Die Erinnerungen an diese Nacht waren ihm noch tagelang präsent. Doch nun kamen die etwas unangenehmeren Dinge auf ihn zu und Alec war froh, dass die Verhandlungen endlich stattfanden. Die Richter waren aus dem Tower of London zum Palace of Westminster gekommen. Sie würden die Verhandlungen im grössten Saal abhalten, damit alle, auch die Räte platz hatten. Zwar könnten die Räte nichts beeinflussen, aber sie durften Fragen stellen, die Möglicherweise die Sicht der Richter und des Königs ändern konnte. In Anbetracht ihrer Verwandtschaft hatten Alec und Edmund seit dem Krönungsbankett darauf verzichtet sich gemeinsam zu zeigen. Edmund hatte ihm eine Nachricht von Belinda über Isabella zukommen lassen, worin er hoffte mit ihrer fehlenden öffentlichen Freundschaft die Bedenken und Vorurteile gegenüber seiner Entscheidung zu verbessern. Im Court of Kings Bench waren nebst dem König, der alle Urteile schlussendlich fällte, zwei Richter in den Entscheidungsprozess involviert. Sie berieten den König und stellten Fragen. Alec spürte seinen Herzschlag, der kräftiger als gewöhnlich in seiner Brust hämmerte. Er faltete seine Hände hinten auf seinem Rücken und blickte hinauf zum Podest. Der König hatte einen Thronsessel und auf zwei Stühlen neben und etwas hinter ihm sassen die beiden Richter. Der kleine Rat hatte eine abgeschlossene Sitzecke auf der linken Seite und der grosse Rat war im gesamten Saal und auf den Balkonen im oberen Stockwerk verteilt. In der Mitte, etwas vor und niedriger als dem Thron, war ein Podest für den jeweiligen Sprecher. Hinter dem Podest standen zwei grössere Tische mit Stühlen. Sie waren für den vermeintlich Schuldigen und den Gläubiger. Der kleine Rat hatte all seine Plätze besetzt, wohingegen der grosse Rat nur zu ungefähr zwei Dritteln belegt war. Die Zeugen mussten draussen warten bis sie zur Vernehmung hinein berufen wurden. Alexander stand am Rande der Sitzreihe des kleinen Rates als der König eintrat. Alle erhoben sich bis der König sich auf dem Thron niederliess und ein Vorsitzender verkündete:
„Lang lebe König Edmund Tudor." Die Worte hallten als Echo zurück und als sie verstummt waren hielt der Sprecher ein Pergament in die Höhe und las vor: „Im Rahmen des Todes von Lord Talbot, Sohn des verstorbenen Earls of Westmorland Francis Talbot und seiner Ehefrau Marianne, sollen mit dieser Anhörung die Hintergründe und Details des Umkommens eines Mitgliedes der Peerage erörtert und einstweilen geklärt werden, damit der Sache des Schutzes und Willkür von Dritten oder anderen Mitgliedern der Peerage Einhalt geboten werden kann. Insbesondere deshalb, da König Edward der Bekenner im Jahre eintausendsechsundsechzig das Gesetz der Unantastbarkeit des Adels in Kraft treten liess und die Mitglieder der Peerage durch Gottes Hilfe ihre Dienste in die des Königs zu stellen haben." Er faltete das Pergament einmal und wandte sich dann an den König: „Eure ehrwürdige Majestät, wie bereits vorab informiert wurde hatte Lord Talbot den Tod durch Erschlagen von Duke Cumberland errungen. Die genauen Umstände müssen hier nun erörtert werden." Der Sprecher wandte sich an Alexander: „Ich bitte nun den Duke of Cumberland vorzutreten und seine Sicht der Dinge dem König und den Richtern zu präsentieren." Alec schritt zu dem Podest und stieg hinauf. Er blickte direkt zum Thron des Königs:
„Lord Talbot und ich, Eure Durchlaucht, waren uns nicht persönlich bekannt bis zu jenem Abend im Hause der Duchesse Catherine in Cornwall. Lord Talbot war an jenem Abend einiges neben sich, daher hatte er wenig Kontrolle über sein damaliges Verhalten. Aus Gründen, die dem König und dem kleinen Rat bereits bekannt sind, war meine Ehefrau damals als Dienstmädchen im Hause von der Witwe Duchesse of Cornwall zugegen. Ich konnte sehen, wie Lord Talbot meine Ehefrau in eine Seitentür des Arbeitszimmers verfolgte und die Tür verriegelte. Da mir dieses Verhalten äusserst suspekt vorgekommen war, ging ich ihnen nach und fand Lord Talbot mit ausgestreckter Hand über Isabella Rose Campbell. Ich riet ihn zur Räson, aber bedauerlicherweise war es durch seinen Zustand schwer möglich mehr Informationen von