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Er lehnte am Zelteingang und blickte in den trüben Himmel. Dicke grauverhangene Wolken drängten sich zusammen. Bald würde ein erneuter Schauer nieder prasseln. Er schloss seine Augenlider und atmete die kalte nasse Luft ein. Die Tore vor Edinburgh waren verschlossen und man hörte kaum ein Geräusch aus der Stadt. Ihre Zelte waren wohl der reine Hohn für die Städter, doch sie hatten bisher keinen Angriff gewagt. Sie blieben hinter ihren Mauern und Alec, sowie James und John hatten nicht vor die Stadt anzugreifen. Es war äusserst merkwürdig. In einer Nacht hatten sie die Schotten hier vor Edinburgh geschlagen und konnten ihre Zelte kurz vor der Stadt aufstellen. Die Gefangenen hatten sie in Zelten untergebracht und es waren keine weiteren Kämpfer vor sie getreten. Alle drei hatten sich ihre Köpfe zerbrochen, was die Schotten den für einen Plan verfolgten. Nach Stunden der Diskussion hatte Alec seine Vermutung geäussert. Er war überzeugt, dass die Schotten einen Hinterhalt planten und sie vermutlich von mehreren Seiten angreifen würden. So würde er selbst vorgehen. Danach herrschte schweigen, bis John und James mürrisch nickten und ihm zustimmten. Sie mussten dahinterkommen! Deshalb hatte er sich gestern Nacht noch einmal Ogilvy vorgenommen, doch trotz der harten Linie die Alec fuhr, schwieg Eoin Ogilvy zu ihrem Vorgehen eisern. Erst als Alec ihm Geld und Reichtum versprach, wenn er ihnen die Taktik der Schotten verraten würde, erfuhr er ein interessantes Detail. Eoins Gesicht lief rot an und er spuckte Alec vor die Füsse. Soviel hatte Eoin in seiner gesamten Gefangenschaft nicht gesprochen. Er polterte, dass er nicht einer dieser Clanoberhäupter sei, der seine Brüder für eine Kiste Gold an die Engländer verkaufen würde. Alec würde sich täuschen, wenn er glaubte die Mehrheit der Schotten wäre wie diese einzelnen. In den letzten Jahren hätten sich die Clans zusammengerauft und Allianzen geschmiedet, da sie schon ahnten, dass Henry VIII im Gegensatz zu seinem Vater Schottland einverleiben wollte und das galt es zu verhindern. Die Engländer seien zu stolz und zu arrogant, um dieser Tatsache ins Auge zu sehen. Dies hatte Alec ziemlich überrascht. Die Schotten waren schon immer stolz und stur gewesen, doch immer nur im eigenen Interesse ihres Clans. Nun hatte er seine Antwort erhalten. Die Schotten waren bereit Allianzen zu schmieden, um Henry VIII entgegen zu treten und dies bedeutete, dass sie noch einen Trumpf im Ärmel hatten. Keine Folter hätte ihn bei diesem Schotten weitergebracht. Dafür gebührte ihm Alecs Respekt. Alec selbst hatte einen Grossteil seiner Ausbildung in fremden Kulturen verbracht und dadurch einen Einblick in spezielle Techniken des Kampfes erhalten. Ihm wurde beigebracht nicht nur alleine seinen Körper auf alle möglichen Arten zu trainieren, sondern auch seinen Geist. Dieses Wissen hatte ihm bisher geholfen die Oberhand in jedem Krieg zu erlangen. Alec drehte sich um und lief zu seinem Tisch. Dort lag der Schlachtplan. Er betrachtete die Truppen, die von den Engländern aufgestellt worden waren. Er, James und John hatten die erste Front gebildet und waren ungefähr einen Tag vor der Zweiten. David Brandon, König Henry und die vielen anderen Peers bildeten die zweite Front. Allerdings war Brandon noch immer in der Nähe von Duns... Er hatte noch keine Botschaft erhalten in der Brandon bestätigte, dass seine Männer in Richtung Edinburgh unterwegs wären. Duns. Brandon war ziemlich ungeschützt... Er trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und kniff seine Augen zusammen.
