Kapitel 3.14 - Ausgeglichene Verhältnisse

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Sie blickte sich hastig um. Ihr Lager lag in einer Senke an einem Fluss. Die Küste war nicht weit entfernt und Isabella roch die salzige See. Als sie den Blick weiter nach Süden richtete, verkrampfte sich ihr Magen. Felsige, spitze Klippen ragten weit hinten hinauf und kamen Isabella so wunderbar vertraut vor. Was nun von ihren Lippen tröpfelte war nur ein leiser hauch „Carlisle Castle". Der Soldat, welcher sie festhielt, feixte
„Haha Cumberland... endlich wieder englischen Boden unter meinen Füssen" gurrte er und zerrte Isabella weiter hinter mehrere grosse Steinblöcke und liess ihr ihren Freiraum. Sie konnte es nicht fassen. Was hatte Talbot nur vor, fragte sie sich verzweifelt, als der Soldat sie wieder an ihrem Pfahl befestigte und sie allein zurück liess. In den nächsten beiden Tagen erfuhr Isabella, dass Talbot mit seinen Männern das Lager verlassen hatte. Er war nach London gereist. Er hatte den Entschluss gefasst die Dokumente zu holen. Möglicherweise war es ihm zu gefährlich, da Alexander de Warennes Gefangene frei waren und Rickard auch noch wusste, wo die Dokumente zu finden waren. Warum Rosco mit Isabella allerdings nach Carlisle gezogen war, erfuhr sie erst am dritten Tag. Rosco betrat ihr Zelt
„Zieh dich an" sagte er zu ihr und ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ihr geschwollenes Gesicht betrachtete.
„Wo bringt ihr mich hin?" fragte sie eisig und machte keine Anstalten seinem Befehl Folge zu leisten.
„Ich fürchte nicht, dass du in der Verfassung bist irgendwelche Bedingungen zu stellen"
„Da irrt ihr" sagte sie etwas kratzig, „Nun habt ihr keinen mehr den ihr töten oder foltern könnt, um mich umzustimmen" meinte Isabella tonlos und blickte ihn an. Er starrte sie an, musterte sie unverhohlen neugierig
„Wir holen das Dokument aus Carlisle Castle... das wolltet ihr doch die gesamte Zeit. Jetzt könnt ihr es tun". Isabella wurde weiss. Sie sollte diese Bande, nun da sie ihre Männer von diesen Tyrannen befreit hatte, in die Burg lassen?! Niemals! Lieber würde sie sterben!
„Nein" sagte sie schlicht und stand auf. Rosco malmte mit seinen Zähnen und funkelte sie an
„Was Talbot dir angetan hat ist nichts, verglichen mit den Schmerzen, die ich dir zufüge, wenn du nicht tust was ich dir sage"
„Wir machen es nach meinen Bedingungen" sie blickte mit ebenso kalten Augen in die Seinen. „Ihr könnt mich foltern... ihr könnt mich töten... es ist mir gleich, aber ich lasse eure Männer nicht in die Nähe dieser Menschen!" sagte sie und ihre Stimme bebte. Sie standen sich beide gegenüber. „Wir beide gehen alleine... keiner dieser widerwärtigen Kreaturen, welche du deine Männer nennst, wird die Mauern dieser Burg je von Innen sehen!" Ihr Blick war kalt und starr und Rosco sah sie an, er schien nicht einmal zu blinzeln
„Ich soll alleine... in eine voll bewaffnete Burg gehen?" höhnte er. Isabella schnappte sich reflexartig seine Hand und hielt sie sich an die Kehle
„Wenn ihr hier euren Dolch haltet und wir so in die Burg schreiten, werden die Männer auf meinen Befehl hin nichts tun. Wir können das Dokument holen und wieder aus Carlisle Castle verschwinden... und Niemandem geschieht etwas." Sein Blick durchbohrte sie und er liess es sich nicht nehmen kurz zu zudrücken, bevor er seine Hand wieder von ihrer Kehle nahm. Er erwiderte
„Wenn ihr mich zum Narren haltet seid ihr tot." Er schritt an ihr vorbei „In fünf Minuten bei meinem Pferd." Isabella schnappte nach Luft. Es war ein gefährliches Vorhaben, doch ihre einzige Möglichkeit die Menschen auf Carlisle Castle zu schützen. Sie ritten mit einem kleinen Trupp in Richtung Heimat. Als sie näher an die Burgmauer kamen, flammten in Isabellas Brust kleine Feuer auf. Sie hatte den Anblick schon damals äusserst beeindruckend empfunden, als sie es das erste Mal gesehen hatte. Aber nun da sie sich nach Wochen nach Zuhause, nach Alec gesehnt hatte, erschien ihr der Anblick, wie aus einem wunderbaren Traum. Das Wappen der de Warennes flackerte im feuchtfröhlichen Wind, um die Mauer und die Reiter kamen in einem genügenden Abstand davor zum Stehen. Isabella sah, wie einer der Wachen auf dem Wehrgang davon eilte und Alarm schlug. Kurz darauf hörten sie eine laute Stimme, die über den Wind hinweg rief
„Das ist die Burg von Alexander John Arthur Lord de Warenne, dem Earl of Cumberland" einige Fetzen konnten sie wegen des Windes nicht verstehen, dann sagte der Soldat „Was wollt ihr?" Rosco blickte Isabella an. Sie räusperte sich
„Iich.." hob sie an, doch der Wind trug ihre Worte rasch fort und sie musste erneut ansetzen, dieses Mal etwas lauter „Ich bin Isabella Rose Campbell, ich war Gast bei Alexander de Warenne." Sie wusste ehrlich gesagt nicht genau was man in einer solchen Situation zu sagen pflegte, also sagte sie „Ich bin eine Geisel von Lord Talbot und diesen Söldnern" sie warf Rosco über ihre Schulter einen abschätzenden Blick zu. „Es befindet sich ein Dokument in der Burg, welches ich unbedingt diesen Söldnern ausliefern muss." Mehr wusste sie nicht zu sagen. Es musste sich haarsträubend anhören. Sie blickte zum Wehrgang hinauf. Sie konnte nicht sagen, wie ihre Worte angekommen waren und ob man sich noch an sie erinnern konnte. Dann hörte sie
„Isabella? Isabella!" Rasch hob sie den Kopf und blickte hinauf. Am Wehrgang erschien nun Rickards Kopf. Isabellas Augen begannen zu leuchten. Sie hatten es tatsächlich geschafft! Ihr Herz klopfte laut und ein kleines Lächeln kräuselte sich auf ihren Lippen
„Rickard!" wisperte sie. Sie hörte nicht was er mit den Soldaten auf dem Wehrgang sprach, doch dann schrie er
„Was wollt ihr?"
„Rickard ich brauche etwas aus der Burg... ich muss es holen... mit Rosco... dann gehen wir wieder" sagte sie hoffnungsvoll. Rickard verschwand hinter der hohen Mauer und tauchte sogleich wieder auf. Er hielt ein Stück Pergament in der Hand
„Ihr wollt das?" Isabella hörte Rosco verächtlich schnauben, bevor er antwortete
„Genau." Sein Pferd tänzelte nervös.
„Ihr könnt es haben, sofort, aber lasst Isabella frei. Das Pergament gegen sie!" sagte Rickard flugs. Rosco grinste
„Das ist leider nicht möglich Rickard, dass weisst du. Sie ist für Talbot viel zu wertvoll, ausserdem ist sie ja offiziell noch sein Mündel"
„Dann gibt es auch kein Pergament." Rosco stimmte ein schauriges Lachen an und seine Männer machten mit
„Hahaaha ja und ich dachte die Leute in meiner Gefangenschaft hätten etwas gelernt." Isabella schluckte. „Rickard gerade du solltest wissen, dass ich keine Spielchen spiele. Hast du dir dieses Weib mal genauer angesehen? Vielleicht siehst du es von dort oben nicht, aber sie sieht nicht sehr gesund aus" sagte er höhnisch grinsend und drückte ihren Kopf auf die Seite, damit er ihr geschwollenes Gesicht sehen konnte. Rickards Fluch ertönte und er verschwand vom Wehrgang. Das Tor öffnete sich und Isabella erstickte einen Angstschrei im Keim. Eine Reihe schwer bewaffneter Soldaten trat aus dem halb geöffneten Tor hinter Rickard. Viele der Gefangen aus Buthbren waren unter ihnen und hielten eine Waffe in der Hand. Sie wirkten gesünder und hatten wieder mehr Farbe im Gesicht, stellte Isabella erleichtert fest. Sie marschierten den gepflasterten Weg hinab und stellten sich in einer Reihe auf. Die Truppe der Söldner ging auf die Wachen der de Warennes zu. Als sie nur noch wenig Abstand zueinander hatten und sich gut sehen konnten, blieben sie erneut stehen.
„Isabella" wisperte eine Stimme und sie sah Rickard. „Was haben sie dir angetan?" Isabella versuchte zu lächeln, doch die Beule an ihrem Kopf tat ihr weh und sie zuckte zusammen
„Es geht mir gut Rickard", doch er war erbleicht. Sie nahm die Bilder immer noch zum grössten Teil verschwommen wahr. Rosco lachte laut auf
„Her mit dem Dokument oder es wird ihr noch weiter so ergehen" sagte er triumphierend. Isabella sah, wie Rickard ihn angewidert ansah, seine Hand hob und ihm das Dokument übergab.
„Dafür werdet ihr euren Kopf verlieren Rosco." Er schnappte sich das Pergament und tat es in seine Innentasche.
„Kann es kaum erwarten, aber ich möchte mich ungern mit Ruhmestaten anderer Männer schmücken. Das da", er deutete auf Isabella vor ihm, „habe nicht ich angerichtet, sondern Talbot... nach eurer Flucht" sagte er süsslich und Isabella sah Rickard noch blasser werden und schlucken. Rosco machte Anstalten zu gehen und Isabella wandte sich um und sagte
„Rickard, es geht mir gut." Sie versuchte so zuversichtlich wie möglich zu klingen, doch sie selbst spürte, dass es wenig erfolgt hatte. Rickard hatte einen versteinerten Ausdruck auf dem Gesicht.
Zurück im Lager ketteten sie Isabella wieder in ihrem Zelt an und liessen sie allein. Wenn sie die Augen schloss tauchte das Gesicht von Rickard auf, der sich Vorwürfe machte ihretwegen. Ben, der sie bat seiner Frau zu sagen, dass er sie liebte... Dustin, der in ihren Armen für sie gestorben war... ihre Eltern und wer weiss noch wie viele! Isabella liess sich in die Felle sinken. Sie konnte nicht ihre Augen schliessen. All ihre Gesichter schwirrten um sie herum und sie konnte sie nicht vergessen. Und der Krieg?! Wann würde sie nur wieder Alexander sehen? Tiefe Schluchzer überkamen sie. Sie fühlte sich so einsam und konnte nicht sagen, wie lange sie noch die Kraft hätte dies auszuhalten.


Hallo fleissige Leser, ich wurde von jemandem darauf hingewiesen, dass Absätze in der Geschichte besser ankämen und man dadurch die Geschichte angenehmer lesen kann.

Nun wollte ich mal nachfragen, wie eure Meinung ist? Ich lese eben selten über die App, meistens am PC. Und dort stört es mich nicht. Im Gegenteil, mich stören zu viele Absätze eher.

Danke euch für das Feedback 😊

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt