Henry brach Anfang November Richtung Okston auf, da dort in der Nähe seine Soldaten ihr Lager errichtet hatten. Alec hatte schon Tage zuvor einen Boten zu Marcus gesandt und ihm den Befehl gegeben nach Dun Rig aufzubrechen. Es wäre ein langer Weg von Hawick nach Dun Rig und er hatte Marcus gebeten mit Isabella einzeln zu Reisen, damit er mehrere Pausen einlegen konnte. Die wenigen verletzten Soldaten seiner Truppe hatten sich bald wieder erholt und somit brachen auch Thomas und Alexander zu ihrem Hauptlager auf. Am späten Nachmittag ritten er und seine Männer ins Lager bei Dun Rig. Alec sattelte Arac ab und überliess ihn dem Knappen. Ein merkwürdiges Gefühl durchströmte ihn. Den gesamten Weg hierher, hatte er es kaum erwarten können sie zu sehen, doch nun durchzuckte ihn Angst. Was wenn sie immer noch nicht seine Frau sein wollte und sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte? Auf halbem Weg zu seinem Zelt hielt er inne.
„Auf was wartest du?" fragte Thomas und klopfte ihm auf seine Schulter.
„Ich bin mir... nicht sicher" seufzte er und warf einen zweifelnden Blick auf sein Zelt weiter hinten. Jackson lief kopfschüttelnd davon und murmelte etwas vor sich her. Es half nichts. Er wappnete sich und schritt auf sein Zelt zu. Er öffnete die Wand und trat ein, doch das Zelt war leer. Die Anspannung, die sich angesammelt hatte, wich von seinem Brustkorb und er zog seine Rüstung mit Ringpanzer und Wams aus. Er wusste nicht was er tun konnte, um diese Situation zum Besseren zu wenden. Fast glaubte er, dass er niemals mehr ihre zarten Schenkel um seine Hüfte spüren würde oder einen sinnlichen Kuss erhaschen dürfte. Vermutlich hatte er das was sie noch verbunden hatte mit der gezwungenen Heirat zerstört. Alec war sich nicht sicher ob er damit leben konnte. Ein feiner Windstoss huschte über seinen nackten Rücken und er wandte sich um. Im Zelteingang stand sie. Seine wunderschöne Rose. Sie trug ein braunes tailliertes Kleid mit einer kleinen Schleppe. Ihr runder Bauch wölbte sich deutlich unter dem feinen Stoff hervor. Sie legte ihre linke Hand auf ihren Bauch und blickte Alec an. Sie schritt auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen, sanft nahm sie seine Hand und legte sie ebenfalls auf ihren Bauch. Alec fühlte ein starkes Pochen an seiner Handfläche
„Isabella" hauchte er und sank vor ihr auf die Knie. Sie strich ihm über sein Haupt und Alec legte seinen Kopf an ihren Bauch. Dann sank auch sie auf ihre Knie, obwohl es ihr schon sehr schwer fiel
„Alexander" wisperte sie und küsste ihn auf seine Lippen. Ihre weichen sanften Lippen schmeckten salzig, doch Alecs Gedanken und sein Herz überschlugen sich
„Meine Wunderschöne... bitte" sagte Alec und küsste sie im ganzen Gesicht. Er richtete sich auf und zog Isabella mit sich mit. Zum ersten Mal in seinem Leben, seit er sich erinnern konnte, brannten selbst in seinen Augen Tränen. Er schloss seine harten Arme um seine Liebe und hielt sie fest. Er bettete seinen Kopf auf ihren, schloss die Augen und verlor sich in diesem Moment. Nach einer Weile löste sie ihren Kopf von seiner Brust und blickte mit ihren hellen Smaragden zu ihm hinauf. Er küsste ihre feuchten Lippen „Verzeih mir... ich wollte dich nie zu etwas zwingen... ich wollte... ich... Isabella ich liebe dich" flüsterte er. Ein wohliges Gefühl durchflutete ihn und umschloss sein Herz mit Wärme.
„Oh Alexander" sagte sie heiser „tust du das?" fragte sie unsicher und ihre grünen Augen glitzerten. Er nahm ihren Kopf in seine Hände und blickte sie unverständlich an
„War es nicht offensichtlich?" fragte Alec und er gewahr in ihren Augen Angst. Sie schloss ihre Lider und antwortete ihm
„Nein... ich dachte" er hob ihren Kopf und zwang sie ihn anzusehen „ich dachte, vielleicht... die Rothaarige". Er schüttelte energisch den Kopf
„Ich liebe dich" wiederholte er. „Mein Herz gehört schon seit geraumer Zeit dir, aber ich war töricht". Isabella schluckte, streckte sich zu ihm empor und küsste ihn. Alexander hob sie von den Füssen und trug seine Frau auf ihr gemeinsames Bett. Und dann hörte er Worte, die ihm mehr als alles andere auf dieser Welt wichtig waren und ihm wurde bewusst, dass er nur dafür gelebt hatte.
„Und meine Liebe gehört nur dir, mein Ehemann" wisperte sie an seinen Lippen. „Ich bin so unendlich glücklich das du wieder heil hier bei mir bist... und ich möchte dich um Verzeihung bitten, dass ich dir nicht das Vertrauen entgegengebracht habe, welches du verdienst" sagte sie sanft und suchte seinen Blick. Alec strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht
„Meine Liebste, deine Gefühle hätten von mir mehr beachtet werden müssen, doch ich wollte nur eines... dich zu meiner Frau. In meiner Sturheit wollte ich nicht erkennen, wie sehr dich mein Drängen quälte. Verzeih es mir". Isabella hielt seine Hand, die über ihre Wange strich, fest
„Es gibt nichts zu verzeihen Alexander". Sie küsste die Finger seiner Hand „Ich trage dieses Geheimnis schon sehr lange mit mir. Ich wollte vermeiden, dass du oder jemand aus deiner Familie gefahr läuft ins Kreuzfeuer von George Talbot zu gelangen. Er ist unberechenbar und gefährlich Alec" sagte sie. „Ich könnte niemals damit leben, wenn jemandem von euch etwas zustossen würde" meinte sie bitter. Alec strich ihr über ihre Wange und sagte mit belegter Stimme
„Du bist meine Frau. Du bist meine Familie... und wer dich bedroht, der wird meinen Einfluss zu spüren bekommen". Sie klammerte sich an seine Hand. Er wusste, dass dies nicht einfach für sie war. Er betrachtete ihre Erscheinung. Ihre Haut war so zart und ihre Wangen schimmerten pfirsichfarben. Er riss den Blick von ihrem Gesicht und legte seine Hand auf ihre Wölbung. Leben. Sein Kind wuchs in ihrem Schosse heran und er würde Vater werden. Der Gedanke daran liess ihn erzittern. Er blickte sie erneut an, schmunzelte und küsste ihre weichen Lippen, die er geglaubt hatte, nie mehr spüren zu dürfen. Ihre Lippen umsorgten ihn und luden ihn ein. Ihre Zunge strich über die seine. Er genoss die Zärtlichkeit und wünschte sich, er müsste nie mehr von ihrer Seite weichen. Langsam lösten sie ihren liebevollen Kuss und Alec lehnte sich im Bett zurück „Möchtest du mir jetzt deine Geschichte erzählen Liebstes?" Isabella blickte ihn an und nickte unsicher. Er zog sie in seine Arme, um ihr den nötigen Schutz zu bieten.
„Im Mai fünfzehnhundertsechs starben meine Eltern" sagte sie mühsam „Sie waren auf dem Weg zum Kontinent und während ihrer Reise achteten die Hausdiener und meine Hausdame auf mich. Die Erinnerung ist noch so stark daran, als wäre es gestern geschehen" sagte sie abwesend „Ich war so aufgeregt, da ich das erste Mal ganz allein zuhause war... der Frühling damals war traumhaft. Ich weiss noch, dass ich viel Zeit draussen verbracht habe, sehr zum Leidweisen meiner Hausdame Ailsa. Meine Eltern haben von mir nie verlangt, dass ich mich ausschliesslich Damendingen widmete und nicht herumtollen durfte. Wichtig war ihnen jedoch meine geistige Bildung. Ich bin mir sicher, dass sie dort noch strenger waren, als andere Familien bei ihren Söhnen. Es machte mir allerdings kein bisschen etwas aus, ich mochte das Wissen und auch die langweiligsten Themen erweckten das Interesse in mir" sie endete für einen kurzen Moment und Alec wusste das ihr die nächsten Worte schwer fielen „Es vergingen einige Wochen ohne eine Nachricht meiner Eltern. Meine Hausdame versuchte mich zu besänftigen und sagte, dass alles gut sei, doch ich wusste, dass Schreckliches passiert sein musste" ihre Stimme brach ab. Alexander reichte ihr ein Becher Gewürzwein, zog sie an sich und hielt sie fest. Sanft strich er ihr über das Haar und flüsterte beruhigend auf sie ein
„Es tut mir sehr leid". Nach einer Weile hatte sie sich wieder gefangen und ihre Stimme mit Wein benetzt, dann erzählte sie weiter
„Ich erfuhr an einem Donnerstagmorgen, dass meine Eltern bei einem Kutschenunglück den Tod gefunden hatten. Ich schrak an jenem Morgen aus dem Schlaf und rannte in die Feuerhalle, so nennen wir unsere Versammlungshalle. Dort stand er, George Talbot und überbrachte sichtlich erfreut diese Nachricht. Ich hatte zuvor noch nie etwas von ihm gehört. Er behauptete der Besitzer dieses Anwesens zu sein und mein Vormund. Ailsa musste sich vor Schreck hinsetzen und atmete ganz flach. Doch Talbot schien dies wenig zu interessieren. Er schaute sich um und meinte, dass er hier einiges verändern werde und mit mir würde er beginnen. Ailsa legte sofort schützend ihre Hände um mich, doch er entriss mich ihrer Obhut und steckte mich alleine in mein Zimmer. Ich weinte tagelang, erschien nicht bei den Dinnées und das machte Talbot fuchsteufelswild. Zusätzlich bereiten ihm die Dienstboten grosse Schwierigkeiten, denn sie fühlten sich ihm gegenüber nicht verpflichtet. Das ist die Art des schottischen Volkes, hast du nicht ihre Zustimmung, musst du sie erobern, damit sie sich dir unterordnen... doch das ist etwas, dass Talbot nicht verstand und noch immer nicht versteht. All das veranlasste Talbot nach ungefähr zwei Monaten seine Habseligkeiten packen zu lassen und die Flucht nach England anzutreten. Mich nahm er natürlich mit. Ailsa bettelte darum bei mir zu bleiben, doch Talbot war so erzürnt darüber, dass er nicht der Herr über dieses Land war, dass er sie vor meinen Augen niederschlug". Sie atmete einige Male tief durch und fuhr weiter in ihrer Erzählung „Ich weiss bis heute nicht, wie es ihr ergangen ist und wie sich meine Leute über Wasser gehalten haben. Ich bin sicher George Talbot hat nicht dafür gesorgt, dass sie genügend Geldmittel hatten, um das Haus in Stand zu halten". Eine einzelne Träne lief ihr die rechte Wange hinunter, doch sie wischte sie rasch ab. So vieles hatte sie über sich ergehen lassen müssen, wurde von ihren Lieben getrennt und in eine unsichere Zukunft geschickt. Alec schloss seine Arme um Isabella und versuchte ihr die Wärme und Geborgenheit zu schenken, die sie die letzten Jahre vermisst hatte.
DU LIEST GERADE
Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...