Kapitel 5.1.1 - Alices Missetaten

389 35 0
                                    

„Alec, wo willst", Isabellas Worte verhallten in der Leere. Sie warf einen Blick zu Larraby, der die Pergamente zusammenraffte. Sie warteten ungeduldig bis plötzlich Schritte zuhören waren, sowie eine Frauenstimme. Die Tür glitt auf und Alfred, einer der letzten beiden Soldaten, die nicht mit Thomas nach Carlisle geritten waren, und ein weiterer traten ins Arbeitszimmer, gefolgt von einer angeschlagenen Alice de Warenne. Alec schritt hinter ihnen ein und verschloss die Tür. Alice blickte ihn finster an:
„Was soll ich hier? Wann werdet Ihr mich frei lassen?! Ich werde das dem König melden, seid darauf gefasst", warnte sie scharfzüngig, dann wandte sie sich um: „Was tut den dieses Frauenzimmer hier?" Alec deutete auf den Sessel am Schreibtisch und sie liess sich widerwillig nieder. Voller Missmut war sein Blick:
„Sie ist eure Nichte", sagte er scharf und leise. Aus ihrem Gesicht wich alle Farbe, was sie noch kränker erscheinen liess. Sofort wechselte ihr Ton wieder und rote Flecken bildeten sich auf Wange und Hals ab. Ihr Kiefer hatte sie nach oben gereckt und warf einen vernichtenden Blick auf Isabella, bevor sie antwortete:
„Schön... mag sein." Alec schritt rasch auf sie zu und packte sie am Kinn:
„Oh nein. Jetzt spielen wir nach meinen Regeln!", donnerte er, während sie versuchte seine grobe Hand wegzuziehen.
„Ihr tut mir weh!", erwiderte sie genauso erbost. Er stiess sie in den Sessel zurück und ging auf die andere Seite des Tisches:
„Mister Larraby halten Sie nun jedes Wort schriftlich fest. Ich will, dass ich dem Rat und dem König eine Abschrift ausstellen kann." Alice sah verunsichert zu dem Anwalt, der sofort eine Feder zückte und sich an die kurze Seite des Tisches setzte. „Ihr gehört zur Familie Talbot. George war Euer Bruder, ebenso wie Anne. Isabellas Mutter." Alice blickte Alec missmutig und wütend an, doch er fuhr fort: „Die gesamte Familiengeschichte war eine Farce, gelogen bis ins letzte Detail." Sie blickte stumm und hasserfüllt zurück, als sie nach einer Weile nichts erwiderte, sagte Alec: „Wisst Ihr worin Euer Bruder angeklagt wird? Wegen Verrat und böser Machenschaften. Wäre er nicht schon durch mich gestorben, so hätte der Strick auf ihn gewartet oder das Rad." Alice schnaubte verächtlich und Alec schien seine Taktik zu ändern: „Wisst Ihr, welche Frage ich mir jetzt stelle, nun da ich weiss, dass Ihr seine Schwester seid?"
„Ich habe nichts mit den widerlichen Machenschaften meines Bruders zu tun gehabt", brach sie heraus. „Ich wusste nicht einmal, bis er hier eintraf, dass sie", und sie nickte zu Isabella, „die Tochter von Anne ist oder was sich in den letzten Jahren abgespielt hatte. Wie schon gesagt, ich war in Frankreich."
„Gut, Ihr behauptet also weiterhin nichts davon gewusst zu haben, dass er meine Frau entführt und meine Männer mit seinen Söldnern gefoltert hat?!" Sie blickte ihn stur an. „Soll ich Euch sagen, wie das aussieht? Es bedeutet für den König und den Rat, dass Ihr Euch mit ihm verbündet habt... und da George Talbot nicht mehr ist, wer glaubt Ihr, wird für seine Sünden bezahlen?" Alice schlug mit den Fäusten auf den Tisch und erhob sich. Aber diese Geste hatte keine Wirkung, im Gegensatz zu Alec war sie immer noch kleiner.
„Ich habe nichts getan!", schrie sie ihn aus Leibeskräften an.