„Hauptmann! Hauptmann de Warenne!" hallte eine Stimme von draussen ins Zelt. Alec drehte sich hastig um, gerade als ein Bote ins Zelt hineinstürmte. Ein mittelgrosser Mann, sein blondes Haar klebte ihm auf der schweissnassen Stirn. Er beugte sich nach vorne und stütze seine Hände auf die Knie. Alec schritt auf ihn zu, der Bote keuchte „Alexander de Warenne?" Alec nickte. „Ich... ich habe eine Botschaft... eine Botschaft vom König. Die Schotten sind von Aberdeen und Dundee mit Schiffen nach Ayemouth aufgebrochen und dort an Land! Sie" er keuchte „sie sind dann Keulen schwingend Richtung Duns marschiert und wollen über die Grenze". Alexander sprang zum Tisch und betrachtete seinen Plan. Er schob die Holzfiguren über die Karte. Alle grossen Heere waren hier oben, nur Brandon war in Duns.
„Wie viele?" presste Alec hervor. Der Bote schluckte
„Hunderte... tausende Mylord" nach einer Pause fuhr er fort „Der König hat vor bald zwei Tagen davon erfahren und mich losgeschickt. Ihre Majestät ist mit seinen Männern sofort aufgebrochen"
„Nimm dir einen Kelch und etwas zu essen. Dann ruh dich aus! Wir haben einen weiten Weg vor uns!" sagte Alec und ging an ihm vorbei. Als er im Zelt von James ankam, waren auch Thomas und John anwesend.
„Du siehst aus als würde die Welt untergehen Alec" sagte James amüsiert.
„Gut, ihr seid alle hier. Ein Bote überbrachte gerade eine Nachricht des Königs. Die Schotten haben die Linie durchbrochen und sind in Ayemouth an Land. Sie sind vor mehr als zwei Tagen Richtung Duns marschiert und wollen dann über die Grenze nach England". John Beaufort sprang sofort aus seinem Sessel
„Dort ist nur dieser unnütze David Brandon! Sie werden ihn und seine Männer zerfleischen. Wir müssen sofort aufbrechen!". Thomas stellte die gleiche Frage wie zuvor Alec
„Wie viele Männer Alec?"
„Es seien tausende" schluckte Alec. James rieb sich über den Kopf und bemerkte trocken
„Nun wenigstens wissen wir jetzt, wo all die verdammten Schotten abgeblieben sind! Ich würde sagen auf nach Duns". Alec nickte. Zurück in seinem Zelt, verfasste er hastig eine Nachricht für Marcus und Isabella, indem er ihnen den Kurswechsel erklärte und sie bat den Heimweg nach Carlisle Castle in Angriff zu nehmen. Die offenen Lowlands waren nun zu gefährlich, wenn alle Engländer wieder Richtung Heimat ritten. Ausserdem bat er Rickard das Lager sicher nach Hause zu bringen. Er übergab Alfred Ranney diesen Auftrag und kurze Zeit später galoppierte er mit seinem Pferd und dem Bogen aus ihrem Lager in Richtung Dun Rig. Die Heerlager waren schnell abgebrochen und die schwerfälligen Truppen machten sich auf den Weg Richtung Duns und englischer Grenze. Was ihnen allerdings auf dem Weg in den Dörfern der Schotten begegnete, trug unweigerlich die Handschrift von König Henry VIII. Die Felder zerstört, die Dörfer niedergebrannt und die Menschen brutal abgeschlachtet. Selbst den erfahrensten Kämpfern war dieses Bild ein Graus.
„Er ist des Wahnsinns!" sagte John Beaufort bedrückt, als sie durch ein weiteres Dorf ritten „Wir schaffen uns neue Feinde, welche in Zukunft unter derselben Flagge wie wir reiten sollen?!" Alec, Thomas und James schwiegen. Es musste nach diesem Krieg etwas geschehen, darin waren sich alle einig.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...