Kapitel 5.2 - Neue Zeiten für das Hause de Warenne

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Im Mai verabschiedeten sich Robert und Maud. Sie würden in ein paar Wochen wieder hier erscheinen, vor allem wenn der Rat sie noch befragen wollte. Aber immerhin hatte sie der künftige König persönlich kennengelernt und Edmund hatte versichert, dass dies als weiterer Beweis ausreichen würde. Als der Mai langsam in den Juni hinüberglitt hatte Alec die Dienerschaft veranlasst ihre Habseligkeiten zu packen. Sie würden erst nach London reisen und danach weiter nach Carlisle in ihr Zuhause. Alice würde ebenfalls mitreisen, da ihre Anhörung einige Tage nach der Königskrönung stattfand. Wenige Tage vor ihrem Aufbruch war zum grössten Teil alles gepackt. Alec hatte ein paar seiner Männer auf Carlisle damit beauftragt die Möbel, Kleider und einige Bücher bereits vorab nach Cumberland zu schaffen. Alecs Gemach blieb so bestehen und auch Dustins Wiege würde hier in Surrey bleiben, damit sie immer zurückkehren könnten.

Ω

Seit Eagan Larraby hier gewesen war hatte Alec auf eine Gelegenheit gewartet sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Allerdings hatte das Geständnis seiner Stiefmutter ihn in der Verkündung dieser wichtigen und guten Nachricht zurückgehalten. Er war aber jetzt, kurz vor der Abreise, überzeugt, dass alle sich langsam von diesem Schock erholt hatten und bereit für eine kleine Feier wären. Die Dienerschaft hatte soeben das Essen abgeräumt und die Gespräche flammten wieder auf. Er sah zu seiner Linken. Isabella trug ein herrliches Kleid seiner verstorbenen Mutter und unterhielt sich mit Penny. Alec griff nach ihrer Hand, die neben ihrer Serviette auf dem Tisch lag. Zufrieden funkelte sie ihn an, während Alec ihre Hand drückte. Mit einem Räuspern wollte er die Aufmerksamkeit seiner Tischgefährten erregen, doch Rickard hatte gerade mit einem Löffel an sein Römerglas getrommelt. Überrascht betrachteten sie sich gegenseitig.
„Du zuerst", sagte sein Bruder und Alec nahm dankend an:
„Meine Freunde, meine Familie, lasst uns alle in den Grünen Salon gehen." Galant reichte er Isabella seinen Arm und sie hakte ein. John und Marie gingen voraus, gefolgt von Rickard und Penny. Der Diener vor dem Salon öffnete ihnen die Tür und sorgte für die Getränke. Alexander geleitete seine Frau zu der Chaiselongue und sie setzte sich neben Marie und Elaine. Penny liess sich in einen Sessel nieder, während Rickard sich auf die Lehne setzte. John goss sich ein Glas Brandy ein und ging zu dem Armsessel neben der Chaiselongue. In wenigen Schritten hatte Alexander den Beistelltisch erreicht, welcher in der Nähe des Kamins stand, und nahm die Dokumente, die er zuvor hier platziert hatte. Die neugierigen Blicke seiner Freunde ruhten auf ihm: „In den letzten Wochen ist vieles passiert. Ich", er lächelte zu Isabella, „und natürlich meine wundervolle Ehefrau sind froh, dass wir euch um uns gehabt haben." Er hielt das Dokument in beiden Händen: „Der Krieg ist gewonnen, viele meiner und auch andere Männer sind gefallen. Wir haben einen neuen König und England und Schottland blicken in eine gemeinsame Zukunft." Sein Blick glitt zu seinem Bruder: „In der gesamten Zeit habe ich mich auf dich, mein Bruder, verlassen können. Trotz deinen wenigen Erfahrungen im Kampf hast du dich äusserst bewährt und natürlich meinen grössten Schatz beschützt, dafür stehe ich bis ans Ende meines Lebens in deiner Schuld." Rickard errötete leicht und machte eine abwehrende Handbewegung. „Mit diesem Dokument", er hielt es seinem Bruder hin. Dieser erhob sich von der Armlehne und nahm es stutzend entgegen: „Übertrage ich dir den Titel unseres Vaters. Ab heute und bis in alle Ewigkeit bist du der Earl of Surrey und Herr über die vierzehn Hundreds." Rickard war erstarrt und sah in seine Augen. Für einen Moment schien er die Luft anzuhalten, dann blickte er auf die erste Seite des Pergaments. Ungläubig schüttelte er den Kopf und die Anwesenden freuten sich begeistert über Rickards Titel.
„Wie kann ich dies annehmen?", erwiderte Rickard, immer noch um Fassung ringend.
„Ich habe es dir übertragen. Der neue König hat es abgesegnet... es gibt kein Zurück Rickard." Sein Bruder kam zu Alec und umarmte ihn. Erstaunt legte er schliesslich ebenfalls seine Arme um seinen Bruder. Scheinbar hatte es Penny nicht mehr auf ihrem Sessel ausgehalten, war aufgesprungen und stand nun äusserst gespannt neben Rickard, während sie in das Pergament blickte.
„Wundervoll Alec", sagte John und hob sein Glas. Isabella strahlte, sie hatte es natürlich bereits gewusst, und schielte zu Rickard und Penny. Carson reichte ihnen allen ein Trinkglas, damit sie anstossen konnten.
„Auf den neuen Earl of Surrey, Rickard de Warenne!", riefen sie. Alec setzte sich zu seiner Liebsten.
„Hast du gesehen wie überrascht er war?", schmunzelte sie und ihr Blick wanderte erneut zu den Zweien. Alec folgte und sah gerade noch wie Rickard die Pergamente in seine Brusttasche steckte. Seine Miene war angespannt und auf einmal wirkte er sehr nervös. Rickards Augen fixierten John, der mit Marie sprach. Seine Füsse trugen ihn zu den beiden und er räusperte sich. Ihr Gespräch verstummte.
„Nun", sagte er etwas verlegen, kam noch näher zur Chaiselongue und dem Sessel, worin John sass. Alec warf einen Blick auf Penny. Sie hatte ihre Hände in den Sessel geklemmt und sah aufmerksam zu seinem Bruder. „Earl of Somerset, John Beaufort", begann er förmlich, „ich möchte dich um die Hand deiner jüngsten Tochter bitten." Isabella atmete tief ein und sah angespannt zu John. Marie schmunzelte und John, Alec konnte es nicht anders sagen, fiel aus allen Wolken. Der Earl of Somerset sah zu Penny, die dem Blick ihres Vaters standhielt. Schweigend richtete er sich auf und stellte sich vor ihm auf. Verblüfft schüttelte er seinen Kopf:
„Um Gotteswillen Rickard... ich habe nicht gewusst", doch Marie lachte und unterbrach ihn:
John, spann ihn nicht auf die Folter!" Es wirkte so als wüsste John nicht so recht, wie er reagieren sollte, doch er reichte Rickard die Hand:
„Aber natürlich. Rickard, Penelope, ihr habt meinen Segen." Marie und Isabella klatschten sofort in die Hände. Penny sprang auf und umarmte übermütig ihren Vater, dieser küsste sie auf die Stirn.
„Wie wundervoll eine Hochzeit!", meinte Marie und wischte sich Tränen aus den Augen.
„Mama!", rief sie mit bebender Stimme. Rickard nahm ihre Hand und sah sie zufrieden an. Seine Hand wurde von Isabellas ergriffen und sie zog ihn fröhlich lächelnd zu den beiden hin.
„Wir gratulieren euch", meinte Isabella und drückte Penny an sich. Alec nahm sie ebenso in die Arme und flüsterte ihr zu:
„Da hast du ihn also schlussendlich doch um den Finger gewickelt", schmunzelte er, woraufhin Pennys Augen zu glänzen begannen:
„Ja", ihr Blick wanderte zu Rickard, der jetzt Isabella umarmte, „das habe ich wohl." Mit seinem Römerglas, welches er in die Höhe hielt, sagte er:
„Ich gratuliere dir mein Bruder." Ein breites Grinsen umspannte Rickards Lippen, so wie er seit dem Krieg nicht mehr gelächelt hatte. Jetzt wusste Alec, dass sein Bruder sich von all den Geschehnissen erholen und Penny ihn glücklich machen würde. „Ich bin jederzeit für dich da", versprach er seinem kleinen Bruder, „wenn du Hilfe benötigst, um die Hundreds zu verwalten."
„Danke Bruder. Für all deinen Rat und dafür, dass du immer auf mich aufgepasst hast." Er stiess mit seinem Glas gegen Alecs. Die Stimmen der Frauen hüllten sie ein, sie sprachen bereits über die Hochzeit und was dafür zu tun sei. Elaine machte einige begeisterte Vorschläge, die bei Penny grossen Zuspruch fanden.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt