Ω
Isabella war dankbar und froh, dass Marie und Penny nun ihre Freunde waren. Marie hatte ihr alles gesagt was sie wissen wollte und ihr Mut zugesprochen. Penny war wie Elaine eine abwechslungsreiche Unterhaltung. Sie war sehr belesen und wirkte einiges älter als sie eigentlich war. Nur schon in dieser einen Woche hatte Isabella das Gefühl sie würden gute Freundinnen werden, die sich alles erzählen konnten. Wie auch Isabella war Penny nicht besonders geschickt im Nähen und Stricken und las daher in der Damenrunde laut vor. Alle lauschten sie gespannt den Geschichten in ihren Büchern. Es ergab sich, dass an einem Nachmittag alle ausser Penny etwas anderes zu erledigen hatten. Marie war auf einem Spaziergang mit ihrem Mann John. Elaine hatte wieder eine Unterrichtsstunde und da nun so viele Gäste hier waren, hatte Molly keine Gelegenheit mehr gehabt sie öfters zu besuchen. Penny weilte am Fenster und blickte nach draussen.
„Wenn du willst kannst du gerne nach draussen gehen... du musst nicht mit mir hier eingesperrt bleiben", meinte Isabella. Penny setzte sich auf den breiten gemütlichen Fenstersims, der mit Kissen ausgepolstert war und sagte:
„Nein... ich habe gestern schon einen Spaziergang unternommen... und es macht mir Spass mich mit dir zu unterhalten. Ich fühle mich dir irgendwie verbunden. Keine der Damen in der Gesellschaft hat mich je so fasziniert, dass ich mir eine Freundschaft hätte vorstellen können. Ich dachte immer es wäre mein Schicksal alleine ohne eine beste Freundin zu sein." Sie lächelte.
„Das freut mich und ich muss sagen mir geht es genauso", sagte Isabella ehrlich.
„Du siehst so glücklich und zufrieden aus. Das macht mich fast neidisch", aber sie lächelte. Isabella sah, wie sie ihren Blick wieder aus dem Fenster warf und spürte die Bitterkeit, die Penny umgab.
„Penny", begann Isabella und war sich nicht sicher, ob sie, trotz ihrer engen Verbundenheit, sich schon in diese private Angelegenheit einmischen durfte.
„Ja?", kam es von ihr.
„Ich hoffe ich strapaziere unsere junge Freundschaft nicht schon aufs Härteste, aber", sie rang um Worte, „hast du nicht auch schon jemanden in dein Herz geschlossen?" Penny blinzelte:
„Doch", gab sie offen zu, „doch... allerdings, aber es ist kompliziert", seufzte sie. „Ich bin nicht bereit mein kostbares Leben an jemanden zu verschwenden, nur um dann festzustellen, dass er ist, was er ist. Ein elender Schürzenjäger. Da bleibe ich doch lieber Jungfrau." Sie klemmte ihre Kiefer aufeinander. Isabella faltete ihre Hände auf der Bettdecke. Das Verhalten von Rickard hatte sie schwer getroffen, doch sie schien ihr Herz noch nicht ganz verschlossen zu haben. Es gab noch Hoffnung.
„Ich habe gehört, du hättest einen Verehrer?"
„Du meinst Edward Rich? Den Duke of Warwickshire?", meinte sie gelangweilt.
„Ich weiss seinen Namen nicht... Alec hat nur erwähnt, dass dein Vater erzählt hatte, du hättest dich mit einem Gentleman öfters getroffen seit letztem Sommer."
„Ach Papa. Es hätte ihm gefallen, wenn ich die Ehefrau eines Dukes geworden wäre... aber daraus wird nichts", sagte sie bestimmt und als sie Isabellas fragenden Blick sah, meinte sie: „Er ist ansehnlich, gebildet und keiner dieser eingebildeten Gockeln. Er ist sogar Mitglied des kleinen Rates, aber... er ist...", sie schien um Worte zu ringen.
„Verstehe", sagte Isabella nach einer Weile.
„Ich dachte... ich glaubte", meinte Penny stockend, „er könnte mein angesengtes Herz etwas trösten und vielleicht würde ich so den Einen endlich vergessen... aber es war töricht! Dumm... es war das Handeln eines jungen naiven Mädchens", schollt sie sich selbst.
„Nein, es war das Handeln eines gebrochenen Herzens und es zeigt, wie sehr er dir Nahe ging", erwiderte Isabella mitfühlend.
„Ja das stimmt", meinte Penny und strich sich über die Lippen.
„Was würdest du brauchen, um ihm noch einmal eine Chance zu geben?", fragte Isabella geradeheraus. Penny blickte sie an und schien nachzudenken:
„Ich bin mir nicht sicher... ausserdem glaube ich, er hat kein Interesse daran... manchmal glaube ich sogar, er hatte es nie und alles was geschehen ist sei eine Ausflucht meiner Phantasie", lächelte sie traurig. Es war bemerkenswert. Penny war so stark und konnte ihre Gefühle gut kontrollieren, aber sie würde in ihr Verderben laufen, wenn sie nicht lernte ihrem Herzen offen zu folgen.
„Das glaube ich nicht", sagte Isabella leise. Der Nachmittag zog dahin und Isabella dachte über Rickard und Penny nach. Sie ertrug den Gedanken kaum, dass die beiden nicht Mutig genug waren endlich zu ihrer Liebe zu stehen. Am Abend weihte sie Alec ein und berichtete ihm was sie von Penny erfahren hatte. Er indes erzählte ihr, dass Rickard sich seit der Ankunft der Beauforts gänzlich zurückgezogen hätte. Sie schlief in dieser Nacht unruhig und konnte den Gedanken an die Zwei nicht abschütteln. Als Isabella endlich Schlaf fand, begann schon die Morgensonne die Dunkelheit am Himmel zu verdrängen. Zur Mittagszeit erwachte sie und fühlte sich erschlagen. Isabella streckte sich und schlug die Decken zurück. Sogleich bemerkte sie es. Sie hatte einen roten Blutfleck auf ihrem Nachthemd. Hastig besah sie sich der Hinterseite, auch dort sah sie Blut und ebenso auf ihrem Bettlaken. Sie versuchte die aufsteigende Panik zu kontrollieren und zog ihr Nachthemd aus. Kurz wusch sie ihre Beine und schlüpfte in ein neues Hemd. Den Morgenmantel zog sie sich über die Schultern und wankte zur Tür. Niemand war im Flur zu sehen und als sie schon die Tür wieder schliessen wollte, hörte sie eine andere aufgehen.
„Ist hier jemand?", fragte sie und ein Dienstmädchen streckte den Kopf hinaus, in ihren Armen hing dreckige Wäsche. Isabella sank der Mut. Amelia stand im Gang und blickte sie an. Sie gab kein Wort von sich, sondern starrte Isabella nur an. Isabella fühlte sich unbehaglich, sie wollte ihr keine Befehle erteilen.
„Mylady", sagte sie steif. „Darf ich behilflich sein?"
„Ich... ich benötige Molly und Miss Stratford." Sie nickte nur und ging die Treppe hinunter. Isabella glaubte keine Sekunde, dass Amelia nach einem der beiden rufen würde. Schnaubend schloss sie die Tür. Sie nahm ihr Nachthemd und legte das Stück mit ihrem Blut in die Waschschüssel. Dann begann sie das Bettlaken langsam abzuziehen. Es kostete sie viel Kraft und Zeit. Ab und an setzte sie sich hin, um dann erneut an einem der Enden zu ziehen. Leise klopfte es gegen ihre Holztür und Isabella, die gerade an einem Ende zog, sagte angestrengt: „Jaa!"
„Was tust du da?!", hörte sie Alecs Stimme. Er trat sofort an ihre Seite und nahm ihr das Laken weg. Missmut lag in seinen dunklen Augen.
„Ich ziehe das Laken ab, das habe ich zuvor tausend Mal getan", meinte sie leicht enerviert.
„Ja als Dienstmädchen und ganz sicher nicht als Schwangere! Weshalb hast du nicht nach jemandem gerufen?" Sie sah Alec zu, der das Laken abzog und es in Händen hielt. Er wartete auf eine Antwort. Stur starrte sie ihn an. Er hielt die Hände in die Luft: „uuund?"
„Das habe ich getan", sagte sie leise durch ihre Zähne hindurch.
„Und wieso beim Allmächtigen wartest du nicht auf die Hilfe?" Alec liess nicht locker: „Wem hast du es denn gesagt?" Sie wollte Amelia nicht anschwärzen und zuckte deshalb mit den Schultern. „Wem?", fragte Alexander mit Nachdruck. Isabella schnaubte und verdrehte leicht ihre Augen:
„Ich habe es Amelia dem Dienstmädchen gesagt", gab sie widerwillig zu und setzte sich in einen Sessel. Ihr war klar er hätte nicht locker gelassen bis sie es ihm gesagt hätte.
„Aha", meinte er wissend. „Isabella, sie muss dir gehorchen, ob es ihr nun gefällt oder nicht", meinte er und knüllte das Laken zusammen. „Was ist das?", fragte er und entwirrte das Laken wieder. Sein Blick war ängstlich als er sie ansah.
„Ich wollte, dass sie Miss Stratford ruft... ich bin mir sicher, dies ist das Blut von dem O'Leary gesprochen hat", doch noch bevor sie den Satz beendet hatte, war Alec hinausgestürmt und kam erst mit Miss Stratford zurück. Er hielt ihr das Laken hin und Isabella zeigte auf ihr Nachthemd. Während es Miss Stratford begutachtete, stand Alec nervös neben ihr.
„Nun Mylady, Mylord ich denke das ist das Zeichen, auf das wir gewartet haben. In den nächsten Tagen wird es losgehen", meinte sie lächelnd und völlig entspannt.
„Soll ich Doktor O'Leary herholen lassen?", fragte Alexander skeptisch.
„Mylord, wenn Sie das beruhigen würde, dann schicken Sie nach ihm. Aber er wird Ihnen nichts anderes sagen als ich", meinte sie starr. Isabella sah, wie Alec die Röte ins Gesicht schoss, er seine Lippen zusammenpresste und das Gemach verliess. Miss Stratford liess sich nichts anmerken. „Am besten Sie legen sich wieder hin Mylady. Ich werde dafür sorgen, dass jemand das Bett neu bezieht. Versuchen Sie die Übungen zu machen und sich an ihren Ort der Entspannung zurückzuziehen, das wird Ihnen helfen", teilte sie fast gebieterisch mit. Isabella legte sich hin und tat wie ihr geheissen wurde. Sie strich über ihren Bauch, atmete tief ein und aus und sah Argyll Castle vor sich aufsteigen. Ungefähr zwanzig Minuten später, seit Alec hinausgestürmt war, kam er zurück. Hinter ihm betraten Molly und Amelia das Gemach. Amelias Kopf war rot, sie wagte es nicht aufzublicken und starrte auf ihre Füsse. Molly hingegen kam an ihr Bett und half ihr sich auf zu richten.
„Ach du meine Güte", flüsterte sie zu Isabella. Sie half ihr in den Sessel und begann das Bett abzudecken. Alec sah Isabella an und befahl:
„Amelia du wirst dich bei meiner Gemahlin entschuldigen! Und sollte sich dein Fehlverhalten gegenüber meiner Frau wiederholen bist du ohne Umschweife deine Anstellung los." Amelia trat vor. Isabella sah sie wütend schlucken. Vor ihr hob sie den Kopf und sagte steif:
„Mylady, verzeihen Sie mir mein Benehmen."
„Und nun geh Molly zur Hilfe." Amelia gehorchte widerstandslos und half Molly. Danach verliessen beide das Gemach.
„Das wäre nicht nötig gewesen Alec... nun wird sie mir noch mehr grollen", seufzte Isabella laut.
„Das ist mir egal", sagte Alec bestimmt und blickte sie an: „Ich dulde ein solches Verhalten nicht. Du bist nun meine Frau meine Liebe, die Countess, du kannst ihr ein solches Verhalten nicht durchgehen lassen", er kam zu ihr, kniete sich nieder und sagte etwas sanfter: „Ich will nicht, dass man dich so behandelt." Sie lächelte. „Ich kann sie auch sofort entlassen, wenn es dir lieber ist?", fragte er.
„Nein... wir werden ja nicht hier leben, oder?", grinste sie. „Wir gehören nach Carlisle, dann spielt es für mich keine Rolle."
„Richtig", Alec sank näher und küsste sie liebevoll. „Bruce wird bald hier ankommen... ich fühle mich erst sicher, wenn er dich untersucht hat", verkündete er. Isabella schmunzelte.
DU LIEST GERADE
Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...