„Ihr habt also nichts getan!", wiederholte Alec zähneknirschend und Isabella wusste, wie sehr seine Wut brodelte. „Wie wäre es dann mit Euren eigenen Verbrechen? Den Tollkirschen, die Ihr meinem Vater verabreicht habt? Die Brechnuss mit dem Ihr ihn getötet habt und mit weiss was ich alles noch für Arzneien, mit denen Ihr ihn krank gemacht habt?!" Alice hatte den Kopf gesenkt und schüttelte ihn stur. „Sagt etwas! Ich weiss es und die beiden auch! Meine Ehefrau hat Euch gesehen an jenem Morgen als mein Vater endgültig starb... sie hat die Brechnuss erkannt und auch die Tollkirschen."
„Neiin!", schrie sie wieder. „Was weiss dieses dumme Ding schon davon!"
„Hütet Eure Zunge!", brüllte nun Alexander. Isabella streckte ihre Hand aus, um Alecs Arm zu berühren und ihn zu beruhigen, aber er machte gerade einen Schritt auf die Seite. „Sie ist meine Ehefrau und trägt nun einen Titel! Sie ist die Countess of Cumberland, wie die Countess of Surrey, Ihr werdet sie mit dem Respekt behandeln, der ihr gebührt!" Alice schüttelte noch immer ihren Kopf und Isabella sah, wie ihr eine Träne die Wange hinab lief. Schrecklich dachte sie. Alles woran Alice gehangen hatte, der Titel, ihre Position war nun fort. Eine Stimme durchbrach den Raum. Alle wandten sich um und sahen wie Elaine in der Tür stand und zu ihnen hinlief. Sie trat auf ihre Mutter zu, aber Alec hielt sie zurück: „Nein Elaine, verlass dieses Zimmer", sagte er und versuchte Fassung zu bewahren. Alice wischte sich die einzelne Träne ab. Elaine riss sich los und stand ihrer Mutter zur Seite:
„Alec! Um Himmelswillen was hat sie nur getan? Sieh, wie krank und schlecht sie aussieht!", verteidigte sie ihre Mutter.
„Elaine", donnerte Alec, aber Isabella schaltete sich nun ein.
„Alec", er warf einen Blick zu ihr und sie sah, wie tief betrübt er war, „lass sie hier", meinte Isabella und Alec kniff die Augen zusammen. Sie wusste, dass er seine Schwester nur schützen wollte, aber sie musste die Wahrheit hören. Alice schien sich nun, da ihre Tochter hier war, wieder etwas stärker zu fühlen:
„Das ist eine infame Lüge Eurer dreckigen Hurenfrau! Sie wollte schon von Anfang an nur diesen Titel!" Ohne dass Isabella noch ein Wort sagen konnte, um Alec zu beschwichtigen, fegte er in voller Empörung die Utensilien, die auf dem Tisch standen, weg. Alice und Elaine erschraken und zuckten zurück. Seine Schwiegermutter schien erschüttert und Elaine wirkte wütend, aber sie erwiderte kein Wort.
„Ich habe Euch eben gesagt; ich lasse es nicht zu, dass Ihr so über meine Ehefrau sprecht!", donnerte er mit kaltem Zorn in der Stimme. Sein Blick wandte er von Alice ab und trat zurück. Isabella wusste, dass er versuchte sich zu beruhigen, vor allem jetzt wo Elaine hier war. Die Arme auf dem Rücken verschränkt lief er auf und ab, dann blieb er stehen, ruhiger als zuvor. „Hat er Euch den gar nichts bedeutet?", fragte er tonlos. Dies waren die ersten Worte, so erschien es Isabella, die Alice bis ins Innerste berührten. Sie schluckte mehrmals und blickte Alec verständnislos an:
Bedeutet?!", sagte sie hohl und schüttelte die Hände von Elaine ab. Alice de Warenne starrte Alexander an: „Bedeutet! Er hat mir alles bedeutet!", rief sie. Alec schüttelte den Kopf hoffnungslos:
„Wieso habt Ihr es dann getan?", fragte er resigniert. Elaine sah von Alec zu ihrer Mutter:
„Was getan Mutter, wovon spricht er?" Alice begann sich hin und her zu wiegen und starrte stur geradeaus. Ihre Hände hatte sie verkrampft im Schoss gefaltet:
„Alle haben sie mich benutzt", sagte Alice schliesslich sachlich. Sie schien die Wörter richtig hinaus zu pressen: „Meine Eltern... Euer Vater", sagte sie verbittert. „Ich war nur ein Kind... ein Mittel zum Zweck. Meine Eltern hatten mich nach Annes Versagen nach Frankreich geschickt. Sie haben mir eingebläut ich solle unseren Verwandtschaftszweig nicht offenlegen, da meine grosse Schwester unsere Familie in Schande gebracht hatte. Nach einigen Jahren haben sie mich wieder nach England geholt... alles im Geheimen." Der aufkommende Zorn liess ihre Stimme zittern und Isabella spürte, wie viel Leid sie erlitten hatte. „Sie haben mich wieder zu sich genommen, sich um mich gekümmert. Ich hatte geglaubt sie würden sich freuen, dass sie nun ihre einzige Tochter, die ihnen geblieben war, wieder um sich hatten, aber nein! Sie trugen mir auf, dies zu vollenden was meine Schwester nicht geschafft hatte. Ich sollte den Witwer John de Warenne heiraten, damit die Familie endlich die Position erhielt, die ihrer Meinung nach ihnen zustand. Ich musste all die Raffinessen und Feinheiten, die ich in Frankreich kennengelernt hatte, anwenden, um überhaupt von Eurem Vater beachtet zu werden. Als es soweit war sorgten meine Eltern dafür, dass er gezwungen war mich zu ehelichen... Er tat es." Sie ballte ihre Hände zu Fäusten: „Anfangs hatte ich geglaubt er würde seine Düsternis für mich verlassen und hätten wir nur ein gemeinsames Kind, so würde er mich lieben lernen", ihre Stimme klang nun seltsam hell und zerbrechlich, „Elaine wurde geboren und ja, sie war sein Sonnenschein und er hatte sie geliebt. Aber für mich... war kein Platz in seinem Herzen. Er liebte seine Söhne, die ihm seine geliebte Frau geschenkt hatte, er liebte Elaine, aber egal was ich tat, er liebte mich nicht." Die klammen Worte klangen in Isabellas Ohren nach, der Schmerz war fühlbar. „Er teilte immer seltener das Bett mit mir, bis er es ganz liess." Elaine legte ihre Hände auf die Schultern ihrer Mutter. „Als ich vor Jahren meinen Bruder wieder in der Gesellschaft getroffen habe, hatte er mich verspottet. Wie sehr unsere Eltern darunter leiden würden, dass auch ich versagt habe... nicht einmal fähig einen Erben in die Welt zu setzen", meinte sie mit einem arroganten Blick. „Ich unternahm einen weiteren Versuch meinen Ehemann an seine Pflicht zu erinnern." Sie schloss die Augen und zog scharf die Luft zwischen ihren Zähnen hindurch: „Aber er sagte, er hätte bereits zwei Erben von seiner geliebten Frau. Er bräuchte keine weiteren... und mich auch nicht." Der letzte Satz sprach sie ganz leise aus, aber alle hatten ihn gehört. Alice schwieg eine Weile und dann blickte sie auf. Ihr Blick war kühl und klar: „Ich war es leid, er hatte es nicht anders verdient", wisperte sie. „Meine Eltern schienen meine Absicht zu erahnen und rieten mir die gesamte Familie der de Warennes auszulöschen." Sie sagte den letzten Satz so sachlich, dass es Isabella eine Gänsehaut bescherte. Elaine keuchte auf und trat von ihr zurück. Entgeistert starrte sie ihre Mutter an. Verzweifelt schüttelte sie ihren Kopf und Isabella sah, wie ihre Augen sich mit Tränen zu füllen begannen bis schliesslich eine ihre Wangen hinab rann:
„Nein", murmelte Elaine hinter ihrer Hand und Isabella lief zu ihr, nahm sie in die Arme. Alice sah ihre Tochter kurz an und wandte dann ihre Augen von ihr ab:
„Wenn kein Erbe mehr hier wäre, so hätte Elaine, als Nachfolgerin, wenn sie sich vermählt hätte, antreten können... so sieht es das Gesetz in Ausnahmefällen vor, hatten sie mir gesagt." Ihre Worte hallten in dem stillen Raum nach und nur die leisen Schluchzer von Elaine durchbrachen sie. Dann sagte Alec:
„Eine Tötung ist dir gelungen." Seine Stimme war merkwürdig verzerrt. Elaine begann in Isabellas Armen zu zittern. „Wie hast du es getan?", wollte er genau wissen. Seine Stiefmutter blinzelte als sie antwortete:
