen strahlten. Für Milan war das hier das Paradies und er wurde zunehmend zappeliger, weil er die Bälle schon am Rand liegen sah. Doch als Thomas den Platz betrat war er noch nicht in der Stimmung dazu mit dem Training anzufangen. Stattdessen redete er erstmal über seine Erwartungshaltung gegenüber uns. Das letzte Spiel war nämlich nicht sonderlich gut gelaufen.
“Mario?”, flüsterte Marco leise und deutete mit seinen Augen auf Milan, der krampfhaft versuchte sich von Marco's Hand zu lösen.
“Lass ihn”, hauchte ich lächelnd und Marco nickte kurz.
Kaum hatte er Milan losgelassen, war dieser schon freudig auf unseren Ballsack zugelaufen und nahm sich einen Ball heraus. Es sah einfach nur putzig aus, da der Ball fast größer als Milan zu sein schien. Als Milan auf dem Platz angekommen war, richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf unseren Trainer, der jetzt erst richtig bei seiner Standpauke angekommen war.
“Und deshalb erwarte ich ab jetzt von jedem Einzelnen absolute Konzentration. Die Zweikämpfe waren gerade bei der Abwehr eine Katastrophe. Roman kann das nicht alles alleine schaffen. Manchmal frage ich mich, ob wir hier Rasenhalma spielen. Zudem ist unsere Chancenverwertung im Moment nicht zufriedenstellend. Wir schießen zwar einige Tore aber vergeben zu viele Chancen”, redete er sich in Rage und niemand traute sich ihn zu unterbrechen. Jeder von uns wusste, dass Thomas ein sehr energischer Typ sein konnte und wenn er wütend war, sollte man besser einfach die Klappe halten.
“Wir werden heute definitiv erstmal laufen. Ich will euch schwitzen sehen. Danach werden wir ein Spiel machen und dabei wird jeder sein bestes geben”, herrschte er uns an und alle nickten stumm, bevor sie sich zum Laufen auf machten.
Ich lief einige Zeit locker neben Marco her und schaute dabei ab und an nach Milan, der immer noch mit dem Ball beschäftigt war. Doch ich merkte zunehmend wie meine Kondition nachließ, bis ich irgendwann hinter Marco zurück blieb. Ich war komplett ins Laufen vertieft, denn ich wollte endlich wieder angreifen und an meine früheren hundert Prozent herankommen. Stumm lief ich meine Runden, bis Milan’s Stimme die drückende Stille im Team durchbrach.
“TOOOOOR”, kreischte er und alle drehten sich verblüfft zu unserem kleinen Wunder um.
Dieser rannte auf die Eckfahne zu und machte in seinem Reus-Trikot den Affenjubel seines Papas nach. Er hielt sich die Hände vor die Augen und sein Lachen sorgte dafür, dass die Stimmung gelöster wurde.
Anschließend rannte er auf Marco zu und wippte stolz auf und ab.
“Milan hat Tor gemacht. Milan hat Tor gemacht. Wie Papa”, quietschte er und Marco hielt an, um unseren Sohn auf den Arm zu nehmen.
“Das hast du ganz toll gemacht mein Schatz”, lobte er ihn sanft und ich wusste, dass sich der Vater meines Kindes die Tränen wirklich verkneifen musste.
“Wie Papa. BVB hat Tor gemacht”, meinte er immer noch sichtlich begeistert und kuschelte sich an seinen Papa.
Lächelnd betrachtete ich die Szene. Meine Angst, dass Milan mich weniger lieben würde als Marco war in den letzten Wochen weniger geworden. Stattdessen genoss ich es einfach, dass Milan sich so gut mit seinem Vater verstand. Es war wichtig, dass Kinder beide Elternteile hatten und ich war einfach froh, dass Marco damals vor meiner Tür stand und sich mein Problem von selbst gelöst hatte. Ich war meinem Sohn unglaublich dankbar, denn Kinder handelten meistens nicht nach dem Unkompliziertesten sondern nach dem was sie fühlen und Milan fühlte damals seine Sehnsucht nach Marco.
“Sunny, nicht schlafen”, hörte ich Marco’s Stimme und ich löste meinen starren Blick.
“Genau. Papa nicht Heia machen”, tadelte mich Milan und streckte seine Arme nach mir aus.
Schmunzelnd nahm ich ihn auf den Arm und strich ihm sanft durch die blonden Haare. Dieses Mal schien ihn das nicht zu stören und ich ging einfach mit ihm auf den Platz. Wir spielten ihm eine Weile den Ball zu, denn Thomas hatte seinen Plan noch mal überdacht. Milan hatte ihn wohl so erstaunt, dass er erlaubt hatte kurz mit ihm zu spielen. Dabei hatte Milan sichtlich Spaß daran André und Schmelle zu ärgern, indem er immer wieder versuchte den Ball zu bekommen.
Irgendwann pfiff uns Thomas jedoch zusammen, um ein kleines Spiel zu spielen.
“Milan, wir müssen jetzt ein bisschen spielen. Du bleibst hier beim Thomas und schaust ein bisschen zu okay?”, sagte ich an ihn gewandt und er war inzwischen so ausgepowert, dass er nur nickte.
Er stellte sich zu Thomas und griff nach dessen Hand. Dieser lächelte meinen Sohn an und damit machte ich mich zufrieden zurück auf den Platz. Marco und ich waren in einem Team und unsere Zusammenarbeit klappte hervorragend. Wir harmonierten miteinander aber leider wollte der Ball absolut nicht ins Tor. Immer wieder schaffte es Roman den Ball zu klären und irgendwann ließ ich einen hysterischen Frustschrei los. Kurze Zeit später passte Marco den Ball wieder zu mir und ich rannte aufs Tor zu. Roman machte sich bereits bereit und ich schoss den Ball irgendwann einfach. Ich schloss kurz die Augen und hoffte, dass sich der Ball einfach beim Öffnen meiner Augen im Tor befinden würde.
“Hey!”, hörte ich plötzlich Roman’s Stimme und einige Lacher folgten.
Verwirrt öffnete ich ebenfalls meine Augen und konnte mir das Lachen bei diesem Anblick ebenfalls nicht verkneifen. Dort hing Milan an Romans Bein und der Ball befand sich im Tor.
“TOOOOR”, rief Milan wieder, “Mein Papa hat Tor gemacht. BVB ist Meister.”
Spätestens jetzt konnte sich keiner mehr halten und ich rannte auf meinen Sohn zu, der sich überglücklich in meine Arme warf. Marco kam kurz darauf auf uns zu und umarmte mich von hinten, sodass sein Kinn auf meiner Schulter lag. Und wieder fühlte es sich an als wären wir eine richtige Familie. Den Moment konnte einfach niemand mehr zerstören.
“Das Training ist für heute beendet”, entschied Thomas und kam noch mal zu uns herüber.
Milan ging mit André zurück in die Kabine, während Thomas noch bei uns blieb.
“Ich wollte euch nur sagen, dass ihr einen wundervollen Sohn habt. Ich habe selten so ein fußballbegeistertes Kind gesehen. Er hat unglaublich viel Talent”, erzählte er drauf los, “ihr könnt unglaublich stolz auf ihn sein.”
Er klopfte uns auf die Schulter und verschwand dann. Ich musterte Marco eine Weile, bis dieser mich einfach in eine feste Umarmung zog.
“Danke, dass du mir dieses Kind geschenkt hast. Oft habe ich mich gefragt was ich vorzuweisen habe. Jetzt weiß ich, dass Milan das größte Geschenk gewesen ist”, hauchte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
Sofort fing alles in mir an zu kribbeln, doch ich ließ es mir nicht anmerken. Stattdessen nahm ich Marco’s Hand und wir machten uns auf den Weg zu unserem Sohn. Dieser wartete bereits auf uns, weshalb wir uns mit duschen und umziehen beeilten. Keine fünfzehn Minuten später saßen wir in Marco's Auto.
“Meine Mutter hat uns gerade zum Grillen eingeladen. Ich...ich fänd es toll, wenn wir dahin gehen würden”, flüsterte ich, da Milan in seinem Sitz eingeschlafen war.
Marco wirkte ziemlich unentschlossen, nickte dann aber doch.

“Okay. Wir waren bei meinen Eltern zusammen also gehen wir jetzt zusammen zu deinen.”
Dankbar drückte ich seine Hand und schaute anschließend eine Weile aus dem Fenster. Das Wetter war erstaunlich gut und wir würden auf jeden Fall draußen sitzen können. Ich überließ es Marco unseren Sohn abzuschnallen und zu tragen, weil er sowieso schon unglaubliche Angst hatte meiner Familie gegenüber zu treten. Nachdem er Milan damals zu sich genommen hatte, war zumindest mein älterer Bruder noch oft skeptisch und ließ es Marco manchmal spüren.
“Freut mich, dass ihr hier seid”, begrüßte uns meine Mum.
Sie zog erst mich in eine Umarmung und dann umarmte sie zu meiner Freude auch Marco, der gleich viel entspannter wurde. Milan war durch die Umarmung zum Glück nicht wach geworden, weshalb wir gleich in den Garten durchgingen. Dort traf mich fast der Schlag.
“Ich hab mir gedacht es wäre schön, wenn wir Marco’s Familie etwas besser kennen lernen. Immerhin haben wir nun ein kleines Wunder, welches eine ausgeglichene Familie haben soll”, erwiderte meine Mum, zwinkerte mir zu und lief dann zu Marco's Mutter herüber, um mit ihr zu quatschen.
“Ich fand deine Mum schon immer toll”, meinte Marco nur grinsend und wir liefen erstmal durch den Garten, um alle zu begrüßen.
Selbst meine Brüder waren für dieses Wochenende aus München hergekommen. Ich fiel ihnen begeistert in die Arme und erkundigte mich nach Lewy, der leider in München bleiben musste.
Marco war währenddessen bei seinen Schwestern angelangt und unterhielt sich angeregt mit ihnen. Irgendwann rief uns mein Vater zum Essen und wir ließen uns alle an dem riesigen Tisch fallen.
“Ich freue mich, dass ihr alle hier seid. Ich habe gedacht, dass es für Milan toll wäre endlich seine ganze Familie um sich zu haben, doch jetzt schläft der kleine Engel. Vielleicht wird er im Laufe des Abends noch wach und ich hoffe, dass er das hier dann genauso genießt, wie ich gerade”, warf meine Mutter ein und hob ihr Glas.
Glücklich stießen wir alle an und die Stimmung war wirklich ausgelassen. Selbst Fabian redete eine Weile mit Marco, was mich unglaublich glücklich machte.

Nach dem Essen wurde Milan langsam wach und er aß noch eine Kleinigkeit, bevor er Nico zeigte, wo er bei Oma und Opa draußen sein kleines Reich hatte. Während die beiden spielten, nährten sich unsere Familien immer weiter an und sie verstanden sich alle prächtig. Immer wieder konnte ich die heimlichen Blicke meiner Mum auf uns spüren, denn sie schien zu merken, dass meine Gefühle für Marco weit über Freundschaft hinausgingen.
“Mario, Marco, ihr könnt heute zusammen mit Milan im Gästezimmer schlafen. Es ist schon spät und ihr müsst dann nicht mehr fahren”, entschied meine Mutter und am liebsten hätte ich sie dafür im ersten Moment gewürgt, denn ich hatte oft noch Angst vor der Nähe zu Marco.
Doch dieser wirkte wirklich begeistert:”Danke Astrid. Ich bin wirklich sehr kaputt.”
Im Laufe des Abends waren wir alle beim Duzen angekommen und irgendwie erleichtere es die Stimmung noch mehr. Da es schon spät war, verschwanden alle nach und nach. Fabian und Felix hatten es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht und meine Eltern waren bereits in ihrem Schlafzimmer.
Ich nahm es mir zur Aufgabe unseren Sohn bettfertig zu machen. Als wir wiederkamen lag Marco bereits nur mit Boxern im Bett und ich legte Milan auf seine Brust, damit ich mich ebenfalls fertig machen konnte.
Kurze Zeit später hatte ich es mir neben Marco gemütlich gemacht und Milan schlief bereits seelenruhig zwischen uns. Ich fuhr Milan nochmal sanft durch die Haare und beschloss dann Marco einen Gutenachtkuss auf die Wange zu geben. Ich war knapp an seiner Wange angekommen, als ich leicht abrutschte und seinen Mundwinkel traf. Marco ignorierte diesen Teil aber perfekt und wünschte mir stattdessen eine gute Nacht. Ich schlief irgendwann mit einem Lächeln auf den Lippen ein und freute mich einfach die beiden neben mir liegen zu haben.

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