Alexander liess sich von Rickard das Lager der Söldner in einer Karte aufzeigen und gemeinsam besprachen sie den Schlachtplan. Den Männern, die zu verletzt waren wie Marcus, musste er verbieten mit ihm zu reiten, da sie partout mit in die Schlacht ziehen wollten, um die Bande zu zerschlagen. Die Nacht zog dahin und die Pläne waren besprochen. Im Morgengrauen würden sie das Lager überfallen. Die letzten Stunden sollte jeder noch für einen kurzen Schlaf nutzen. Alec hingegen konnte nicht an Schlaf denken. Seine Gedanken und Gefühle waren aufgepeitscht und er setzte sich vor das Feuer in der Grossen Halle und starrte verbissen hinein. Rickard schien es ähnlich zu gehen, denn er setzte sich schweigend neben ihn und vergrub sich in seinen Gedanken. Alec wollte etwas sagen, doch er konnte keine Worte finden. Obwohl er wusste, dass Rickard nicht die Schuld traf, so fühlte er trotz allem einen Groll auf ihn.
„Es ist meine Schuld", sagte Rickard schliesslich gequält, „diese Bastarde haben uns kalt erwischt! Und ich werde nicht ruhen bis der Letzte von ihnen tot am Boden liegt", murrte Rickard. Alexander schwieg eine Weile. Er fühlte dieselbe Wut. Keiner dieser Männer würde überleben, dies war sicher.
„Wie hast du deine Finger eingebüsst?", wollte Alexander wissen und wandte seinen Blick zum ersten Mal vom Feuer ab und betrachtete seinen Bruder. Er antwortete nicht sofort, sondern umklammerte seine rechte Hand, verdüsterte seine Miene:
„Rosco, der Anführer hat sie mir abgetrennt. Er war wohl der Meinung ich bräuchte sie nicht mehr." Alexander wollte nicht weiter graben und erwiderte:
„Rosco heisst der Anführer?" Rickard nickte. „Er wird mir gehören. Ich will, dass er durch meine Klinge stirbt", und wieder richtete er seine Augen ins Feuer. Die Flammen züngelten an den Holzscheiten hoch und knackten bedrohlich. Es vermischte sich mit ihrem Schweigen und schien sie in ihrem Vorhaben noch zu stärken.Als sie auf die Pferde stiegen war der Himmel noch undurchdringlich schwarz. Die Verletzten, die im Stande waren zu gehen, standen am Wehrgang und blickten auf die Männer hinab. Das Tor hob sich und die Reiter marschierten hindurch in die schwarze Nacht. Nach etwas mehr als einer halben Stunde trennten sich die Soldaten und die eine Truppe machte einen Schlenker. Sie würden warten und im richtigen Moment das Lager der Söldner von der anderen Seite her angreifen. Keiner sollte entkommen. Sanft wurde die Nacht heller und entblösste das spielerische Wogen des Meeres. Keiner der Männer hatte gewusst, wo ungefähr Isabellas Zelt stand. Also hatten sie den Befehl jedes einzelne so sorgfältig, wie nur irgend möglich zu erstürmen. An der Küste begannen sich Zelte von der Umgebung abzuheben und Alecs Herz schlug schneller. Er glaubte ohne seinen Wams und den Ringpanzer würde man seine Brust wütend pochen sehen. Sie verlangsamten ihren Schritt und glitten an der Küste entlang. Gut geschützt durch das Brausen des Meeres würde keiner sie hören. Ein kleines Feuer brannte im Lager und Alec wusste, dass sie Wachen aufgestellt hatten. Einige von ihnen, auch Alec und Rickard, stiegen von ihren Pferden und würden als erste ins Lager schleichen. Sie würden die Zelte am Rand einnehmen und die schlafenden Söldner darin erstechen. Wenn sie entdeckt werden würden, würde der Rest der Truppe im Galopp ins Lager stürmen. Soweit der Plan. Alec, Rickard und drei andere Soldaten schlichen im Schutz der Dämmerung an die Zelte heran. Jeder von ihnen schnappte sich ein Zelt und trat unauffällig hinein. Alec hob sachte die Zeltwand vor sich und warf einen Blick hinein. Das Zelt war leer. Er hatte nicht erwartet Isabella in diesem Zelt zu sehen, doch es schmerzte ihn gleichwohl. Im Zelt neben sich hörte er ein Gerangel und den Hieb eines Schwertes. Das Gemetzel hatte begonnen. Alec stürmte aus dem Zelt und trat eilig ins Nächste. Dort lagen zwei Gestalten auf Pritschen und schnarchten vor sich her. Alec stiess jenem der näher an ihm war sein Claymore durch die Kehle. Der Mann riss seine Augen auf, doch es war zu spät. Der andere Söldner auf der Pritsche erwachte durch das gurgelnde Geräusch, doch Alec war darauf gefasst, übersprang die Pritsche und noch ehe der Zweite ein Wort von sich geben konnte, steckte Alecs Schwert tief in seiner Lunge. Ein Hilfe Ruf war unmöglich, doch da hörte er von neben an
„Wir werden angegriffen!" Schreie dröhnten durch das Lager und Chaos brach aus. Er hörte, wie das Donnern der Hufe den Rest seiner Truppe ankündigte als sie ins Lager ritten. Alec trat aus dem Zelt und sah, wie einige Reiter Zelte niederrissen und darunter die Söldner begruben. Klingen prallten aneinander und Alec rannte durch die Zelte. Warf jeweils einen Blick hinein, in der Hoffnung sie zu finden. Einige Söldner stellten sich ihm in den Weg und er streckte sie innert kürzester Zeit nieder. Rücksichtslos stieg er über ihre Leichen und setzte seine Suche fort. Er blickte umher. Dieser Lärm müsste auch sie wachgerüttelt haben, oder war sie verletzt? Er sah Rickard, wie er soeben zwei Söldner niederstreckte und sie zu Boden stiess. Alfred lief von Zelt zu Zelt und entzündete sie mit einer Fackel. Männer schrien und brüllten umher. Wo war sie nur?! Ein grosser bulliger Söldner rammte Alec von der Seite und riss ihn von den Füssen. Er prügelte mit seinen Fäusten auf ihn ein. Scheinbar hatte er sein Schwert verloren und versuchte Alec nun so zu töten. Ein paar Schwinger, die es in sich hatten, trafen Alec am Kopf, doch er wehrte den Söldner ab und hechtete auf sein Claymore zu, dass beim Sprung des Söldners aus seiner Hand geflogen war. Alec schwang es in einem Halbkreis um sich und zerfetzte den Torso des Mannes. Eingeweide quollen aus der klaffenden Wunde. Der Söldner blickte hinab auf sein Innerstes. Er fiel vornüber und blickte erschrocken zu Alexander hinauf. Kein Mitleid durchströmte ihn. Normalerweise hätte er seinem Gegner Erlösung geschenkt, doch hier nicht. Er sollte qualvoll zu Grunde gehen, es war ihm gleich! Noch bevor der Todeskampf des Mannes vorbei war, hörte er einen Ruf:
„De Warenne! De Warenne, ich hab was du so sehnlichst begehrst!" Das Blut schoss in seinen Kopf. Er wandte sich von dem Sterbenden ab und folgte dem Ruf. Das Kämpfen hatte aufgehört und alle seine Männer folgten ihm. Der Ruf schien von der Mitte des Lagers zu kommen. Dort wo das Feuer war. Sie alle kamen zwischen den Zelten hervor und erreichten den Versammlungsplatz. Die Söldner hatten sich auf die andere Seite verkrochen und standen nun hinter ihrem Anführer.
„Rosco", spuckte Alexander und blickte ihn über das Feuer hinweg an. Der Söldner hatte ein barbarisches Lächeln aufgesetzt und schien die Begegnung zu geniessen. Bewegung war in den Reihen der Söldner zu sehen. Einer zog schleppend eine Gestalt neben Rosco und übergab sie ihm. Alecs Herz schien einige Schläge lang auszusetzen. Rosco packte die Frau an ihrem Oberarm und schwang sie brutal auf ihre Knie. Nichts hätte diese grobe Handlung gerechtfertigt, denn das feine Wesen schien ohnehin wackelig auf den Beinen zu sein. Alecs Griff umklammerte sein Schwert. Sie war zerschunden. Kratzer und Wunden zierten ihr einst zartes Gesicht. Ein Auge schien zugeschwollen und blau. Die Haut, die ihm an etlichen Stellen aus dem zerfetzen Kleid zu schimmerte, war blässlich und fahl. Sie war abgemagert und ihre Füsse waren nackt. Alec konnte nicht sagen, ob sie bei Bewusstsein war, denn ihr Kopf hing fast leblos nach unten. Die eine Hand war eingebunden und baumelte neben ihrem Körper. Der Bauch wölbte sich deutlich unter ihrem Kleid. Rosco begann zu lachen:
„Jaa Ihr habt ein äusserst widerspenstiges Frauenzimmer geehelicht de Warenne. Keiner der andern Gefangen hat uns so viele Schwierigkeiten beschert, wie Eure Frau es tat." Ihr Kopf zuckte bei seinem Namen und sie hob ihn sachte. „Nicht wahr Rickard?", sagte Rosco süffisant und blickte Alecs Bruder an. Rickards Muskeln spannten sich an und er blickte wutentbrannt zu Rosco. Kaum wahrnehmbar war es zu hören:
„Alec?", in dem sanften Wort lag so viel Hoffnung, dass Alec am liebsten losgestürmt wäre und sie in seine Arme geschlossen hätte.
„Ja er ist es meine Liebe", sagte Rosco zu ihr hinab und stiess sie vor sich zu Boden. Isabella krachte hinab, ohne sich abzufedern. Mühsam schien sie den Kopf zu heben. Ihre Augenhöhlen waren eingefallen und dunkle Ringe überschatteten ihre Augen.
„Lasst sie in Frieden!", schrie Alec ihn an und Rosco wandte den Blick wieder zu ihm:
„Von mir aus... Ihr könnt sie haben, wenn ihr sie überhaupt noch wollt", lachte er zwischen seinen weissen Zähnen hervor. „Ich habe sowieso nur auf diesen Augenblick gewartet, bis wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und ich meine Klinge in euer Fleisch stossen kann." Isabella versuchte sich aufzusetzen und rief mit etwas festerer Stimme als zuvor:
„Nein! Bitte", sie schluchzte. Es zerriss sein Herz:
„Na so sei es!", schrie Alec zurück, „Lasst sie gehen und wir werden uns duellieren bis auf den Tod, das kann ich euch versprechen! Mein Schwert wird es sein das durch eure Eingeweide wühlt." Rosco brüllte laut auf und die beiden Seiten sprengten aufeinander zu. Alec rief an Alfred gewandt: „Nimm sie und bring sie in Sicherheit!" Nun hatte er nur noch Augen für Rosco. Sein Schwert schlug auf Rosco hinab, der sich aber geschickt zur Seite warf und Alec sofort von hinten angreifen wollte. Aber Alec war darauf gefasst und trat einen Schritt zurück, sodass Roscos Klinge an seiner Hüfte vorbei surrte.
DU LIEST GERADE
Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...