Kapitel 1.1 - Alecs Entschluss

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Zwei Tage später hatte sich Alec enorme Vorwürfe gemacht, dass er einen solch jungen Soldaten losgeschickt hatte. Von Dustin oder dem Priester gab es kein Lebenszeichen und eine Nachricht über ihren Tod war auch nicht bis ins Lager vorgedrungen. Als Alec schliesslich einen kleinen Wachtrupp zusammenstellen wollte, um die beiden zu suchen, ritten sie ins Lager. Der Priester war ein alter Mann und ritt auf eben einem solch alten Klepper, dass Alec sich ehrlich gesagt kaum wunderte, dass sie so lange gebraucht hatten. Allerdings war dies nicht der Grund für ihre Verspätung. Der Priester wirkte etwas verunsichert als ihm Rickard vom Pferd half und ihn ins Kommandozelt brachte. Dustin hingegen schritt auf Alec zu
„Mylord, verzeiht mir meine Verspätung, doch wir wurden verfolgt" haspelte Dustin hervor.
„Lass uns im Kommandozelt darüber sprechen". Dustin folgte Alec. Im Zelt reichte Alec Dustin einen Humpen, damit er seine trockene Kehle befeuchten konnte. Dustin leerte ihn und sagte dann
„Gleich als wir von Gretney aufgebrochen sind, hatte ich das ungute Gefühl, dass wir verfolgt werden". Dustin blickte zwischen Alec und Thomas, der soeben ins Zelt getreten war, hin und her „ich habe dann versucht sie im nächsten Dorf abzuschütteln, doch sie waren hartnäckig und so bin ich mit dem Priester Callaghan einen grossen Umweg geritten, bis ich überzeugt war, dass wir sie losgeworden sind" meinte Dustin und füllte seinen Humpen noch einmal.
„Das war sicher eine Spähtruppe der Schotten" warf Rickard ein, der dem Priester ebenfalls einen Becher gereicht hatte. Bevor irgendjemand dazu etwas sagen konnte, sprach der Alte
„Nein meine Herren" sagte er und räusperte sich „dies waren keine Schotten, so wahr ich Gottes Zeuge bin". Alec blickte den Priester und dann Dustin an
„Dustin... es waren keine Schotten?" fragte er, denn einem Schotten im Krieg konnte er kaum trauen, selbst wenn er ein Priester war.
„Ich glaube auch, dass es keine Schotten waren... mir war so, als hätten sie versucht herauszufinden wohin wir gingen und sie haben auch nie versucht uns anzugreifen. Wir wären schliesslich einfache Beute gewesen. Zudem wissen die Schotten doch ungefähr wo wir positioniert sind, oder nicht?" fragte er nachdenklich.
„Allerdings" meinte Thomas langsam. Nach einer längeren Pause hatte Alec noch eine Frage
„Wo glaubst du, hast du die Truppe verloren?"
„Ich glaube in den Blackwood Hills" sagte Dustin nach längerem nachdenken.
„Ich hoffe" wandte sich der Priester ein „ich muss auf meinem Heimweg eine weniger beschwerliche Reise machen. Ich fürchte meine alten Knochen" er klopfte sich auf die Knie „halten solche Strapazen nicht mehr aus". Alec sah zu Dustin und winkte ihn zu sich, wo er ihn Richtung Zeltausgang beförderte
„Dustin du hast deine Aufgabe hervorragend gemeistert, obwohl du noch nicht so weit mit deiner Ausbildung bist, solche Situationen zu handhaben" er klopfte dem Jungen auf die Schulter „Aber" grinste Alexander „musstest du unbedingt einen solch klapprigen Priester herschaffen?" Dustin lächelte
„Tut mir leid. Er war der Einzige, der kommen wollte". Alexander sah Dustin nach, wie er zwischen den Zelten verschwand. Er war sich sicher, dass er ihm sein Verhalten nicht nachtrug. Er wandte sich zu den drei Männern um. Der Priester hatte sich mittlerweile erhoben und stand etwas gebückt da. Sein graues schütteres Haar hing in langen Fäden von seinem Kopf. Was ihm auf dem Kopf an Haar ausgegangen war, schien er mehr als genug in seinem äusserst langen Bart zu haben. Für einen christlichen Priester war seine Erscheinung ziemlich gewöhnungsbedürftig. Alexander ging auf den Mann zu
„Und ihr seid ein... Priester im anglikanischen Glauben?" fragte Alec skeptisch. Der Mann stützte sich auf seinen Gehstock und blickte ihn sehr lange schweigend an, bis Alec dachte er müsste seine Worte wiederholen „Ihr seid ein anglikanischer Priester?" Der Alte runzelte die Stirn
„Ich habe dich schon verstanden mein Junge. Ich versuche nur zu verstehen, wieso ihr die Ehe in Zeiten des Krieges eingehen wollt und um eure Frage zu beantworten, ja ich bin Lior Callaghan, Priester im anglikanischen Glauben". Er schob seine Hand in die Innentasche seines Umhanges und zog ein grosses in schwarzes Ledergebundenes Buch hervor „Dies ist mein fünfundzwanzigstes Buch, in welches ich die Eheschliessungen eintrage" erklärte er.
„Verzeihung ich wollte euch nicht kränken alter Mann". Alec sah Rickard an „Versorge den Mann mit genügend Essen und Trinken, damit er zu Kräften kommt" dann sah er wieder den Priester an „Ich will die Eheschliessung heute Abend vollziehen, hier im Kommandozelt. Ihr könnt so lange im Lager bleiben, wie ihr wünscht. Vielleicht ist es gut in solchen Zeiten einen Priester vor Ort zu haben". Der Priester nickte und Alexander verliess das Zelt. Sein Entschluss stand immer noch unerschütterlich fest. Morgen würden sie mit den Truppen bereits weiter in Schottland eindringen und die Gebiete unterwerfen.
Ohne es gewollt zu haben, stand er nun vor seinem Zelt. Er trat ein und erblickte Isabella, die auf dem Diwan lag, las und ein Fell über ihre Beine geworfen hatte. Sie warf einen kurzen Blick zum Eingang und richtete dann ihre Augen wieder auf die Zeilen vor ihr. Alexander ging zu ihrer Kleidertruhe und suchte ein Kleid. Er fand das Kleid seiner Mutter mit dem schottischen Plaid und hing es über die Diwanlehne. Isabella blickte ihn verwundert an. „Zieh dieses Kleid an, heute Abend. Thomas wird dich nach Sonnenuntergang beim Zelt abholen" meinte er erklärend.
„Wofür?" fragte sie argwöhnisch. Alexander verliess das Zelt und blieb ihr eine Antwort schuldig.
Obwohl es eigentlich nur eine formale Angelegenheit war, stieg Alecs Nervosität, je später es wurde. Er schlüpfte in seine Kriegsausrüstung, die von den Knappen zuvor gereinigt und poliert worden war. Er selbst hatte sich rasiert und gewaschen, ausserdem trug er die Farben der de Warennes und ein Schild mit seinem Wappen. Alexander ging eine Viertelstunde vor sieben ins Kommandozelt. Der grosse Tisch, auf dem üblicherweise die Schlachtpläne diskutiert und Karten begutachtet wurden, war in die Mitte getragen und mit einem weissen Leinentuch und Kerzen bestück worden. Der Priester sah nun erholter aus und begrüsste Alec. Kurz nach sieben wurde die Zeltwand von Thomas angehoben und er betrat mit Isabella das Zelt. Rickard erhob sich und stellte sich hinter Alexander. Thomas schien nicht recht zu wissen, wie Isabella reagieren würde und stellte sich vorsichtshalber vor den Ausgang. Sie tat ein paar Schritte und blickte verunsichert umher. Sie sah zu Alec und dann hinter ihn, wo der Priester stand. Ihre Züge erstarrten und sie warf einen wütenden Blick auf Alec. Im nächsten Moment drehte sie sich um und wollte aus dem Zelt stürmen. Gut, dass Thomas in weiser Voraussicht gehandelt und ihr den Fluchtweg genommen hatte. Als sie sich wieder zu Alec hindrehte bebten ihre Nasenflügel und ihre Augen glühten. Ihre grünen Opale schwammen im glitzernden Wasser ihrer Tränen, was Alexander für einen Moment sehr ans Herz ging. Unwillkürlich fragte er sich, ob es für sie eine solche Qual war ihn zu ehelichen und er sie damit verdammte.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt