Dunkle schemenhafte Wolken waberten über den immer schwärzer werdenden Nachthimmel. Die Stille und die Anspannung waren beinahe spürbar. Weit hinten in der Ferne konnte man helle Striemen am Horizont ausmachen. Dort berührte der Himmel die Erde und liess sie in gleissendem Licht der Blitze erstrahlen, als würde Gott selbst über die Geschehnisse der letzten Stunde ungehalten sein. Doch der schwarze Reiter auf seinem schwarzen Hengst glitt rasend über die Ebene und hielt auf einen kleinen See zu. Rasant wichen sie den Bäumen aus, die ihnen den Weg versperrten oder sprengten über Büsche, die scheinbar plötzlich aus dem Nichts auftauchten. Der agile Hengst fühlte die aufgepeitschte Stimmung bis ins Blut und liess seine Muskeln spielen, während sein Meister verbissen nach vorn schaute und ihm freien Lauf liess. Der See kam immer näher und erst kurz vor dem Ufer zügelte der Reiter seinen Schwarzen. Das Pferd stieg atemberaubend auf seine Hinterläufe und wieherte erregt. Der Mann stieg ab, entfernte das Halfter von seinem Pferd und entliess es. Die Whisky Flasche in der Hand stapfte er wütenden Schrittes zum Ufer des Sees. Diese Frau trieb ihn in den Wahnsinn! Nun da er versucht hatte über seinen Schatten zu springen, um ihr zu verzeihen, dass sie ihn nicht heiraten wollte und ihm ihre Geschichte nicht anvertraut hatte, kam das nächste Geheimnis zum Vorschein! Mindestens hier hätte er doch von Anfang an eingeweiht werden müssen, da es doch auch sein Kind war, oder? Sein Kopf dachte weiter. Nein!
„Nein! Das hätte sie mir nie angetan" fluchte er. Doch eine kleine innere Stimme beharrte auf dieser Frage. Er hob die Flasche an seine Lippen und nahm einen weiteren kräftigen Schluck des Whiskys. Arac weidete gemütlich etwas abseits von Alec und wieherte zufrieden. Er hatte nicht länger im Lager bleiben können und war auf Arac, eine halbe Stunde, Richtung Aillmoore an den See geritten. Im Lager feierten die Soldaten ihren ersten Sieg in diesem Krieg und die leichten Mädchen sollten sie auf andere Gedanken bringen. Alec wusste nur zu genau, dass er einen grossen Fehler begangen hätte, wenn er nicht weggeritten wäre. Hier war er vor Dummheiten in Sicherheit. Er lehnte sich ins nasse Gras zurück. Sie war schwanger! Er musste sie schnellstens vor einen Priester bringen, doch er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sie dazu bringen sollte einzuwilligen. Er leerte die gesamte Flasche und versuchte seine schäumenden Gedanken zu besänftigen. Doch es schien nichts dazu beizutragen, dass er wirklich zur Ruhe kam. Ein Gedanke fesselte ihn und liess ihn nicht mehr los. Herrgott! Er war der Mann und er hatte Entscheidungen zu treffen, das war nun einmal so! Grimmig erhob er sich und trat zu Arac. Einmal den Gedanken gefasst, war er von nichts anderem zu überzeugen. Im Schnellgalopp ritt er mit Arac zurück. Hektisch schlitterten sie ins Lager, wo Alec dem Pferdejungen Arac überreichte und direkt auf sein Zelt zu steuerte. Vor dem Eingang stand eine Wache und Alec ergriff die Gelegenheit, packte den Jungen am Kragen. Er hatte ihn oft mit Isabella zusammen gesehenen, er hatte sie zum Lachen gebracht und sie unterhalten. Es war ihm schon auf Carlisle aufgefallen, wie der Junge sich in ihrer Nähe wohl zu fühlen schien! Aber er war doch noch ein halbes Kind?! Sollte sie ihn, ihm Alexander, vorgezogen haben?! Der Alkohol war ihm zu Kopf gestiegen, doch dies kümmerte ihn nicht „Sag mir Junge, warst du bei ihr alleine oder gar ein anderer Mann mit ihr im Zelt oder in ihrem Gemach in Carlisle?" Der Junge schüttelte energisch den Kopf
„Nein Mylord... nur... ihr" sagte er verunsichert und Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Alec sah ihn grimmig an und seine Vernunft kämpfte gegen sein Misstrauen. Der junge Soldat schluckte verängstigt „My Mylord... Mylady ist... ist eine wunderbare Lady". Alec zog seine Stirn in Falten und der Junge fuhr fort „aber sie ist wie eine Mutter zu uns Waisen". Diese Worte drangen durch den Nebel des Alkohols hindurch und Alec liess ihn abrupt los. Er wusste, dass er zu weit gegangen war. Er schüttelte sich kurz und klopfte dann dem Jungen auf die Schultern
„Nichts für ungut mein Junge". Alec kratzte sich verlegen am Hinterkopf und fragte schliesslich „Bist du bereit und könntest nach Gretney reiten?" fragte er seinen verblüfften Soldaten.
„Ja Mylord" antwortete er.
„Dann reite so schnell du kannst dorthin und bring einen Priester mit, sag ihm es ist äusserst wichtig... und nenn ihm meinen Namen". Der Junge nickte, froh darüber, dass er von ihm weg kam und rannte los.
„Was tust du da?" fragte Jackson, als er sich von hinten näherte. Alec drehte sich um. Thomas hatte ein schönes Veilchen unter dem linken Auge, was Alec Befriedigung verschaffte. „Immer noch wütend?" fragte Thomas lässig und setzte sich auf den Stuhl, auf dem soeben noch der Junge gesessen hatte. „Wo hast du Dustin hingeschickt?" wollte er wissen.
„Ah Dustin... ich wusste seinen Namen nicht mehr" nach einer längeren Pause meinte Alec „Habe ihm gesagt, er solle einen Priester auftreiben" sagte er und setzte sich auf den zweiten Stuhl, der vor dem Zelt stand.
„Sie schläft bereits" meinte Thomas.
„Das spielt keine Rolle. Der Priester wird sowieso erst morgen früh hier sein. Der Junge reitet nach Gretney". Als Jackson ihn fragend anblickte, meinte er erklärend „Diese Priester stellen weniger Fragen". Bei dieser Antwort nickte Thomas langsam wissend.
„Alec sprich mit ihr... sie hat genug durchgemacht und das auch ohne Schwangerschaft" doch Alec hob seine Hand, damit er verstummte
„Versuch mir nicht Ratschläge zu erteilen. Du hast es gewusst und mir nichts davon erzählt". Thomas atmete schwer aus
„Ich weiss und mir war bewusst, dass du es nicht gut aufnehmen würdest, doch Isabella... hatte schlagfertige Argumente, wieso sie dir noch nichts sagen wollte" meinte Jackson verteidigend. Alexander schnaubte ungläubig
„Argumente?! Du bist mein erster Offizier verdammt! Ich sollte dir vertrauen"
„Das kannst du auch Alec" erwiderte Thomas resigniert. Alec legte seinen Kopf in die Hände. Es war absolut frustrierend. Zwei Menschen, die ihm sehr am Herzen lagen, hatten ihn hintergangen. Das Thomas vielleicht unter Umständen versucht hatte Isabella zu schützen, mochte sein, denn sie hatte ihm bisher kein bisschen über den Weg getraut. Diesen Sachverhalt musste er ändern und deshalb hatte er den Priester holen lassen. Sie konnte sich noch lange hinter ihrer Verschwiegenheit verbergen, doch als seine Frau war sie an ihn gebunden. Es war wohl nicht die feine englische Art, doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Auch er hatte Dinge, die er ändern musste, dies war ihm bewusst. Immerhin hatte er dank ihr fast keinen starken Tropfen mehr angerührt, bis auf heute Nacht. Mit der Trauung verfolgte er gewiss nicht nur edle Ziele. Er hatte erkannt, der Krieg hatte es deutlich hervorgehoben, dass er ihre Anwesenheit, ihr Wesen brauchte. Er würde sie ehelichen sobald der Priester da war und dann etwas Gras darüber wachsen lassen, bis sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte und die Ehe nicht mehr auflösen könnte. Er rieb sich die Augen, nun überkam auch ihn Müdigkeit und er unterdrückte ein Gähnen. Er sah zu Thomas hinüber, er sass immer noch auf dem Holzstuhl und blickte in den Himmel.
„Gute Nacht" meinte Alexander versöhnlicher und trat ins Zelt. Ein kleiner Berg in der Mitte des Bettes verriet ihm, dass Isabella sich dort eingerollt hatte. Wie in Bel Kirk, hob er die Felle und Kissen auf, die sie auf den Boden geworfen hatte. Er bedeckte sie vorsichtig und legte einen Ziegenfellbeutel zu ihren Füssen. Isabella lag in Seitenlage zur Mitte des Bettes. Die rechte Hand ruhte auf ihrem Bauch. Alec entkleidete sich, schlüpfte auf der anderen Seite ins Bett, wo ihn sofort der Schlaf übermannte.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...