Kapitel 3.4.1 - Die Räte

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Aber so war Quigly nicht. Hier täuschte das Auge den Betrachter vollkommen. Sobald man mit Ely ins Gespräch kam, wurde einem klar, dass er einer der fröhlichsten und freundlichsten Menschen überhaupt war. Elys Blick galt Alexander und John. „Sir Mitchell Lawley, der Duke of Yorkshire" redete Gillian weiter und holte Alec somit aus seinen Gedanken zurück. Den Duke of Yorkshire hatte er bisher noch nie kennen gelernt, wie die meisten Gentlemen, welche nichts mit der Kriegsführung oder seiner Familie zu tun hatten. Duke Lawley war ein älterer Mann, sein braunes Haar wurde von grauen Strähnen durchzogen und seine Augenbrauen sassen buschig über seinen kleinen grauen Augen. Die Öllampe flackerte als er sich von der Gruppe löste und nach vorne trat und John und Alexander begrüsste. „Weiter haben wir Sir Nigel Archer, Duke of Gloucestershire". Nigel Archer hatte hellbraune Augen, war ungefähr in Alecs Alter und lächelte erfreut. „Oliver Lord Napier, Marquess of Devon und Humphrey Lord Broyden, der Marquess of Dorset. Die anderen Peers, Duke de Clare, Duke Tudor und Duke Rich werden im Verlaufe des morgigen Tages hier eintreffen und Lord de Ferres und Duke Crandell werden selbstverständlich nachkommen, sobald sie ihre Pflicht auf dem Feld erfüllt haben. Doch nun nehmen sie kurz eine Erfrischung zu sich, bevor wir beginnen" sagte Gillian freundlich und wies auf die Tabletts. Lord Napier und Lord Broyden stellten sich kurz vor. Napier war etwas zurückhaltend und zog sich rasch wieder in den Hintergrund zurück. Er nahm einen Brandy und setzte sich in einen Sessel fernab. Sein dunkles Haar fiel ihm lässig seitlich ins Gesicht. Er hatte etwas kritisches und mürrisches in seinem jungen Blick. Alle anderen des kleinen Rates und die Drei unterhielten sich, nur Napier blieb alleine in seinem Sessel und schien auf die Besprechung zu warten. Lord Broyden gesellte sich zu John und Alec. Er war ungefähr in Johns Alter. Sie schienen sich zu kennen und unterhielten sich angeregt. Allerdings konnte sich Alexander nicht durchringen und auf das Gespräch einlassen, somit verpasste er einen Grossteil des Geredes. Lord Broyden genehmigte sich ein Glas Whisky und schon nach diesem einen Glas färbten sich seine Wangen dunkelrot. Der kleine Rat war eigentlich eine ziemlich geheime Angelegenheit. Selten waren Aussenstehende mitinvolviert und schon gar nicht wussten diese, wann Treffen dieses Rates stattfanden. Insgesamt bestand der kleine Rat aus neun Mitgliedern. Sie erhielten ihren Platz aufgrund besonderer Leistungen gegenüber der Krone. Der König konnte durchaus Empfehlungen für Sitze abgeben, aber die Ratsmitglieder alleine entschieden über Aufnahme oder Enthebung. Wer einen Sitz im kleinen Rat erhielt, der behielt ihn auf Lebenszeit. Die Familie hatte von da an ein Geburtsrecht auf den Sitz in diesem Rat. Nur wenn ein Mitglied unmoralisch oder aufgrund ungesellschaftlicher Tätlichkeit den Sitz verspielte, konnten die Mitglieder, einstimmig, den Sitz jemand anderem zusprechen. Zudem musste ein Mitglied mindestens den Titel eines Marquess innehaben, um aufgenommen zu werden, daran hatte sich in den letzten Jahrzenten nichts geändert. Der Rat hatte grossen Einfluss auf die Bestimmungen des Königs und die des Parlaments. Sie konnten Vetos einlegen und Verzögerungen erreichen. Ausserdem berieten sie den König und das Parlament bei all ihren Angelegenheiten. Mehr wusste Alexander über den kleinen Rat nicht zu sagen. Er vermutete, dass viele Angelegenheiten im Verborgenen abliefen, die der Öffentlichkeit entgingen. Er nippte an seinem Würzwein und versuchte sich auf das Gespräch von John und dem Marquess of Dorset zu konzentrieren. Morgen würde also sein Cousin Edmund und ebenso William de Clare hier eintreffen.
„Lord de Warenne?" fragte Lord Broyden scheinbar erneut.
„Verzeihung" sagte Alexander und blickte Humphrey Broyden an. Er wirkte pikiert, doch John griff ein
„Nun Lord Broyden hat gerade davon berichtet, dass er deinen Vater sehr gut gekannt hat Alexander". Da der Marquess of Dorset nicht unhöflich erscheinen wollte nickte er und meinte
„Das ist korrekt Lord Somerset" und an Alec gerichtet „Ich habe ihren Vater sehr wohl gekannt. Leider wurde ich erst sehr spät von seinem Tod in Kenntnis gesetzt. Mein Beileid"
„Ich hoffe die kleine Stärkung hat uns allen gutgetan. Bitte setzen sie sich doch an den grossen Tisch" wies Gillian sie an und ersparte Alexander damit auf dieses unangenehme Gespräch einzugehen. Gillian liess die Dienerschaft hinein, damit sie die Tabletts wegtragen konnten. Als der letzte die Bibliothekstür hinter sich geschlossen hatte, trat Gillian mit einer Flasche Brandy an die obere Tischkante, schenkte sich ein Glas ein und reichte die Flasche weiter „Ich möchte nun alle hier Anwesenden zu einer nun... nennen wir es äusserst ungewöhnlichen und unerfreulichen Sitzung des kleinen Rates willkommen heissen. Auch wenn der Rat noch nicht vollständig ist, gebieten es die Umstände, dass keine weiteren Verzögerungen eingelegt werden können". Gillian zog einen Stuhl an die Kante des Tisches und setzte sich hinein. Obwohl Gillian Leiter und Redenführer war, so war er kein offizielles Mitglied des kleinen Rates. Lumley war der Korrespondenz und Sitzungsbeauftragte. Man hatte ihn als Anwalt eingestellt und ihm wichtige Führungsaufgaben zugeteilt. Daher nannte man ihn auch den inoffiziellen Zehnten des kleinen Rates. „Meine Herren, die Ungewissheit hat sich nun bestätigt". Die Blicke der Herren am Tisch waren ausnahmslos auf Gillian Lumley gerichtet. „Der König, Henry der VIII ist tot". Der alte Theobald Gurdin legte seine zitternde Hand auf die Tischplatte und sagte
„Ist das einwandfrei geklärt Mister Lumley?" Die Gesichter der anderen wirkten grimmig, aber keines war überrascht. Gillian Lumley hatte sie alle schon vorab informiert.
„Deshalb Mister Gurdin sind Lord Beaufort und Lord de Warenne bei uns zu Gast" meinte Gillian und übergab somit Alexander mit einer Handbewegung das Wort. Die Lordschaften wandten ihren Blick zu ihm
„Es ist die Wahrheit meine Herren. Der König ist tot. Gefallen auf dem Schlachtfeld. Lord Beaufort und ich begaben uns aus diesem Grund so schnell als möglich auf den Weg hierher nach London, um den Leichnam des Königs in die Obhut des Parlaments und der Räte zu übergeben"
„Der Leichnam des Königs ist unversehrt?" fragte Nigel Archer, der Duke of Gloucestershire.
„Ich bin kein Mediziner Lord Archer, der König trägt starke körperliche Verletzungen am gesamten Torso, aber sein Gesicht scheint, bis auf ein paar Kratzer, relativ unversehrt. Er wurde mitten im Gefecht getötet. Es ist zudem auch auszuschliessen, dass die Schotten gewusst haben, dass es sich um den englischen König handeln sollte. Er ritt ohne Fahnenträger"
„Wieso ritt der König ohne Fahnenträger?" kam eine neugierige Frage von Oliver Napier, dem Marquess of Devon, der sich nach vorne lehnte und sein Haar aus dem Gesicht strich.
„Dies ist eine Frage, die ihnen niemand ausser Geoffrey Rudin beantworten könnte"
„Und wo steckt dieser Geoffrey Rudin?" fragte Oliver Napier spitz. Alexander presste seine Backenzähne aufeinander
„Er wird dem Haftrichter in London vorgeführt". Napier wollte sofort wieder eine Frage in den Raum werfen, doch Mitchell Lawley unterbrach ihn
„Um Gotteswillen Oliver, lass ihn erst einmal die gesamte Geschichte erzählen, wenn du dann immer noch ungeklärte Fragen hast... immerhin sprichst du hier mit dem ersten Hauptmann des Königs. Ihm verdanken wir den Sieg über Schottland" meinte Lawley streng und Napier lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Geoffrey Rudin wird dem Haftrichter vorgeführt, weil er der Truppe des Königs angehört hat, die in den Hinterhalt geraten ist und der einzige Überlebende war. Nach Absprache mit den Offizieren unserer Truppen wurde entschieden, dass er vorgeführt werden müsse. Die meisten von uns halten ihn allerdings für unschuldig und glauben seiner Version der Geschehnisse. Er erzählte, dass der König trotz abraten seiner Männer einer Truppe Schotten nachreiten wollte, um sie zu stellen. Es stellte sich allerdings heraus, dass es sich um eine Finte der Schotten gehandelt hatte, sie vom Rest der Truppe zu trennen. Sie wurden brutal niedergemetzelt und Geoffrey Rudin hatte versucht, dem König zu Hilfe zu eilen. Er war aber nicht in der Lage, die Soldaten zu überwinden und an seine Seite zu gelangen, also entschloss er sich, um den Hügel herum zu reiten und Verstärkung zu holen. Doch es war zu spät. Alle waren sie tot. Wir holten den Leichnam und transportierten ihn in der Kutsche hierher" beendete Alexander seine Erzählung.
„Ist der Krieg nun endgültig gewonnen?" fragte Ely.
„Ja... wir haben die Schotten besiegt. Die Truppen werden nun aufgelöst und die Gefangen werden alle nach London gebracht... auch König Jakob ist tot". Damit hatte allerdings niemand im Raum gerechnet. Aufgeregtes Murmeln ging umher und Alec war ein wenig entzückt, dass er wenigstens eine Neuigkeit hatte, die nicht schon alle gewusst hatten. Lord Broyden ergriff das Wort
„Ist das sicher?"
„Ziemlich. Lord Derby hat seinen Leichnam identifiziert. Ich denke sie werden seinen Körper der Königsfamilie in Schottland übergeben". Nigel Archer stellte sein Glas auf den Tisch
„Und diese Ereignisse sind nicht älter als... drei Tage?" fragte er verblüfft.
„Nun genau genommen ist vor ein paar Stunden der vierte Tag angebrochen, aber ja". Die Gentlemen waren verblüfft, erschlagen und schockiert, dass sah man ihnen zwar nicht unmittelbar an, doch man spürte es. Nach dem mehrere Minuten niemand ein Wort gesagt hatte, ergriff Gillian wieder das Wort
„Ich denke verehrte Peers, wir haben einige Dinge gehört, die uns zum Nachdenken anregen werden. Da wir Lord Beaufort und Lord de Warenne dankbar sind, dass sie den König so schnell es ging hierhergebracht haben, bevor die Gerüchte London erreichen, denke ich werden wir in den frühen Morgenstunden eine Verlautbarung tätigen. Ich werde die Dienerschaft offiziell über den Tod des Monarchen in Kenntnis setzen und wir müssen uns darauf gefasst machen, dass der grosse Rat wie auch das Parlament ebenfalls bald alle hier eintreffen werden. Nun ich denke die Drei" er blickte zu den drei Beratern des Königs „ich denke es ist am besten, wenn sie nun wieder ihre Aufgaben aufnehmen. Mister Tattles sollte den König bereits in seinen Gemächern zurecht gemacht haben. Mister Gurdin, kann möglicherweise einen Gottesdienst in der Kapelle für Elf Uhr zusammenstellen". Die Gruppierung löste sich auf und einer nach dem anderen verliess die Bibliothek.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt