Alec wich nicht eine Sekunde von ihrer Seite. Sie waren oft allein, nur ab und an kam wieder jemand ins Gemach und fragte, ob Isabella etwas benötigte. Zur Mittagszeit brachte ihnen Molly etwas Hammel und Suppe. Während Isabella ihren Hunger leicht zu stillen vermochte, fehlte Alec der Appetit. Es war ihm unmöglich einen Bissen herunter zu bringen. Wie Bruce versprochen hatte, erschien er am späteren Nachmittag erneut und untersuchte Isabella eingehend. Miss Stratford war ihrer Pflicht als Hebamme nachgekommen und hatte ihm die Wehendifferenz mitgeteilt. Die Wehen kamen nun fast alle zwanzig Minuten. Daraufhin hatte Bruce Alexander um ein Schlafzimmer gebeten, wo er sich noch einmal ausruhen könnte bis die Geburt anfing. Die Leichtigkeit der Beteiligten machte Alexander fast wahnsinnig. Nachdem Dinner, bei dem er ebenso wenig essen konnte wie beim Lunch, verbannte ihn die mürrische und absolut unkooperative Miss Stratford aus dem Gemach. Alexander wollte nicht, dass sich Isabella ärgern musste, daher bedachte er die Hebamme, welche in ihm immer stärker eine Abneigung hervorrief, mit einem bösen Blick und verabschiedete sich zärtlich von seiner Liebsten. Nun stand er auf dem Flur vor seinem Gemach und starrte bereits fünf Minuten die vor ihm verschlossene Holztür an. Erst als weitere fünf Minuten an ihm vorbeigestrichen waren und er keinen Hilferuf seiner Ehefrau vernommen hatte, wandte er sich ab und stieg missmutig die Treppe hinab bis in den ersten Stock. Er wusste, dass seine Freunde sich im Blauen Salon eingefunden hatten. John, Edmund und Rickard sassen an einem Tisch und spielten Karten, während Marie und Belinda beim Feuer sassen und strickten. Jackson stand am Kamin und warf soeben ein Holzscheit hinein. Sie alle hoben den Kopf und John rief:
„Komm mein Junge, setz dich." Alec liess sich in der Runde nieder und blickte seinen Bruder an. Er wirkte gelöster und Alec bemerkte auch bereits wieder den Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen.
„Ahh Alec, mach dir keine Sorgen. Die Fachleute wissen was sie tun", meinte sein Bruder und warf eine Karte auf den Stapel in der Mitte des Tisches. Er gewann damit dieses Blatt.
„Rickard, glaube mir, dass beruhigt einen werden Vater kaum... auch wenn es die besten Fachpersonen überhaupt sind. Die Nervosität und die Angst lähmen einem. Da kommt man mit Verstand nicht dagegen an", sagte John weise und leerte seinen Whisky. Sein alter Freund stand auf und holte vom Servier ein weiteres Glas, stellte es zu Alec, goss ein und befahl: „Trink, das beruhigt wenigstens ein wenig die Nerven."
„Steig mit ein, dies wird dich ablenken", sagte sein Cousin, der die Karten neu zu mischen begann.
„Bitte John, mach Alec nicht betrunken. Er muss noch lange Zeit verharren", tadelte Marie ihren Mann. John zwinkerte Alec nur zu und schob ihm das Glas hin:
„Glaube mir, es hilft. Für jede Stunde, die verrinnt, trinkst du ein Glas", flüsterte er und klopfte ihm auf die Schulter. In normalen Tonfall fuhr er weiter: „Alec ich weiss nur zu gut wie du dich fühlst... Mir ging es genauso."
„Jawohl", warf Edmund ein.
„Bei unserer ersten Geburt, das waren die Zwillinge Alana und Diana, war ich nicht zu halten, nicht wahr meine Liebe?", wandte er sich an seine Marie. Sie lächelte versonnen:
„Das stimmt. Man hat mir im Nachhinein erzählt, dass er mehrere Gläser zerbrochen und einige Dienstboten zur Schnecke gemacht hatte. Er war ausser Rand und Band." Belinda lachte hell auf:
„Das kenne ich nur zu gut. Edmund hat die Hebamme fast in den Wahnsinn getrieben." Sie alle stimmten in das Lachen mit ein. Während Alec nur verkrampft die Mundwinkel heben konnte.
„Und glaub mir Alec, ich dachte es würde mir nur beim ersten Mal so schlecht ergehen", sagte John schwer und mit gezückten Augenbrauen, „doch da habe ich mich geirrt. Bei allen sieben hat mich meine Marie fast um den Verstand gebracht. Jedes Mal habe ich geglaubt, ich könnte es besser ertragen", er schüttelte den Kopf, „dem war nicht so." Alexander bemerkte wie sein Kiefer sich versteifte.
„Ihr macht mir nicht gerade Hoffnung", presste Alec hervor, umklammerte das Glas und stürzte den Whisky hinunter.
„Gönnt ihm eine Verschnaufpause", meinte Belinda tadelnd an die anderen und blickte mitfühlend in seine Augen. Jackson war beim Kamin geblieben und hatte kaum ein Wort gesagt. Er war immer noch sehr verschwiegen. Doch Alec brauchte jetzt seinen Freund, daher sagte er mit belegter Stimme:
„Komm Jackson, spiel mit und lenk mich ab." Thomas sah abrupt auf, nickte ihm zu und kam an den Tisch. Die Runde begann. Mit jeder vollen Stunde füllte John sein Glas erneut. Manchmal hatte Alec das Gefühl er warf nur Karten, damit er seinen Zug erfüllte, ohne jedoch das Ziel zu verfolgen zu gewinnen. Wenn eine Runde beendet war und einer die Karten mischte, hielt es Alec nicht auf dem Stuhl aus. Er erhob sich und lief im Salon umher. Er öffnete die Tür zum Flur, um zu lauschen, ob er Isabellas Stimme hören konnte. Doch nichts. Als er sich soeben wieder an den Tisch setzen wollte, klopfte es plötzlich und Mollys Kopf erschien im Türrahmen:
„Ich dachte die Herrschaften könnten eine Erfrischung vertragen." Sie und ein Dienstmädchen traten ein und stellten die Tabletts ab. Das Dienstmädchen begann Wein einzuschütten und Alec trat zu Molly.
„Irgendetwas Molly?", fragte er flehentlich. Sie setzte einen mitfühlenden Blick auf:
„Mylord, bisher läuft alles gewöhnlich ab. Ich war gerade oben und habe alle im Gemach mit Erfrischungen bedient. Carson verweilt auf dem Flur im dritten Stock, damit er die Wünsche des Doktors und der Hebamme erfüllen kann, wenn es nötig ist. Ich halte hier die Stellung." Sie tätschelte ihm die Hand.
„Komm Alec ein weiteres Spiel", hörte er Edmund sagen. Der Earl of Cumberland schnaubte, setzte sich jedoch widerwillig an den Tisch. Nach zwei weiteren Whisky Gläsern war erneut ein Klopfen an der Tür zu hören und Alexander schoss von seinem Stuhl in die Höhe. Wieder war es Mollys Kopf, der hinter der Tür erschien:
„Mylord", sie trat ganz in den Salon, „zwei Gäste sind eingetroffen. Ich habe sie in den Grünen Salon geführt." Alec runzelte die Stirn. Gäste um Mitternacht?
„Wer hat sich angemeldet Molly?" Er trat zur Tür.
„Sie sagten mir, dass sie einer persönlichen Einladung von Euch gefolgt seien." Zum ersten Mal, seit er im nassen Bett aufgewacht war, dachte er einen Moment nicht an die bevorstehende Niederkunft. Er verliess die anderen und ging mit Molly in das Erdgeschoss. „Soll ich Würzwein servieren?", fragte sie, als sie vor dem Grünen Salon angelangt waren.
„Nein", meinte er gedankenverloren, „möglicherweise werden sie sich im Blauen Salon anschliessen." Molly ging und liess ihn allein vor der dunklen Tür zurück. Alexander griff zum Türknauf und schob sie auf.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2
Historical FictionNachdem Alec Isabellas Geheimnis gelüftet hat, bereitet er sich mit seinen Männer auf den bevorstehenden Krieg gegen Schottland vor. Enttäuscht über Isabellas Versteckspiel suhlt er sich in der Verletztheit seines männlichen Egos. Der Krieg beginnt...