Ω
Es war ein merkwürdiges Gefühl als sie langsam ihre Augen aufschlug. Ihr Kopf war seltsam leer und sie fühlte sich schwer, als würde sie von der Matratze nach innen gezogen werden. Ihre Glieder schmerzten, als hätten sie lange Zeit in derselben Position verharrt. Isabella fühlte sich geborgen und ausgeschlafen. Sie sah, dass sie in einem Himmelbett lag. Draussen war es Dunkel, aber der Mond warf seine schimmernden Strahlen in das Zimmer. Das Feuer knisterte laut. Was war passiert? Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen und sich zu erinnern. Sie waren von Carlisle aufgebrochen, um nach Surrey zu reiten... weil Elaine in Gefahr war. Sie blinzelte und betrachtete ihre Schlafstatt. Diese war ihr bekannt. Im Mondlicht sah sie die Europakarte an der Decke. Sie lag also in Surrey im Bett ihres Mannes. Dies musste bedeuten, dass Alexander Talbot erledigt hatte. Erleichterung machte sich in ihr breit. Sie fuhr mit ihrer Hand über das Laken. Isabella spürte, dass etwas Schweres auf der Seite ihrer Matratze lag und sie wandte ihren Kopf nach rechts. Im Schimmer des Feuers erkannte sie Alexander, der mit ausgebreiteten Armen, mit dem Kopf nach rechts, auf seiner Brust schlief. Sie hatte nicht die Kraft ihren Arm ganz zu heben und tastete nur mit ihren Fingern über die Decke bis sie Alecs Hand spürte. Er schien tief und fest zu schlafen. Sie fühlte seine vertraute Haut und passierte mit ihren Fingerspitzen den gesamten Handrücken, bis sie seine ganze Hand unter ihrer gewahrte. Leicht tippte sie mit ihren Fingern darüber. Er regte sich und sah sich um. Als er in ihre Richtung sah, rief er ihren Namen und setzte sich dicht neben sie. Isabella lächelte ihm aufmunternd zu, nannte seinen Namen und hörte wie schwach ihre Stimme klang. Er sprang auf und rannte in den Flur. Als er zurückkam, setzte er sich wieder neben sie. Isabella konnte nicht weiter Schweigen und fragte:
„Was ist geschehen?" Alec blickte sie an und seine Hand ruhte an ihrem Gesicht:
„Ich dachte, ich hätte dich verloren Isabella. Ich hatte geglaubt du hättest mich verlassen." Isabellas Herz quälte sie. Sie hörte den Schmerz und die Angst aus seiner Stimme und sah wie seine Augen in Tränen schwammen. Er umarmte sie noch einmal und drückte sie an seine Brust. Dieses Mal legte sie ihre Hand an seine Wange:
„Alec", sagte sie leise und er küsste sie. Er küsste sie wie ein Mann, der nach langer Reise zurückgekommen war und diesen Kuss in seinen Träumen ersehnt hatte. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuss. Sie wollte ihm versichern, dass sie ihn nicht verlassen würde und sie nichts anderes erwünscht hatte, als ihn an ihrer Seite zu wissen.
„Ach Gott sei Dank!", rief eine weibliche Stimme. Alec und Isabella lösten sich aus ihrer innigen Umarmung und sie blickte zur Tür. Einige Leute waren in das Zimmer geströmt und standen nur mit ihren Morgenmänteln bekleidet da. Elaine, Molly, Thomas, Alfred, Carson und andere Soldaten von Alexanders Garde. Hinter ihnen, noch in der Türangel, stand Rickard. Molly und Elaine kamen an ihr Krankenlager und umarmten sie herzlich. Alfred und die Soldaten lächelten herüber und nach einem kurzen Gruss, zogen sie sich aus dem Schlafgemach zurück. Carson nickte erleichtert und meinte:
„Mylady. Wir alle sind äusserst froh Sie wieder wach zu sehen und verzeihen Sie mir, dass ich während Ihres Aufenthaltes nichts davon gemerkt habe, welchem Stand Sie angehören", schloss er etwas bitter.
„Carson", sagte Isabella und versuchte sich aufzurichten. Elaine und Molly stützen sie und legten ihr ein Kissen in den Rücken. „Ich möchte mich für mein Falschspiel entschuldigen, doch ich habe leider keinen anderen Ausweg gefunden. Sie waren mir und ich hoffe Sie sind es noch immer, ein guter Freund."
„Selbstverständlich Mylady. Ich werde Ihnen etwas zur Erfrischung bringen", meinte er und ging zur Tür.
„Ja", sagte Molly und erhob sich, „ich werde helfen", dann sah sie zu Isabella. „Meine Liebe, ich bin so froh, dass Ihr wieder wach seid", und warf einen Blick auf Alexander. Sie schniefte laut und schloss sich Carson an. Thomas hatte sich neben Alexander gestellt, doch Rickard stand immer noch in der Tür. Sie blickte zu ihm und dann bemerkte auch Alexander seinen Bruder, doch er schwieg. Isabella fühlte die Unsicherheit zwischen den beiden Brüdern.
„Rickard, nach all dieser gemeinsamen Zeit, trittst du nicht an mein Bett?", fragte sie mit kratziger Stimme.
„Schone dich", warnte Alec abermals. Rickard trat ins Zimmer:
„Er hat recht, schon dich." Aber Isabella schüttelte den Kopf:
„Du hast dir nichts", sie hustete, „nichts vorzuwerfen." Sie streckte ihre Hand nach ihm aus. Nach anfänglichem Zögern nahm er sie und sah sie mit schweren Augen an. Er schien schon Tage lang nicht geschlafen zu haben. Isabella lehnte sich müde ins Kissen zurück und sah Rickard an. Sie waren in diesen Monaten zu guten Freunden geworden und sie sah, wie sehr er litt. „Was ist passiert?", fragte sie an Alec und Rickard gewandt. Rickard blickte verunsichert zu seinem grossen Bruder. Alec sah Isabella an:
„Du bist zusammengebrochen", begann er, doch Isabella unterbrach ihn:
„Ich hatte gemeint zwischen dir und deinem Bruder." Alec kniff seine Lippen aufeinander und Elaine sagte:
„Rickard kann sich nicht verzeihen was geschehen ist und Alec", sie sah ihre Brüder an, „und Alec war in den letzten Tagen seit deinem Zusammenbruch immer an deiner Seite." Beide Brüder wirkten bedrückt.
„Was geschehen ist, ist geschehen.... Niemand trägt Schuld daran." Sie holte tief Luft: „Rickard hat alles dafür gegeben mein Leben zu schützen", es war wichtig, dass sie das los wurde, „er musste mich zurücklassen, weil ich es ihm und den Männern befohlen habe." Dies war zu viel. Sie spürte, wie es ihr schwindelte und sie schloss ihre Lider. Sie spürte Alec sofort an ihrer Seite.
„Das hier ist weder der Ort noch der richtige Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren", meinte er streng und legte seine Hand auf ihre Stirn. „Ich werfe Rickard nichts vor. Ich bin nur froh, dass es euch allen gut geht und ihr noch lebt." Isabella nickte und öffnete ihre Augen. Sie blickte zu Rickard und er schluckte:
„Ich weiss... ich bin auch froh, dass alles gut ausgegangen ist", er erhob sich. „Ich möchte nicht weiter stören."
„Ich schliesse mich an", meinte Thomas und gab ihr einen Handkuss. Als die Tür ins Schloss fiel, sah sie zu Alexander:
„Ich will nur nicht", setzte sie an.
„Du kannst es nicht lassen, oder?", meinte Alec kopfschüttelnd. „Nun kümmern wir uns erst einmal um dich. Du warst an der Schwelle des Todes! Es wird dir noch genügend Zeit bleiben dich danach in die Beziehung zwischen mir und Rickard einzumischen", meinte er murrend. Elaine lachte. Sie hielt ihr ein Glas hin und Isabella trank. Erst jetzt bemerkte sie, wie durstig sie eigentlich war. Als Elaine ihr leeres Glas entgegennahm, lächelte sie ihr zu:
„Ich bin so froh... du und Alec. Ich wusste, dass ihr zusammengehört und jetzt werde ich bald Tante", schwärmte sie und ihre Wangen glühten.
„Elaine", mahnte sie Alec.
„Was denn? Ich hatte gewusst, dass sie diejenige welche ist", dann wurde ihr Blick ernst. „Ich muss etwas gestehen", sagte sie und zog aus ihrem Morgenmantel mehrere zusammengefaltete Pergamente, „ich habe die Dokumente im kleinen Gartenhäuschen deiner Mutter gefunden", und reichte Alec die Papiere. Isabella wusste sofort, um was für Papiere es sich handelte.
„Du hattest sie also doch?", meinte Alec tadelnd. „Elaine, wie konntest du dich in solche Schwierigkeiten bringen?" Elaine reckte ihr Kinn:
„Ich habe mich nicht in Schwierigkeiten gebracht. Niemand wusste, dass ich die Papiere genommen hatte", meinte sie verteidigend.
„Dass dachtest du Elaine! Solche Verbrecher, wie Talbot sind nicht dumm. Früher oder später - und Talbot hatte bei unserem Eintreffen vor dich darüber zu verhören - hätte er diesen Verdacht gehabt. Was wäre dann geschehen? Denkst du Alice hätte sich geopfert?!" Alec war aufgebracht und Isabella sah wie Elaine sich verteidigen wollte, deshalb meldete sie sich zu Wort:
„Genug", beide verstummten, „es ist nichts geschehen." Alec schnaubte verächtlich, doch blieb still. „Es war möglichweise töricht, aber wir waren zur rechten Zeit da. Elaine, mach dir keine Vorwürfe Liebes. Und nun geh ins Bett." Sie gehorchte, umarmte Isabella und verliess ebenfalls das Gemach. Jetzt sah sie Alexander an und streckte ihre Hand nach ihm aus. Er legte die Pergamente auf seinen Nachttisch und setzte sich neben sie. „Erzähl mir was geschehen ist." Er verzog sein Gesicht und lächelte ihr dann warm zu:
„Du hattest Fieber und bist in einen tiefen Schlaf gefallen. Deine Verletzungen haben dir zu schaffen gemacht. Deine Handwunde hatte sich schwer entzündet... Wundbrand. Wieso hast du in Carlisle nichts davon erwähnt?!", fragte er gequält.
„Weil ich, Liebster, nicht daran gedacht hatte. Erst als wir auf der Reise nach Surrey waren erkannte ich, dass sich die Wunde entzündet hatte. Doch dann konnte ich nichts mehr tun. Ich war überzeugt, dass ich es bis nach Surrey schaffe und mich dann um meine Hand kümmern könnte." Alec schüttelte den Kopf:
„Das hätte dich das Leben kosten können, ist dir das klar?", meinte er wütend. Sie strich ihm durch das Haar, blieb aber still. Sie wusste, dass er wütend auf sie war, weil sie ihm ihre Verletzung verheimlicht hatte. Doch nicht mit Absicht. Seine Worte gegenüber Elaine hatten klar gemacht, dass sie gerade noch im rechten Moment hier eingetroffen waren. Er fuhr fort: „Wir haben Talbot und seine Männer beseitigt... er wird dir nie wieder etwas antun", meinte er und küsste sie auf ihre Stirn. Er zögerte.
„Was hast du noch auf dem Herzen?", fragte sie.
„Es ist nicht wichtig. Nicht jetzt. Ich möchte, dass du dich ausruhst. Doktor O'Leary wird bald eintreffen." Sie unterdrückte ein Gähnen und bohrte nicht weiter nach. Zumindest nicht in diesem Moment.
„Halt mich fest", wisperte sie zu Alec.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...