„Ich entschied mich für einen qualvollen Tod... ich habe ihm Kräuter und Arzneien verabreicht, die ihm seinen Verstand raubten, doch er war widerspenstig", da erglomm die gefährlich arrogante Ader wieder, die Isabella daran erinnerte, dass Alice eine unangenehme Persönlichkeit besass. „Ich verabreichte ihm Arzneien, von denen ich glaubte, sie würden meiner Sache dienlich sein... aber es zog sich dahin. Meine Eltern wollten wissen, wie weit mein Plan schon ausgereift war und als sie erfuhren, dass er noch nicht bald dieses Leben verlassen würde, sendeten sie mir einen Diener. Er besorgte stärkere Substanzen und riet mir langsam und bedächtig vorzugehen, damit kein Verdacht entstünde." Elaine fing an heftig zu schluchzen und barg ihren Schopf an Isabellas Schulter. Dies liess die Stimme von Alice leicht erzittern, doch sie sprach weiter: „Rickard und dir wollte ich einen schnellen Tod bescheren, daher der Jagdausflug und die präparierte Treppe. Nur leider hat dieser vollkommene débile von Carson fast alles ruiniert, als er aus der präparierten Alkoholflasche im Zimmer deines Vaters einen Drink zu sich genommen hatte." Alec lachte hämisch auf:
„Du warst also gütig und wolltest, dass Rickard und ich nicht allzu sehr leiden müssten?!" Der Zorn kehrte scheinbar in Alec zurück. Alice de Warenne begegnete seinem Blick überheblich, wie eh und je:
„Allerdings, aber meine Pläne schlugen fehl. Mein Diener überbrachte mir Nachrichten von meinen Eltern. Sie empfahlen mir die Ehe zwischen Sinead", sie sprach es verächtlich aus, „und eurem Vater für ungültig erklären zu lassen. Damit hätte ich euch zu Bastarden gemacht und möglicherweise könnten wir für Elaine eine Legitimation erreichen, in der sie den Titel, der de Warennes beanspruchte, falls sie sofort heiraten würde. Aber mittlerweile war es mir egal", sagte sie gelangweilt. „Ich wollte endlich einmal für mich leben und frei sein." Sie reckte ihr Kinn und wandte ihren Blick nicht von Alec ab.
„Was du anscheinend auch getan hast... nach Elaines Worten in ihrem Brief an mich." Sie sah zu ihrer Tochter, die zwischenzeitlich durch Isabellas Arme geblinzelt hatte. Die Countess Witwe wirkte überrascht:
„Du hast also davon gehört", sagte Alice ungerührt.
„Dem ist so." Alec fixierte sie. In seinem Gesicht spiegelten sich Abscheu und Mitleid: „Ich habe nichts mehr was ich dich fragen könnte." Mister Larraby räusperte sich. Alec sah zu ihm hinab und nickte.
„Ich würde gerne noch die Dokumente ansprechen", Larabby sah zu Alice de Warenne. Sie hob eine Augenbraue. Er kramte in seinem Papierstapel und zog drei Pergamente hervor: „Diese Dokumente wurden gefälscht und sind ausserdem inhaltlich ungültig", erklärte er und sah zu Alice. „Damit Elaine vom Earl als Alleinerbin hätte eingesetzt werden können, müssten Alexander und Rickard de Warenne zum Zeitpunkt der Dokumentenerstellung schon den Tod gefunden haben. Was nicht der Fall ist. Ausserdem ist die Liste der Erbgegenstände unvollständig. Einige essentielle Erbstücke wurden von der Liste entfernt." Mister Larraby blickte auf das Pergament und las vor: „Zum Beispiel das Anwesen vom Distrikt Blackheath in Cranleigh, die Erholungsstätte in Tandridges Bletchingley, Gemälde diverser Maler"
„Das reicht", unterbrach ihn Alice bestimmt. „Ich weiss, welche Dinge von der Liste gestrichen wurden. Die Dokumente wurden mir über meinen Diener zugestellt. Die gestrichenen Erbstücke wurden in einem weiteren Dokument der Familie Talbot übertragen." Mister Larraby hielt ein weiteres Pergament in die Luft:
„Richtig. Dieses hier. Es hätte Gültigkeit errungen, wenn Sie es einem Notar zur Zweitunterschrift übergeben hätten, aber ich nehme an, das haben Sie vergessen?" Alice sah ihm verachtend entgegen. Larraby fummelte an seiner Westentasche herum und zog ein zerknittertes Bündel Pergamente hervor. Er hielt sie zu Alec hin. Alec streckte die Hand danach aus und sah hinab:
„Mein Vater hat gewusst, dass jemand nach seinem Leben trachtete." Alice wirkte verblüfft und Alec erwiderte: „Nur glaubte er wir, seine Söhne, würden es tun... er starb mit dem Gedanken es verdient zu haben und für seine Sünden zu büssen." Er legte die Pergamente auf den Tisch und sah zu Isabella und Elaine. Seine Schwester schluckte und Isabella liess sie los. Zögernd schritt sie auf ihren Bruder zu und er umarmte sie herzlich. Dann sprach er weiter: „Ich enthebe dich all deiner Rechte, die du bisher noch besessen hattest. Dir wird der Prozess im Court of Kings Bench gemacht, bis dahin bleibst du eine Gefangene in deinem Gemach. Führt sie ab", sagte er an die Soldaten gewandt. Mister Larraby kritzelte eifrig auf seine Pergamente nieder. Als Alice von den Wachen zur Tür gestossen wurde, wandte sie sich an Elaine:
„Ich habe alles zu deinem Besten getan meine Tochter! Du wirst immer mein Fleisch und Blut sein!", presste sie hervor als die Wachen sie aus der Tür buxierten. Elaine sah teilnahmslos zu und hing in Alecs Armen. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss und Alec wandte sich sofort an seine Schwester:
„Elaine!", er drückte sie an sich. „Dir wird nichts geschehen!" Elaine vergrub ihr Gesicht an Alecs Brust:
„Es tut mir so leid!", schluchzte sie.
„Du trägst keine Schuld... und du bist nicht nur ihr Fleisch und Blut, auch meines."
„Ich veranlasse, dass Molly dir dein Schlafgewand bringt und etwas zur Beruhigung. Das wird dir helfen wenigstens etwas zu schlafen", sagte Isabella. Elaine sah zu ihr. „Du wirst heute bei Alec und mir übernachten, einverstanden?" An Alec gewandt sagte sie: „Bring sie ins Bett. Ich gehe zu Molly." Elaine wirkte erleichtert und gemeinsam verliessen sie das Arbeitszimmer.
Der Schock sass tief. Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer im gesamten Herrenhaus verbreitet und noch weit darüber hinaus. Elaine litt seit diesem verhängnisvollen Abend an Alpträumen. Alec und Rickard hielten abwechselnd Wache an ihrem Bett und versuchten sie zu beruhigen. Egan Larraby hatte seine Arbeit zuverlässig erledigt und war zur Niederschrift nach London zurückgekehrt. Er würde zum Prozess im Palace of Westminster erscheinen und den Fall vor dem Gericht vortragen. Die Tat, die Alice begannen hatte, war zweifellos schrecklich und zeigte den wahren zügellosen Charakter von Alecs Stiefmutter. Aber Isabella kam nicht umhin, dass sie auf die eine oder andere Weise Mitleid mit Alice empfand. Sie hatte jahrelang gelitten und wurde von ihren Eltern benutzt, damit sie die Tür in eine wohlhabendere Gesellschaft öffnete. Leider musste sie sich eingestehen hatte auch Alecs Vater dazu beigetragen, dass Alice weiter in ihren Abgrund fiel. Er hatte ihr verweigert, was sie sich sehnlichst gewünscht hatte. Liebe. Dafür hatte er einen Preis bezahlt. Was John de Warenne schliesslich dazu getrieben hatte, sie doch noch zu heiraten, sie aber nicht an sich heran zu lassen, würde wohl immer ein Geheimnis bleiben. Isabella spürte, wie Alec scheinbar mit denselben Gedanken haderte. Das Urteil am Kings Bench Court konnte nur auf eine Art lauten; Tod. Die Beweise, die Alice hinterlassen hatte und der Umstand, dass ihr Bruder ebenfalls Gräueltaten begangen hatte, würden die Richter und selbst den König nicht zu einer milderen Strafe bringen können. Alec hatte Moris verhaften und ihn zum Tower schicken lassen. Ihn erwartete eine ebensolche Strafe, wie seine Herrin. Niemals hatten sie darüber gesprochen, schon gar nicht wenn Elaine anwesend war, doch es brannte im Bewusstsein aller.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt