Kapitel 4.10.1 - Dein Leben für meines

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„Alec... Alexander", sagte Bruce und er schüttelte seine Gedanken ab und sah ihn an, „du wirst sie festhalten müssen, vermutlich wird sie aus ihrem Schlaf aufwachen, aber nur für kurze Zeit, schaffst du das?" Alec nickte, froh dass er eine Aufgabe hatte. Thomas kniete sich vor Bruce nieder und hielt Isabellas rechte Hand fest. Elaine reichte O'Leary alle Instrumente, die er brauchte und Alec hatte Isabellas Kopf auf seinem Schoss und strich ihr über den Kopf. Bruce betupfte den langen Schnitt in ihrer Handfläche mit Alkohol und zog ein feines Messerlein aus seinem Beutel. Er blickte zu Alec und nickte. Er setzte das Messer an eine gerötete Stelle und schnitt zu. Sofort quoll eine weisse dickflüssige Substanz aus der Wunde und Bruce hielt ihre Hand über eine Schüssel, damit der Eiter abfliessen konnte. Zweimal liess er den Eiter abfliessen und tunchte dann sein Messer in den Alkohol, säuberte die Wundränder und sagte dann: „Jetzt müsst ihr sie festhalten... dies hier", er senkte seinen Blick auf ihre Hand, „wird furchtbar schmerzvoll sein." Bruce nahm das Messer und setzte es in die tiefliegende Schnittwunde. Alec hielt so sanft und fest er konnte ihre Schultern und ihren Kopf. O'Leary tauchte tief in die Verletzung. Da fühlte Alec wie sich ihr Schopf bewegte. Isabella riss ihre Augen auf und schrie aus Leibeskräften. Alec starrte auf ihre aufgerissen blassgrünen Augen. Der Schrei durchfuhr seine Knochen und er musste seine Worte; Bruce solle doch innehalten, mühsam zurückhalten. Er drückte ihre Schultern nach unten, doch sie wehrte sich. Elaine trat an ihren Kopf und schüttete einen Schluck Whisky in ihren Mund. Sie wurde ruhiger und ihre Lider klappten wieder zu.
„Isabella", sagte Alec klagend und O'Leary meinte:
„Dies war der schmerzhafteste Teil." Alec besah sich ihre Hand. Das Blut schimmerte und war mit Eiter vermischt. Er konnte nicht hinsehen. Obwohl er sich grausame Dinge vom Schlachtfeld gewöhnt war, so konnte er nicht die tiefe aufgeschlitzte Wunde seiner Frau ertragen. „Wie ich sehe", Bruce betrachtete die frei gelegte Stelle, „ist der Wundbrand noch nicht bis zum Knochen vorgedrungen... das ist gut", fügte er hinzu als er Alecs Blick wahrnahm. Alec richtete seinen Blick wieder auf die geschlossenen Lider seiner Frau. Die Stirn war feucht und glühte. Wenigstens hatte sie für kurze Zeit ihr Bewusstsein erlangt, dies bedeutete, dass sie immer noch kämpfte. Er hörte O'Learys Worte und seine Anweisungen an die anderen kaum. Seine Aufmerksamkeit alleine genoss seine geliebte Schottin. Ihr Haar klebte an ihrer Stirn. Er strich ihr die Locken aus dem Gesicht und kühlte es mit einem Tuch. „Ich werde ihr nun die Hand mit Cajeputöl einreiben, es wirkt antiseptisch und verhindert eine weitere Vereiterung." Bruce sprach nun Alexander direkt an: „Und dies hier", er strich eine weisse Salbe über Isabellas Stirn, „ist Kaphoura, es sorgt für die nötige Kühlung gegen ihr Fieber. Ich habe beide Arzneien aus Rezepturen, die ein befreundeter Seefahrer mitgenommen hat. Sie sind selbst hergestellt. Er bringt mir hin und wieder Pflanzen und Rezepte aus fremden Kulturen, die ich dann mische und für meine Arbeit einsetze. Ich lasse dir die beiden hier... reibe ihre Hand und ihre Stirn ein, wenn du es für nötig hältst." Er klappte seine Tasche zu.
„Was ist", er sah zu Bruce, „was ist mit dem Kind?", fragte er zögerlich. O'Leary stellte seine Tasche auf den Bettrand. Er presste seine Lippen zusammen und sah von Isabella zu Alexander:
„Ich fürchte, es sieht nicht gut aus... das Kind scheint sehr schwach zu sein. Ich habe kaum eine Bewegung wahrgenommen und wenn sich seine Mutter nicht schnell erholt, wird... wird es wohl nicht überleben." Alexander sagte nichts. Sein Blick ruhte erneut auf Isabella und er legte seine Hand auf ihren Bauch. Ihr Kind. Es war ihr Kind. Die Vorstellung war grausam, doch wenn wenigstens Isabella überlebte... dann würde er keine weiteren Forderungen mehr stellen. Wenn sie mal wieder zu Kräften gekommen wäre, könnten sie immer noch eine Familie gründen. „Ich werde morgen wieder hierherkommen", sagte Bruce und stand nun an Alecs Seite. „Es tut mir sehr leid." Er drückte ihm rasch die Schulter und verliess das Gemach. Alec sah wie Thomas und Elaine die Schüsseln und Lappen, welche er zuvor im Zimmer herumgeworfen hatte, aufräumten. Erst jetzt fiel ihm Rickards Abwesenheit auf. Er hatte nicht bemerkt, dass er das Gemach verlassen hatte.
„Wo ist Rickard?", fragte er die beiden und Elaine wandte sich um:
„Ich glaube er ist bevor Doktor O'Leary begonnen hat nach draussen gegangen. Soll ich ihn suchen?"
„Nein... ich wollte nur", doch er beendete den Satz nicht. Er wusste, dass es Rickard nicht gut ging, aber er konnte sich zu diesem Zeitpunkt nicht um ihn kümmern.
„Ich werde nach ihm sehen", sagte Elaine. Sie trat ans Bett, hielt die Schüssel mit dem Eiter und den Lappen in Händen, küsste Alec auf die Wange und ging zur Tür.
„Hier, setz dich", sagte Thomas und Alec wandte sich um. Thomas hatte seinen Kaminsessel ans Bett geschoben und deutete darauf. Er nickte und setzte sich hinein. Jackson schnappte sich einen Stuhl, setzte sich verkehrt darauf und verschränkte seine Arme auf der Lehne.
„Du brauchst nicht hier zu wachen. Geh schlafen", sagte Alec und sah seinen treuen Freund an.
„Ich weiss, aber ich will es so." Thomas sah zu Isabella hinab und Schweigen breitete sich aus. Alec stellte seinen Ellenbogen auf die Lehne des Sessels und stützte seinen Kopf. Er wusste nicht, wie lange er Isabella schon angestarrt hatte, als die Tür geöffnet wurde und Elaine erneut ins Gemach trat. Sie balancierte ein Tablett mit Essen, Getränken und frischen Lappen für Isabella. Jackson schrak aus seinem Schlummer und rieb sich übermüdet die Augen. Elaine reichte ihm Brot und Käse und hielt auch Alec eines hin, doch er nickte es ab.
„Alec du musst etwas essen... niemand weiss wie lange es dauert bis sie wieder zu sich kommt. Du musst bei Kräften bleiben", sagte sie fürsorglich und Jackson fügte hinzu:
„Sie hat recht... damit hilfst du niemandem", und er biss herzhaft in sein Brot.
„Übrigens", sagte Elaine zaghaft, „meine Mutter ist nicht sehr erfreut darüber, dass sie immer noch im Violetten Salon festgehalten wird... könnten die Soldaten sie nicht in ihr Gemach entlassen? Die Gefahr scheint doch nun vorüber"
Das ist nicht der Grund, wieso sie festgehalten wurde", sagte Alec scharf. Elaine blickte ihn verwirrt an. Thomas hielt in seinem Kauen inne. Ihre Blicke trafen sich. Er hatte keine Ahnung was das Gespräch zwischen ihr und Talbot bedeutet hatte, doch es stand ausser Frage, dass Alice de Warenne etwas verbarg. Alexander beschlich ausserdem das Gefühl, dass es sich um mehr als nur eine Verschleierung der Verwandtschaft handelte. Doch wie sollte er es angehen? Eine zermürbe Taktik schien wohl das Beste zu sein, wenn er an Alice de Warenne dachte. Sie sollte eingesperrt bleiben und sich den Kopf zerbrechen, weshalb sie gefangen gehalten wurde. Alec sah nun zu Elaine: „Sie darf in ihr Gemach, aber sie bleibt dort. Sie verlässt ihr Zimmer nicht und wartet bis ich mir überlegt habe, wie es mit ihr weitergeht."
„Was ist geschehen Alec?", fragte Elaine sichtlich nervös.
„Liebste Schwester, dies weiss ich selbst noch nicht. Aber ich werde es herausfinden. Thomas, kannst du dafür sorgen, dass Wachen vor dem Gemach meiner Stiefmutter aufgestellt werden? Und dann leg dich hin. Wir brauchen nicht beide ohne Schlaf auszukommen", sagte er bestimmt. Thomas nickte zögernd und erhob sich, doch Elaine blieb neben Alec stehen:
„Alexander sag mir was vorgefallen ist!", drängte sie störrisch, aber Alec antwortete nicht. Er sah wie Jackson sie an ihrem Ellenbogen nach draussen zog und Stille kehrte ein. Er drängte die Gedanken an Alice de Warenne aus seinem Kopf und fokussierte sich auf das Wesentliche. Er kühlte mit einem Lappen Isabellas Stirn und Hals und wisperte dabei leise ihren Namen. Als könnte sie ihn hören, wenn er nur genug oft ihren Namen wiederholte. Er griff nach der Kaphourasalbe und massierte sanft ihre Stirn damit. Missmutig und ohne das geringste Hungergefühl schnappte er sich eine Scheibe Brot und schlang es zusammen mit etwas Schinken hinunter. Er blickte auf ihre Hand, die kalt und leblos auf der Bettdecke lag. Er rückte seinen Sessel näher an sein Himmelbett und ergriff ihre Hand. Sie war kalt im Gegensatz zum Rest von ihr, der zu glühen schien. Mit seinem Daumen streichelte er über ihren Handrücken.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt