Kapitel 1.6 - Der König und sein Plan

576 39 1
                                    

Die Lage blieb verhältnismässig ruhig. Es gab einige Schotten, die an bestimmten Stellen noch einmal einen Angriff versuchten, doch schliesslich zogen sie sich weiter zurück. Der gefangene Schotte stellte sich als ein Mitglied des Clans der Ogilvy heraus. Mehr Informationen erhielten sie von ihm allerdings nicht. Die zweite Front mit dem König traf Ende Oktober in Arcioldun ein. Die Offiziere und Befehlshaber blieben vorerst im Lager von James. Ihre Soldaten rückten weiter vor und bauten ihre Lager in grösseren Abständen zueinander auf. Sie bildeten praktisch eine Linie von West nach Ost. Die erste Front mit Alec und James würde dann, sobald die Zeit gekommen war, an ihnen vorbei und weiter nach Schottland eindringen. Geplant war nun Richtung Edinburgh zu marschieren und dann die Highlands anzugreifen. Dies sollte, nach den beiden lächerlichen ersten Gefechten, der schwierigste Teil werden. Alec hatte sich geirrt was die beiden Ersten anging und war nun überzeugt, dass auch hier keine echten Soldaten gegen sie antreten würden. Der König berief sofort eine Ratssitzung ein, um über die Verluste und die Taktiken informiert zu werden. Mittlerweile waren auch andere Peers zu dem Schluss gekommen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen vor sich ging. König Henry war jedoch anderer Ansicht
„Nein!" donnerte er „die Schotten räumen das Schlachtfeld, weil sie genau wissen" sagte er zitternd mit dem erhobenen Zeigefinger „dass sie keine Chance gegen unser Heer haben und mich als ihren König anerkennen! Wir zerschlagen sie und treffen sie dort, wo es diese Barbaren am meisten schmerzt! Sobald Edinburgh und Glasgow hinter uns liegen, brauchen wir nur noch die Highlands zu erobern und sie gehören uns!" sagte Henry der VIII voller Inbrunst und schleifte das Bärenfell, welches über seinen Schultern hing, am Boden entlang „Wir werden ihnen zeigen, was es bedeutet sich gegen England und den König zu stellen! Sie werden es kein zweites Mal wagen, uns Engländer zu demütigen! Wir werden durch ihr ganzes Land rasen, wie die Pest!" Er schwebte zum Tisch und riss sich ein Hühnerbein ab. Die Peers und ihre Sergeants waren alle verstummt. Zwischen zwei bissen fragte Henry VIII „De Warenne, de Ferres wo steckt Lord Brandon?" James kam Alec zuvor
„Sire, ich erhielt einen Brief von einem seiner Boten. Er und seine Männer waren in Duns aufgehalten worden. Als sie zu uns aufschliessen wollten grassierte eine Krankheit bei seinen Männern". James räusperte sich „Alle mussten sich übergeben und ihre Knie konnten sie nicht mehr stützen. Er meinte, sobald seine Männer und er wieder bei Kräften seien, würde er aufschliessen". Henry VIII schnaubte missbilligend
„Ha, dieser Narr... nun lasst mich allein". Die Peers erhoben sich und drängten aus dem Zelt „Ihr nicht de Warenne". Alec nickte und drehte sich dem König zu. Der König wartete bis alle Lords sein Zelt verlassen hatten und blickte dann Alec durchdringend an „Ich weiss ihr wart ein sehr treuer Anhänger meines Vaters und deshalb schätze ich eure Meinung über alle Massen, allerdings" sagte Henry VIII und nahm sich ein paar Trauben von einem silbernen Tablett „ist mir zugetragen worden, dass ihr eine Spionin unter eurem Dach beherbergt und das hat mich an eurer Aufrichtigkeit zweifeln lassen" sagte er genüsslich und beobachtete Alexander genau. Alec verneigte sich
„Eure Majestät lasst euer Ohr nicht mit Unrat von Talbot füllen. Er neigt oft dazu, sich selbst als zu gerissen anzusehen, um mit Lügen an seine niedrigen Ziele zu gelangen. Doch mir ist sehr wohl bewusst, dass dieses Missverständnis aus der Welt geschafft werden muss" endete Alec.
„Ihr wisst also, dass Talbot mich davon in Kenntnis gesetzt hatte" meinte der König langsam und musterte Alec sehr genau. Alec nickte mit dem Kopf und Henry VIII fuhr fort „Nur zu, berichtet mir von diesem Frauenzimmer, das einen solch teuflischen Plan verfolgte, um sich bei einem meiner Hauptmänner einzunisten". Alec spürte, welch Gradwanderung er nun vollbringen müsste. Er hätte nicht gedacht, dass Henry sich während des Krieges für Isabella interessieren könnte und nun musste er ihn davon überzeugen, dass seine Frau keine Spionin war.
„Nun Sire, es ist schlicht unmöglich, dass sie vor bald zwei Jahren schon wusste, dass ich der erste Hauptmann sein würde, da ich zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht informiert worden war". Henry nickte
„Das ist wahr... weiter" forderte er Alec auf.
„Ihr Name ist Isabella Rose Campbell und sie ist Talbots Mündel gewesen". Henry hob seine Augenbrauen und Alec fuhr fort „Ab hier kann ich nur noch Vermutungen anstellen, denn leider ist mir bisher keine Zeit geblieben Nachforschungen anzustellen. Wie es aussieht ist sein Mündel aus seiner Obhut geflohen, da er ihr wahrscheinlich Leid zugefügt hat. Da Talbot nun ja, doch eher ein bescheidenes Dasein fristet, bin ich davon überzeugt, dass sie ein Vermögen in Aussicht hat, welches er für sich beanspruchen wollte". Henry sah ihn immer noch aufmerksam an
„Sie ist Schottin?" fragte er.
„Ich vermute" sagte Alec bedacht.
„Und wie ist sie bei euch gelandet?". Seine Augen blickten Alexander neugierig an.
„Als Dienstmädchen". Henry lachte auf
Dienstmädchen? Eine Adlige? Und ihr habt das kleine Ding nicht durchschaut?". Alexander schüttelte den Kopf. „Dann muss sie eine Verführerin und ein verdammt schönes Weibsbild sein, dass sie selbst euch Alexander de Warenne, den einsamen Löwen, so bezirzen konnte". Alec war nicht dumm, er wusste er dürfte nicht auf die Anspielung reagieren. Der König liess sich einen weiteren Kelch mit Wein reichen „Nun gut. Das Weibsbild könnte noch von grossem Nutzen sein. Behaltet sie noch bei euch. Talbot würde sie nur zu Grunde richten und" er brach ab und blickte zu Alec „Ihr dürft nun gehen". Alexander verneigte sich und verliess das Zelt des Königs. Die Andeutungen Henrys setzten ihm zu. Jetzt war Isabella zum Spielball des Königs geworden und Alec wusste nicht, wie viel Einfluss er geltend machen könnte, um ihr beizustehen. Wie Henry darauf reagieren würde, dass Isabella bereits verheiratet war und dass die Ehe schon längst vollzogen worden war, darauf hatte er keine Antwort. Alecs Gedanken waren so düster, wie die Wolken über ihm. Er müsste sich eine Strategie zurechtlegen, die den König so sehr überzeugen würde, dass er darüber hinwegsah, dass Alec den König praktisch hintergangen hatte. Er lief zwischen den Zelten zurück und sah vereinzelt Soldaten. Einige hielten Wache, andere versorgten ihre Wunden. Es half nichts, er musste mit dem Arbeiten, was er hatte. Immerhin hatte er für den jetzigen Zeitpunkt die Deckung des Königs und musste nicht damit rechnen, dass Henry Talbot erlauben würde, Isabella zu sich zu holen. Und das war, zumindest im Moment, das Wichtigste. Er hob die Plane seines Zeltes und trat ein.
Der nächste morgen brach früh an und Alec beruf seine Offiziere zusammen. Er setzte sie darüber in Kenntnis, dass sie ihr Hauptlager in Dun Rig und die anderen beiden in Rachan und Stanhope errichten würden. Dies hatte er mit James bereits festgelegt. Er sah in den Gesichtern seiner Männer seine eigene Skepsis aufleuchten, doch keiner seiner Offiziere würde ihrem Kommandanten widersprechen. Als seine Männer das Zelt verlassen hatten, wandte er sich an Rickard und Jackson
„Jackson hast du bereits einen Boten an deine Kontaktmänner senden können? Wir müssen endlich wissen, was die Schotten planen. Ich fürchte sonst, dass wir eine Überraschung erleben werden, die wir nicht überleben". Jackson nickte
„Das habe ich, gleich als du mir den Befehl gabst. Doch so schnell wird keine Nachricht eintreffen Alec". Alec blickte die beiden an
„König Henry weiss nun über Isabella Bescheid. Er sieht ebenfalls keine Gefahr in ihr" sagte Alec langsam. Rickard sprang sofort ein
„Das ist ja grossartig! Dann steht euch nichts mehr im Weg" doch sein anfängliches Lächeln verblasste rasch bei Alexanders Blick.
„Er weiss nichts von unserer Hochzeit, geschweige denn von unserem baldigen Nachwuchs". Jackson verzog dabei sein Gesicht und kratzte sich. Betretenes Schweigen breitete sich aus, bis Thomas es unterbrach
„Und ich nehme an, er will sie benutzen...?"

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt