Kapitel 1.7.1 - Ein Blick in die Vergangenheit

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Nach einer Weile fragte Alec
„Wieso bist du erst nach längerer Zeit geflohen?"
„Glaub nicht ich hätte es nicht von Anfang an versucht. Von dem Tag an als er mich in Westmorland untergebracht hatte, habe ich keine Gelegenheit ausgelassen, um zu entkommen. Doch Talbot hat dies natürlich geahnt und seine Männer mit meiner Bewachung beauftragt. Seine Mutter Marianne hatte die Aufgabe mich in eine Lady zu verwandeln, damit ich dem gesellschaftlichen Leben angepasst wäre. Eine liebende Grossmutter, so viel kann ich sagen, war sie nicht. Sie hat mich schikaniert, mir das aufrechte Gehen eingeprügelt und mich mit dem Stock gezüchtigt, wann immer sie glaubte ich hätte es verdient. Am Anfang weigerte ich mich strikt etwas von dem zu lernen was sie mir beibringen wollte, doch die Schläge wurden stärker und der Stock dicker. Förmlich hatte sie darauf geachtet nur die Stellen zu treffen, die man in einem Kostüm nicht sehen konnte. Ich versuchte durchzuhalten und an mein Zuhause zu denken. Argyll Castle. Fast dreieinhalb Jahre wehrte ich mich und unternahm mehrere Fluchtversuche, doch ich kam nie weit. Irgendwann hatte mein Grossvater Francis seinem Sohn gesagt, dass er zwingendere Massnahmen ergreifen müsse, um mich zu bändigen und das tat er. Talbots geistiger Horizont war schon immer sehr beschränkt, doch ich denke Francis hat ihn auf die Idee gebracht, denn er fand das einzige Druckmittel, mit welchem er mich gefügig machen konnte. Nach einem weiteren Fluchtversuch, bei dem mich seine Wächter erneut aufgegriffen hatten, baute er sich vor mir auf und drohte mir, dass wenn ich weiter seine Befehle missachten würde, er mein geliebtes Argyll Castle mitsamt seinen Menschen bis auf die Grundmauern niederbrennen würde. In diesem Moment, ich kann es heute noch fühlen, zerbrach in mir der Widerstand und ich gehorchte ihm. Ich schottete mich geistig von den Dingen ab und folgte monoton den täglichen Übungen von Marianne. Sie entzogen mir sämtliche Bücher, da sie in mir böse Gedanken wecken könnten und statteten mich mit Nähutensilien und Stickwaren aus. Marianne achtete pedantisch darauf, dass ich meine Gebete sprach und regelmässig in die kleine Kapelle ging. Ihre Worte waren stehts; man müsse mir den Teufel, die heidnischen Rituale und Feste austreiben, gegebenenfalls mit Gewalt". Isabella schwieg ein weiteres Mal und Alec setzte ein
„Und wie hast du es doch noch geschafft zu entkommen?" Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen
„Es vergingen weitere zwei Jahre... mit der Zeit fand Talbot, dass ich es nun endlich begriffen hätte und setzte seine Wachen wieder auf andere Schandtaten an. Ich hatte zunehmend mehr freie Zeit für mich. Marianne bestand noch auf weiteren Übungen, doch ich hatte mittlerweile bewiesen, dass ich gesellschaftsfähig geworden war. Sie zerrten mich auf Bälle in London und überall dorthin, wo es Rang und Namen gab. Sie zeigten mich umher und priesen mich, als zwar nicht mehr ganz so junge, aber immerhin gereifte Frau, die ihre Pflichten verstand und zudem sehr devot sei. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass einer dieser Ehemänner Verständnis haben könnte für meine Situation und mir helfen würde. Doch vergebens. Sodass ich am anfänglichen Umgarnen von potenziellen Ehemännern bald kein Interesse mehr zeigen konnte. Erschienen sie erst elegant, gebildet und herzlich, zeigte sich im Garten oder in einer dunklen Nische ihre wahre Persönlichkeit. Eine Zeitlang ging es mir dann so schlecht, dass ich erkrankte und ziemlich abmagerte. Mein Lebenswille war verloren gegangen und es schien mir aussichtlos ihn wieder zu erlangen. Der Doktor konnte sich meinen Zustand nicht erklären und so versuchte er mit allerlei Behandlungen meine teuflische Krankheit zu verbannen. Als an einem Nachmittag Marianne und George wegfuhren, war ich allein mit Francis zuhause. Er hatte ein Jahr zuvor einen Herzanfall erlitten und war seit diesem Tag nicht mehr der Alte. Er war verwirrt, konnte seine Säfte nicht mehr bei sich behalten und wurde von seinem Kammerdiener Tag und Nacht versorgt. Ich schlenderte durch die Gänge des kleinen Schlosses und stand plötzlich vor einer doppelten Holztür, die ich zuvor nie wahrgenommen hatte. Ich trat ein und erkannte, dass dies das Büro von Talbot sein musste. Ich kann nicht mehr genau beziffern wieso ich das getan habe, aber ein Gefühl leitete mich zu seinem Schreibtisch. Ich setzte mich in seinen Sessel und lehnte mich etwas zurück, strich mit meinen Handflächen über das teure Holz, aus dem der Tisch gemacht worden war. Ich liess sie den Kanten entlang gleiten bis sich meine Hände in der Mitte an der Unteren wieder berührten. Kaum merklich fühlte ich einen kleinen Spalt in der Kante. Ich liess die Hände unter die Tischplatte fahren und entdeckte ein geheimes Fach, welches sich durch Gegendruck öffnen liess. Mehrere Dokumente und Papiere kamen zum Vorschein. Darin fand ich, was ich bisher nicht beweisen konnte. George Talbot hatte Männer auf dem Kontinent damit beauftragt meine Eltern zu eliminieren und sie darauf hingewiesen es wie einen Unfall oder Raubüberfall aussehen zu lassen. Die Bezahlung könnten sie sich bei ihm abholen, sobald es erledigt worden war. Das hatte mich ins Diesseits zurückgeholt. Ich war wild entschlossen, doch das war nicht alles" sagte sie erzürnt und Alecs Bewunderung für seine Frau stieg immer mehr. „Ich fand Briefe von meinem Onkel und meiner Tante, die auf dem Kontinent lebten. Robert und Maud. Er hatte sie beide über den Tod meiner Eltern und mir informiert. Tante Maud schrieb Talbot, wie sehr sie und Robert darunter litten und wie sehr sie das Zerwürfnis der Familie bedauerten, da sie mich nicht aufwuchsen sahen und die Familie nicht schützen konnten. Es fiel mir auf, dass Talbot ausserdem verschwiegen hatte, dass meine Eltern auf dem Kontinent verstorben waren. Ich bin mir sicher, dass er wusste, dass beide sonst nach England gereist wären, um herauszufinden, ob sie das Zerwürfnis hatten beilegen wollen. Und so fasste ich an jenem Nachmittag die Entscheidung meine Flucht zu planen. Ich legte die Papiere so zurück, wie ich sie vorgefunden hatte und bereitete mich vor. Am Tag meiner Flucht setzte ich einen Brief auf, der nach Argyll Castle ging, um die Bewohner vor allfälligen Angriffen zu warnen. So floh ich mit den Dokumenten und Briefen nach London. Ich versteckte einen Teil und zog dann weiter zu dir... nach Surrey". Alec schüttelte ungläubig den Kopf.
„Dann hast du noch Verwandte auf dem Kontinent? Wolltest du zu ihnen reisen, als du beschlossen hattest mich zu verlassen?" neckte Alec Isabella. Isabella nickte
„Ja. Ich wollte über Brighton nach Gibraltar und von dort aus mit einer Kutsche weiter nach Frankreich. Denn dort, das haben meine Nachforschungen ergeben, sollten sie sich aufhalten". Sie schwieg und blickte Alec lange an „Ich hatte nie den Wunsch dich zu verlassen, doch als ich mir sicher war, dass ich ein Kind in mir trage, wollte ich nicht allzu lange das Risiko auf mich nehmen, dass es jemand und allen voran du bemerken könntest. Auch wusste ich nicht, wie viel Zeit genau ich für die Reise benötigen würde. Mein Geld reichte nicht für die gesamte Strecke und so hätte ich unterwegs eine Arbeit annehmen müssen, bis ich wieder genug gehabt hätte, um weiter nach Frankreich zu reisen". Alec spürte, wie sich in seinem Inneren eine giftige Kreatur erhob. Der Gedanke, dass sie schwanger, alleine mit zu wenig Geld eine solche Reise auf sich genommen hätte bis nach Frankreich, machte ihn unbändig. Sie schien seine Gedanken zu erahnen und rückte ganz nah an sein Gesicht „Alec, es lag mir fern dich zu verletzen, doch ich wollte mein Kind in Sicherheit wissen und ich wusste nicht, wie es mit uns hätte weitergehen können. Oft habe ich mir überlegt, wie ich es ertragen könnte, wenn du... heiraten würdest und ich deine Maitresse wäre. Irgendwo abseits mit unseren Kindern. Doch ich wollte dich für mich". Die giftige Kreatur grollte zufrieden und zog sich langsam zurück. Er drückte Isabella an sich
„Ich weiss meine Liebe, ich weiss. Doch versprich mir, dass du mich nie mehr verlässt" sagte er rau. Um von dem sensiblen Thema etwas abzulenken, fragte Alec „Gibt es noch etwas das ich über Talbot wissen muss?" Isabella hob stirnrunzelnd den Kopf
„Traust du mir immer noch nicht?" doch sie lächelte „Alec, er ist hinterhältig, dumm und blutrünstig. Er wird sich nichts gefallen lassen"
„Damit wären wir schon zwei" sagte Alec trocken. Ihre Augen schimmerten ihn an
„Alexander bitte... unternimm nichts gegen Talbot. Er ist unberechenbar und ich will nicht, dass er dir etwas antut". Alec lächelte ihr entgegen und versuchte ihr ihre unbegründete Angst zu nehmen. Talbot würde nicht ohne weiteres davonkommen. Sobald sich eine Gelegenheit ergeben würde, musste er ihn herausfordern. Er hatte immer vermutet, dass sie eine grosse Last mit sich getragen hatte, doch er hätte niemals mit einer solch bedrückenden Geschichte gerechnet. Er betete ihren Kopf an seine Brust und gab ihr halt. Dieser Mann musste sterben. Nichts könnte ihn aufhalten ihm die Klinge in seine Eingeweide zu stechen. Isabella füllte die Lücke, die er seit dem Tod seiner Mutter verspürt hatte und diese Frau würde er nie kampflos aufgeben und er würde sich rächen für die Schandtaten, die ihr widerfahren waren. Sein Blick fiel nach unten. Isabella atmete tief und regelmässig mit geschlossenen Augen. Er hätte nicht glücklicher sein können. Schon bald hätte er seine eigene kleine Familie und er konnte es kaum erwarten sein Kind in den Armen zu halten. Sanft legte er Isabella in die Kissen, bedeckte sie mit Fellen und legte sich neben sie. Bis die nächste Schlacht anfing hatte er noch ein paar Tage mit seiner Frau, die er endlich geniessen konnte, da nichts mehr zwischen ihnen stand.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt