Kapitel 4

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Zwei Männer, einer auf einem Rappen, der andere auf einem Braunen, trabten über die Pflastersteine bis zum schmiedeeisernen Tor. Sobald sie die gepflasterte Strasse verlassen hatten gaben die beiden Männer den Pferden einen Stoss in die Flanken und sie preschten den plattgedrückten Feldweg entlang. Die Mittagssonne stand hoch an ihrem Himmelszelt und tauchte die Gefährten in sanftes Gold. Die regnerischen Wolken, die vor kurzem die Strahlen der Sonne noch verdeckt hatten, waren weiter nach Osten gezogen. Die Reisenden ritten in nordwestlicher Richtung, passierten Höfe und Dörfer und steuerten unbeirrt auf ihr Ziel zu. Die Stunden verrannen und ihre Schatten wurden länger, bis die Sonne endgültig hinter einem kleinen Hügel verschwand. Die rasche Dunkelheit, die sich über sie ausbreitete, schien sie schon bald ganz zu verschlucken. Kein einziger Stern war am Himmel zu sehen. Aufziehende dicke graue Wolken schienen schwer über ihnen zu hangen und begleiteten sie auf ihrem Weg. Der erste Regentropfen fiel und schon bald darauf ergoss sich in Strömen ein sinnflutartiger Regenfall, der die Reiter einhüllte und die Pferde bis auf die Knochen nässte. Die Hufe sanken in den durchgeweichten Boden und die Reiter verringerten zum ersten Mal ihr Tempo. Dampf stieg von den warmen Pferdekörpern auf und um ihre Nüstern wirbelten kleine Dampfwaben in die schwarze Nacht. Vor ihnen erhob sich die Silhouette eines kleinen Dorfes aus den Schatten der Nacht und sie trieben ihre Pferde darauf zu. In einigen Fenstern brannte schwach ein helles Licht. Als sie den Dorfkern erreichten, stiegen sie ab und stellten ihre Pferde in einer Scheune unter. Dort wurden sie mit Futter und Wasser versorgt, während die beiden Männer das Wirtshaus betraten, das man schon von weitem hören und sehen konnte. Die niedrigen Fenster gaben Einblick in die Wirtsstube und zeigten ihnen, dass viele Gäste gerade ein Mahl zu sich nahmen. Das Holzschild über der Tür wackelte durch den Wind und verriet ihnen, dass sie soeben in die Taverne calluna vulgaris traten. Nach einem kurzen Zeichen reichte der Wirt den Fremden zwei Schüsseln Eintopf. Schweigend schlangen sie ihre karge Mahlzeit hinunter. Es war stickig. Die Magd schürte soeben das Feuer und balancierte danach einige Krüge zu einem Tisch ganz hinten in der Taverne. Nicht einmal eine Stunde verbrachten sie in dieser Schankstube. Ein paar Münzen landeten auf dem Tresen, als die beiden Fremden die Taverne verliessen und hastig zu ihren Pferden zurückeilten. Das Licht der Taverne beleuchtete die Männer als sie mit ihren Pferden an den Fenstern vorbeitrabten und dann von der Dunkelheit verschluckt wurden. Die Nacht zog über sie hinweg und die Müdigkeit trübte ihre Sinne. Verbissen trieben sie ihre Pferde an. Wenn sie rasteten, war es nur kurz, um eine schnelle Mahlzeit zur Stärkung einzunehmen oder um ihre Pferde zu tränken. Der mörderische Ausdruck auf ihren Mienen hätte jeden Fremden davon abgehalten sich ihnen in den Weg zu stellen. Immer noch hingen die schweren grauen Wolken verheissungsvoll über ihnen und schienen sie auf ihrem Weg nach Norden zu begleiten. Einige Dörfer hatten noch ihre Barrikaden aufgestellt, die sie vorsichtshalber aufgrund des Krieges gebaut hatten. Doch glücklicherweise hatte der Krieg sie nicht erreicht und war bereits gewonnen. Einige Dörfler warfen verstohlene Blicke auf die fremden Reiter, die in solcher Hast durch ihr Zuhause ritten, doch keiner erhob das Wort zum Grusse. Der Tag zog sich hin und der Gedanke an ihr Ziel, dass nicht mehr weit von ihnen entfernt lag, beflügelte sie. Die Pferde zeigten genauso wenig Müdigkeit, wie ihre Besitzer. Sie würden sie überall hintragen und mit ihnen in jeden Kampf ziehen. Das Land wirkte kahl und verlassen. Die Biese, die ihnen um die Nüstern blies, hielt sie wach. Der dumpfe Rhythmus der Hufe feuerte sie an und gab ihnen Kraft. Als der Tag erneut von der hereinbrechenden Nacht überfallen wurde, schlängelten sie sich durch ein Tal. Links und rechts erhoben sich Hügel, die sie flankierten. Der Nebel stieg auf und nahm ihnen die weite Sicht. Er bedeckte alle Geräusche, die sie bis anhin begleitet hatten und liess die Nacht bedrohlicher wirken. Die Kälte kroch ihnen die Beine hinauf und legte sich auf ihrer Kleidung nieder, die immer noch leicht feucht vom Regen war. Nicht nur die beiden Reiter waren wachsam, auch ihre Pferde spitzten ihre flauschigen Ohren. Sie liessen sie nervös zucken, gespannt irgendein Geräusch in dem dichten Nebel auszumachen. Die Männer hatten ihre Geschwindigkeit der Sicht angepasst und trabten nun leicht auf dem Talweg voran. Einer der Männer zügelte sein Pferd unerwartet und hielt inne. Der zweite Reiter hielt dicht neben ihm an. Alle vier spitzten die Ohren und lauschten in die Nacht. Ein Geräusch war zu hören. Erst klang es wie das Weinen eines Kindes, doch dann folgte ein heiseres Bellen. Das Gras zu ihrer linken raschelte und drang immer dichter zu ihnen. Das Bellen wurde lauter und das Tier kam auf sie zu. Die Pferde richteten ihre Ohren auf die Stelle im Nebel, woher der Ruf zu kommen schien. Aus dem Dunst trat ein kleines Tier, nicht grösser als ein Hund und als es näher auf die Gestalten zu tapste, erkannten sie einen Fuchs. Er blieb abrupt stehen, als er den Weg erreichte und hielt seine Nase in den Wind. Er bückte seinen kleinen roten Kopf und starrte zu den Pferden hinauf. Sein Bellen hatte er eingestellt und war erstarrt. Er liess seine Nase noch einmal Zucken, machte dann einen Sprung auf die Seite, jagte den Hügel hinauf und verschwand im festen Nebelschleier. Sie ritten weiter. Die letzten Stunden fühlten sich länger an als ihre gesamte Reisezeit. Die Nacht wollte nicht weichen und so ritten sie weiter dahin. Als erneut der Morgen über dem Horizont erschien und das Land in sanftes Rot tauchte, hielten sie an einem kleinen Bach inne. Die Verpflegung, die sie im letzten Wirtshaus mitgenommen hatten, stärkte ihre Mägen und die Pferde taten sich an dem klaren kühlen Wasser gütlich. Als sie wieder aufbrachen durchquerten sie grosse Ackerflächen und Wiesen. Sie hatten das Tal hinter sich gelassen und der Wind wehte eine salzige Biese in ihre Gesichter. Die mittlerweile schon steifen Knochen der Männer wurden langsam wieder wach und sie wussten, nun würde es nicht mehr allzu lange dauern bis sie den Hügel und die Burg wiedersehen würden. Die blassen Strahlen wärmten ihre Körper und gaben ihnen Hoffnung. Am Nachmittag passierten sie die Grenze zu Cumberland und Wolken hatten sich erneut zwischen die beiden Reiter und die Sonne gestellt. Es trieb sie weiter. Nun waren sie ganz nah an ihrem Ziel. Endlich erreichten sie die Küste. Am Fuss der Klippe blickten die beiden Männer hinauf. Majestätisch erhob sich ihr Allerheiligstes, ihre Zuflucht, ihre Heimat. Die Brandung donnerte gegen die scharfen Felsen und ihr Geräusch war Musik in ihren Ohren. Die beiden Pferde wieherten zufrieden, liessen ihre Muskeln spielen und galoppierten zum Weg, der sie direkt in ihr Zuhause brachte. Die Hufe klapperten den Pflasterweg hinauf, aber das Tor war nicht wie sonst offen. Eine Wehrwache schrie durch das Donnern der Brandung und gleich darauf ertönte das Rasseln der Ketten und das eiserne Tor glitt langsam vor ihnen hinauf. Es blieb gerade genug Platz, um geduckt unter dem Tor hinein in den Hof zu reiten. Sofort ratterten die Ketten erneut und das Tor schloss sie ein.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt