Die vergangenen Monate auf Carlisle Castle waren atemberaubend gewesen. Alexander hatte ihr seine gesamte Grafschaft gezeigt und hatte sie seinen Untergebenen vorgestellt. Egal in welches Dorf sie hingekommen waren, die Leute standen hinter ihm, das konnte sie deutlich spüren. Um Isabella endgültig als Duchesse auf Carlisle einzuweihen, hatte Alec Ende August ein riesiges Fest veranstaltet und damit die Hochzeitsfeier nachgeholt, die sie nie hatten. Das Kleid war ein vollendeter Traum gewesen. Ein zartes creme Weiss mit Spitze und kleinen Verzierungen auf dem Dekolleté. Eine kurze Schleppe und einem Umhang in rotgold. Alexander hatte keine Mühen gescheut. Wertvolle Edelsteine und Perlen schenkte er ihr, sodass sie sich selbst wie eine Königin fühlte. Doch auch wenn diese Herrlichkeiten durchaus schön anzusehen waren und Isabella sich stolz fühlte sie tragen zu dürfen, so würde sie auf der Stelle all das Eintauschen, wenn sie sich damit die Unversehrtheit ihrer kleinen Familie erkaufen könnte. Was Isabella hingegen völlig aus dem Konzept gebracht hatte war das Geschenk, das er ihr im Hof überreichte. Das gesamte Gesindel und seine Männer hatten sich versammelt, während Isabella ungeduldig hin und her blickte und sich fragte auf was denn alle warteten. Als die Menge zur Seite trat und Alec plötzlich hindurch schritt. Hinter sich zog er einen Strick und als sie die Hufe klappern hörte, warf sie vor Freude die Hände vor ihr Gesicht. Eine schlanke muskulöse, rein schwarze Stute schritt mit Alec auf sie zu. Sie war jung, höchstens zwei Jahre alt. Ihre Augen blickten sie neugierig an und Isabella verliebte sich auf anhin in das anmutige Geschöpf. Sie fiel Alec dankbar um den Hals. Die Stute taufte sie Dorcha Donas, was so viel wie schwarzer Teufel bedeutete. Isabella liess es sich von da an nicht nehmen Alec jeden Tag zu bitten mit den Pferden auszureiten. Ihr Ehemann kannte sein Land wie ein alter Vertrauter. Die entlegensten Ecken und verstecktesten Winkel liessen Isabella vor Entzückend staunen. Ihr liebster Ort war die abgeschiedene Quelle geworden, wo sie sich von der Einsamkeit verführen liessen und sich im Wasser liebten.
Die Zeit schritt voran und Isabella kam es so vor, als läge all das Schlechte weit in ihrer Vergangenheit. Wenn dies alles nötig gewesen war, um hier in Carlisle ein Zuhause zu finden und mit dem Mann, den sie liebte, zusammen sein zu können, dann war es den Preis wert gewesen. Sie schmunzelte zufrieden und gab der Wiege von Dustin ab und an einen Stoss, damit er einschlafen konnte, während sie gemütlich in ihrem Schaukelstuhl vor dem Kamin in der grossen Halle sass.
„Du isst schon wieder?!", erklang eine ungläubige Stimme hinter ihr. Elaine war in die Halle getreten und lief auf sie zu. „Wir haben vor nicht einmal zwei Stunden gefrühstückt", lächelte sie verblüfft und setzte sich auf den Sessel neben ihr. Isabella stutzte. Waren erst zwei Stunden vergangen? Sie schluckte ihren Bissen Fleisch hinunter und erwiderte:
„Ich war irgendwie sehr hungrig", gab sie offen zu und besah sich ihren Teller.
„Du isst, als wärst du noch immer eine Gefangene bei den Söldnern", kicherte Elaine und warf einen liebevollen Blick auf ihren Neffen. Isabella winkte einem Diener und übergab ihm den Teller. Sie hatte in letzter Zeit tatsächlich Mengen an Essen verspeist. Selbst Alexander hatte sie schon neugierig gemustert als sie an einem Abend doppelt so viel, wie er gegessen hatte und immer noch nicht gesättigt schien. Natürlich hatte ihr Ehemann nichts dazugesagt, da er ebenso vermutete, dass Isabella einiges nachzuholen hatte. So sehr in ihren Überlegungen vertieft, bemerkte sie gar nicht, dass Elaine weitergesprochen hatte, erst die Erwähnung von Thomas' Namen liess sie aufhorchen.
„Entschuldigung Elaine, was hast du gerade gesagt?", fragte sie nach und betrachtete ihre Schwägerin genau. Elaine sank tief in ihren Sessel, liess die Arme über die Lehne baumeln und seufzte:
„Ich hege Gefühle für...", sie zuckte unbeholfen mit den Schultern, „eigentlich schon länger, aber selbst nach der Schwärmerei und dem einen Kuss, ging er mir nicht mehr aus dem Kopf. Isabella... ich fürchte mein Herz ist verloren."
„Wie denkt Thomas darüber? Und das mit dem Kuss würde ich eher für mich behalten", sagte Isabella in weiser Voraussicht. Sie sah die kleine Schwester von Alec an.
„Was glaubst du denn?! Ich glaube zu ahnen, dass er möglicherweise nicht abgeneigt ist, aber sein Respekt vor Alec ist gelinde gesagt gewaltig." Elaine rutschte an den Rand des Sessels und blickte Isabella eindringlich an: „Kannst du uns nicht helfen? Ich meine... bei Alec."
„Oh Elaine", schmunzelte Isabella. „Ich freue mich für so sehr für euch." Dann holte sie einen tiefen Atemzug: „Aber ich sage dir, das wird nicht einfach... ihr beide müsst euch auf ein Donnerwetter einstellen." Elaine ergriff flehend ihre Hand:
„Ich bitte dich Isabella", sagte sie eindringlich und legte ihren Kopf auf die Seite, „die einzige, die ihn bändigen kann bist du. Auf dich wird er hören." Sie sah ihrer Schwägerin in die veilchenfarbenen Augen und nickte dann sanft:
„Ich werde mir etwas überlegen, ja?" Damit gab sich Elaine zufrieden. Ihre Vorahnung war also richtig gewesen. Oh, wie sehr freute sie sich für Thomas. Er hatte es verdient eine gute Frau zu bekommen und sie war sich sicher, dass sein bester Freund dies genauso sehen würde. Nur vielleicht nicht sofort. Nein nicht Alexander. Selbst wenn sie die Fähigkeit hätte ihn zu bändigen, so glaubte sie dennoch, dass er einige Vorbehalte haben würde.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...