ihm zu erhalten. Im späteren Verlauf habe ich Isabella Rose Lady Campbell, die Tochter des verstorbenen Clanchiefs Duncan Campbell, geehelicht und mir wurden die Informationen geliefert, um eine Brücke zwischen den Ereignissen zu schlagen. Der Earl of Westmorland war der Onkel meiner Ehefrau und hatte seine Nichte gegen ihren Willen aus den Highlands entfernt, nachdem ihre Eltern verstorben waren. Man hat sie erniedrigt, geschlagen", Alexander musste sich beherrschen, denn sein Tonfall verriet, wie sehr es ihn immer noch zur Weissglut trieb, was Talbot getan hatte, „und betrogen. Was meine Ehefrau bereits ahnte hatte sich schliesslich als traurige Gewissheit erwiesen. Lord Talbot befahl den Tod von Duncan Campbell und seiner Frau Anne, ehemalige Talbot, also seiner eigenen Schwester." Ein Raunen ging durch die Bänke und Stühle. „Als sich meine Ehefrau in der zwanghaften Obhut der Familie Talbot befand und sich in ihrem Herrenhaus aufhielt, entdeckte sie Pergamente, die diesen Verdacht bewiesen. Doch damit nicht genug. Durch die Schriftstücke der Tat hatte meine Ehefrau die Beweise, die sie benötigte und floh. Lord Talbot hatte seither alles daran gesetzt seine Nichte unter allen Umständen wieder zu finden, um diese Beweisstücke wieder in seinen Händen zu wissen. Was allerdings nicht gelang, da Lady Isabella inzwischen meine Ehefrau geworden war und somit meinem County und meiner Vormundschaft unterstand." Alec machte eine Pause und blickte in die erstaunten Gesichter des grossen Rates, die bisher eigentlich nichts davon gehört hatten. „Aber Lord Talbot griff zu einer List. Er versuchte den König Henry VIII zu täuschen, indem er ihm die Geschichte einer Spionin erzählte, um an meine Ehefrau heran zu kommen. Als dieses Vorhaben, kurz vor Beginn des Krieges, nicht gelang, griff er zu weitaus grausameren Mitteln. Während ich mich im Krieg unweit des Hauptlagers befand und meine Ehefrau mit einer Garnison zurück nach Carlisle senden liess, griffen er und von ihm bezahlte Söldner das Lager an, töteten einige Männer und nahmen den Rest meiner Truppe inklusive meiner Ehefrau gefangen." Die Ränge waren nun alles andere als still. Ein regelrechter Tumult brach los.
„Skandalös!", schrie einer aus der Menge und ein anderer vom Balkon hinunter:
„Verrat!"
„Gentlemen, ich bitte Sie um Ruhe", meinte der Vorsitzende, aber er selbst sah äusserst empört aus. Die einzelnen Stimmen verstummten langsam und Alec fuhr fort:
„Wie allgemein bekannt sein dürfte, wurden sie alle gefoltert und hätte meine Frau nicht persönlich für die Flucht meiner in Ausbildung stehenden Soldaten und ihrer Lehrherren gesorgt, hätten weitaus mehr Männer in Gefangenschaft den Tod gefunden." Der Aufruhr war perfekt. Einige des grossen Rates hatten sich erhoben, riefen und zeterten wahllos durcheinander. Der Vorsitzende wurde nicht mehr gehört, erst als Edmund sich erhob, beruhigte sich die aufgewühlte Menge.
„Duke of Cumberland haben Sie dem noch etwas hinzuzufügen?", fragte Edmund unberührt.
„Jawohl Eure Majestät", erwiderte Alec und warf den Blick zu dem Stuhl auf dem Larraby Platz genommen hatte, „mein Anwalt war so frei das Beweisdokument bis zu dieser Anhörung zu verwahren." Eagan stand auf und lief zu Alec auf das Podium zu. Er übergab ihm das äusserst lädierte Pergament und machte eine Verbeugung vor dem König. Alec entfaltete es: „Dieses Stück Papier enthält die Antwort des Mannes, der den Auftrag der Tötung im Namen Talbots ausgeführt hatte." Der Vorsitzende trat vor und nahm es ihm ab. Er reichte es zuerst Edmund und danach besahen sich die Richter das Papier. Einer der Richter sprach nun:
„Majestät, mit diesem zusätzlichen Beweisstück haben wir die Beweiskette abgeschlossen." Er reichte dem König ein weiteres Pergament. „Diese unten aufgeführten Personen haben mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass Lord Westmorland, seine Soldaten und die Söldner unter dem Anführer Rosco die besagten Personen entführt und gefoltert haben." Der Vorsitzende erhob sich erneut:
„Ich bitte nun Marianne Talbot, Countess of Westmorland vorzutreten."
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...