Weihnachten kam und ging. Der Schnee und die klirrende Kälte bedeckten jedes Grün und liessen ihr Lager in einem trügerisch märchenhaften Licht erscheinen. In diesem Winkel in Buthbren erfuhren sie selten eine Neuigkeit über den Krieg und Isabella verlor die Hoffnung, dass dieser vermaledeite Feldzug schnell vorübergehen würde. Das freudigste Erlebnis für sie war es, dass nun alle ihre Männer das Fieber überstanden hatten. Allerdings nahmen die Folterungen und Schikanen zu. Das Essen wurde knapper und Talbot und die Söldner gaben nichts an die Gefangenen weiter, ausser schimmligem Brot. Isabella versuchte so gut sie konnte die Folterungen zu unterbinden, doch geriet sie selbst ins Kreuzfeuer, sodass Marcus und Rickard ihr verbaten weiter für sie zu sorgen, wenn sie sich nicht raushalten würde. Damit war sie gezwungen den Demütigungen ihrer Männer beizuwohnen ohne eingreifen zu dürfen und konnte danach nur ihre Wunden wieder versorgen. Mit allen Mitteln versuchte sie nahrhafte Suppen aus Kräutern und Pilzen, die sie am Rande des Waldes sammeln konnte, zu kochen um den Hunger ihrer Männer zu stillen, doch sie waren nicht sehr zahlreich. So schwand der Dezember und ging in den Januar über. Das Schneegestöber nahm zu und machte es praktisch unmöglich sich aus dem Lager zu entfernen ohne die Orientierung zu verlieren. In den einsamen Stunden, die sie in ihrem Zelt verbrachte, musste sie immerzu an Alexander denken. Sie hoffte, dass es ihm gut ginge und dass nicht noch mehr Zeit vergehen würde, bis sie ihn wieder in die Arme schliessen durfte. Ihre Nächte waren durchzogen mit Alpträumen, sodass sie keinen erholsamen Schlaf mehr fand. Es würden zwar noch über drei Monate vergehen, bis sie ihr Kind auf die Welt brachte, doch dieser Gedanke ängstigte sie. Bisher hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt sich mit einer Hebamme zu unterhalten. Sie wusste nicht, was auf sie zukommen würde. Die grausamen Albträume über die Niederkunft peinigten sie. Sie benötigte jedes Mal eine gewisse Zeit bis sie sich wieder gefangen hatte. Sie wünschte sich so sehr an Alecs Seite, doch sie wusste, dass dies unmöglich war. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, wie die Geburt hier bei Talbot ablaufen würde. Er würde bestimmt keine Hebamme oder einen Arzt herholen lassen, sie würde es alleine auf die Welt bringen müssen... Isabellas Hände begannen zu zittern. Sie rieb sie aneinander und spürte welch Kälte ihre Finger ergriffen hatte. Sie schlüpfte tiefer unter ihre Felle und gab sich Mühe an etwas anderes zu denken. An Alexander... wie sie sich liebten... wie er sie sanft küsste und sie hochhob... aber genau das hatte sie ja in diese verzwickte Situation gebracht! Sie rieb sich die Schläfen... einen anderen Gedanken... sie dachte an Carlisle, wie wunderschön es dort war und wie sehr sie sich darauf freute dort zu leben. In Gedanken schritt sie durch die vielen verschiedenen Gänge... als eine Erinnerung sich in den Vordergrund drängte. Die Rothaarige! Ohhhh bei dieser Frau konnte sie für nichts mehr garantieren! Schlagartig wurde ihr heiss. Sie hatte nun einen Gedanken gefunden, der sie ablenkte und an dem sie sich satt denken konnte.
Ω
Alec brüllte, wirbelte sein Claymore in der Luft umher und erstach den Schotten hinter sich. Mit einem weiteren Ausschwenker traf er einen weiteren Soldaten, mit erhobenem Schwert, direkt über der Brust. Warmer nieselnder Blutregen traf sein Gesicht. Alec metzelte sich weiter durch die Menge. Da waren all die erfahrenen schottischen Kämpfer und sie hatten es mit ihrer List bis nach Flodden in der Nähe von Brankston geschafft. Doch hier in Northumberland hatten sie die Schotten eingeholt. Alexander, James und John Beaufort waren vor Wochen in Brankston angelangt und hatten den König und die anderen Peers in ihren Reihen verstärkt. Trotz ihrer Übermacht mit fünfzehntausend Mann mehr, hielten ihnen die Schotten tapfer stand. Nur allmählich erlahmten sie, zogen sich nach Flodden zurück und den Sieg konnten Alec und Thomas bereits schmecken. Die Schotten hatten eine gute Strategie verfolgt und wären Alec und die anderen nicht so rasch eingetroffen, hätten sie den Sieg gewiss davongetragen. König Henry VIII war weit im Getümmel verschwunden und tötete jeden Schotten in seiner Nähe. Der Wahn in seinen Augen, wenn er sein Schwert aus dem Leib eines Schotten zog, war beunruhigend. Am Abend liess er die toten Körper der Schotten auf Pfähle spiessen und stellte sie an den Rand des Schlachtfeldes, damit der Feind sie sehen konnte. Doch diese Strategie ging nach hinten los. Ihre eigenen Soldaten hatte diese bestialische Geste verunsichert und sie hatten in einigen Truppen Schwierigkeiten die Männer vor dem Desertieren abzuhalten. Einige, die sich entschlossen hatten das Heer zu verlassen, trieb Henry VIII zusammen und liess sie alle bei lebendigem Leib verbrennen. Dies hielt viele weitere davon ab fahnenflüchtig zu werden, doch die Unsicherheit und der Unmut gegenüber dem König wuchsen Tag für Tag. Alexander hatte eine Krisensitzung zwischen den Peers und ihren Sergeants einberufen und darauf gepocht einen schnellen Sieg zu erringen, damit sie schlussendlich nicht wegen fehlendem Kampfgeist eine Niederlage erleiden würden. Alle Lords hatten sich dafür ausgesprochen. Alexander, James und John erarbeiteten eine neue Strategie, die sie schneller ans Ziel brachte und so schlugen sie die Schotten entscheidend zurück. Sie nahmen viele gefangen und entzogen sie damit heimlich dem teuflischen Schwert des Königs. Alexander wich einem der letzten schottischen Bogenschützen aus und stürzte sich in einen Zweikampf. Die Geschosse der Artillerie dröhnten weiter über das Schlachtfeld. Die Schotten hatten viele ihrer Kanonen verloren, ausserdem schienen sie beachtliche Probleme mit dem Schiesspulver zu haben, denn sie verfehlten ihre Ziele um mehrere hundert Yards. Der Stahl zerschnitt die Luft und sauste auf seinen Gegner hinunter. Der parierte jedoch Alecs Schlag und stiess ihn mit seinem Schwert zurück. Der Schotte war grösser und kräftiger als Alec und verpasste ihm heftige Schläge. Er ballte die Faust um seinen Schwertknauf und schlug Alec mitten ins Gesicht. Alec drehte sich ab, wendete und liess sein Schwert niedersausen. Der Schotte wehrte es gekonnt ab und versuchte erneut seine Faust in Alecs Gesicht zu platzieren. Dieses Mal nutze Alec die Wucht des Schlages und stiess dem Schotten seinen Schwertknauf in die Rippen. Er fühlte, wie der harte Brustkorb nachgab und einige Rippen brachen. Der Schotte tobte, wendete und schlug heftig und schnell von oben auf Alec hinab. Er versuchte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er stellte ihm ein Bein, doch Alec war schneller und erkannte seinen Plan. Alexander balancierte über sein Bein und duckte sich. Er stürzte mit seinem Gewicht nach vorne und rammte den Schotten erbarmungslos. Der Schotte indes packte Alec an den Schultern wirbelte ihn um sich und liess ihn dann los. Alec schlitterte über den matschigen Boden. Mit Kraft alleine konnte er ihn nicht bezwingen, er musste anders vorgehen. Er hatte nur eine Chance, die darin bestand seinen Gegner zu ermüden. Alexander nahm aus seinem Schwertgürtel den Degen seines Vaters in die linke Hand und hielt sein Claymore in der rechten.
„Na komm schon" rief er dem Schotten zu. Sein Gegner schien unbeeindruckt von den zwei Waffen und kam auf Alec zu. Es war selten, dass ein englischer Soldat im Krieg mit zwei Waffen kämpfte und vor allem in der linken Hand. Doch Alec hatte in seiner Ausbildung die Wichtigkeit dieses Vorteils erkannt. Er war links genauso geschickt wie rechts und konnte jeden Schlag parieren. Wie zuvor liess der Schotte sein Schwert kräftig auf Alec nieder, doch dieses Mal erwischte ihn Alec mit dem Degen an der Schulter. Der Schotte zuckte zurück und konzentrierte sich nun auf seine Linke mit dem Degen. Er versuchte mit wuchtigen Schlägen den Degen aus Alecs Hand zu schlagen, doch Alecs Griff war eisern. Die Zeit war auf Alexanders Seite, der Schotte hatte zunehmend mühe sich auf beide Waffen zu fokussieren und vernachlässigte seine Deckung. Dies war die Gelegenheit. Alec drehte sich geschickt, schlug seinen Claymoreknauf in den Rücken des Gegners und kreuzte seine Schwerter in der Luft. Der Kopf des Schotten lag zu seinen Füssen und sein Oberkörper kippte auf den Boden. Weiter vor sich in der Menge sah er James, der sich mit vier Schotten duellierte, doch schon eilten die beiden Zwillinge Edward und Howard an die Seite ihres Bruders und schlugen die Schotten nieder. Langsam verstummte der Lärm aufeinandertreffenden Stahls und Alec machte sich auf die Suche nach Jackson. Gerade als er einen Hügel hinauf stürmte, erblickte er ihn zwischen zwei Schotten. Der eine verpasste ihm gerade einen heftigen Schlag ins Gesicht und Thomas sank auf den Boden. Der Zweite hob sein Schwert in die Luft und stiess es auf den Körper unter ihm nieder. Alec brüllte auf. Die Schotten verharrten an ihrer Stelle und Alec rammte denjenigen über Jackson. Er fiel nach hinten. Der Zweite stürzte auf Alec und stiess mit seinem Schwert zu. Alec machte kurzen Prozess. Nach ein paar wendigen Schwerterbewegungen liess der Schotte seine Brust frei und Alec stiess ihm sein Schwert mitten in die Brust. Er stiess es tiefer und blickte in die langsam erlöschenden Augen. Der Schotte, welcher Jackson töten wollte, hatte sich mittlerweile wieder aufgerafft. Alec zog das Schwert aus der Brust des Feindes und parierte einen Schlag nach dem anderen. Als Alec die Möglichkeit hatte, schlug er mit seiner Faust in das Gesicht des Schotten. Die Nase brach und Blut spritze ringsum. Alec hielt jedoch nicht inne und schlug ohne Pause immer wieder mit seinen Fäusten in sein Gesicht. Bis dieser gegen ihn sank und Alec ihn auf den Boden fallen liess. Auf dem Hügel, auf dem sie sich befanden, war ausser einer Schar von Leichen kein weiterer Soldat mehr auszumachen. Alexander wischte sich die blutigen Hände am Wams ab und beugte sich zu Jackson hinunter „Thomas! Verdammt!" Thomas blickte ihn an
„Du bist gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen, mein Freund". Alec hielt ihm seine Hand hin und wollte ihm beim Aufstehen helfen. Doch Thomas hielt sich an der Seite fest „Bei des Teufelseiern! Der Mistkerl hat mich doch erwischt" schimpfte er. Alec griff ihm unter die Achsel und stellte ihn auf die Beine. Der linke Arm, wie auch die linke Bauchseite hatten arge Verletzungen.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...