Kapitel 2.3 - Rosco, der Söldner

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Ω

Sie blinzelte. Ihr Schädel brummte. Sie versuchte ihre Augen an das Licht zu gewöhnen. Sie fühlte sich elend. Ihr Bauch schmerzte und Isabella fühlte, wie das Ungeborene von Tag zu Tag schwächer wurde. Mehrere Tage waren seit Talbots Überfall auf ihr Lager vergangen und nichts hatte sich verändert. Kein Bote von Alexander oder eine der anderen Truppen waren bei Dun Rig vorbeigekommen. Sie lehnte sich nach rechts und versuchte ihren halb tauben Arm zu entlasten. Talbot hatte sie sofort in einem Zelt untergebracht und zwischen zwei Pfählen angekettet. Er hatte erwartet, dass sie ihm sofort sagen würde, wo sie die Dokumente untergebracht hatte, doch das hatte sie nicht vor. Sie selbst musste die Dokumente holen. Es wäre zu gefährlich, wenn einer von Talbots Männern an die Orte reisen würde, wo sie die Dokumente verteilt hatte. In ihrem vor Tagen noch klugen Kopf, hatte sich diese Idee ziemlich gerissen angehört. Mittlerweile wusste sie nicht, ob sie es durchhalten würde. Denn obwohl Talbot ein Dummkopf war, seine Männer waren es nicht. Er hatte ihr seit Tagen nichts mehr zu Essen gegeben, um sie dazu zu bringen den Ort des Verstecks zu verraten. Es zerrte an ihren Nerven und sie würde schon bald nicht mehr in der Lage sein, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hörte zwei Stimmen, die unmittelbar vor ihrem Zelteingang stehen mussten.
„Talbot meine Männer wollen weiter in den Norden. Wir wollen nicht warten bis ein Bote oder Späher von de Warenne hier eintrifft" sagte der Mann. Talbot lachte verlegen auf
„Ihr seid doch nicht etwa eingeschüchtert von de Warenne?"
„Talbot" sagte der Mann bedrohlich „wir haben eine Abmachung, aber ich werde nicht das Leben all meiner Männer aufs Spiel setzen, weil ihr eine lächerliche Familienfehde anzetteln wollt. Ich will meine Belohnung und wenn ich sage meine Männer wollen, meine ich; meine Männer haben entschieden, dass wir nach Norden gehen. Wenn du dich de Warenne und seiner Armee allein stellen willst, nur zu"
„Schon gut... schon gut. Ich habe verstanden Rosco" ein Säcklein mit Münzen klimperte „Sorgt einfach dafür, dass die Gefangenen die Klappe halten" sagte Talbot verärgert und um Fassung ringend. Die tiefe raue Stimme des Mannes erwiderte
„Sobald wir gepackt haben, brechen wir auf und ziehen weiter". Die Zeltwand wurde aufgeschoben und Talbot kam herein. Isabella hob ihren Kopf. Ihre Schultern schmerzten durch die ungewohnte Haltung und sie versuchte sich aufzurichten, doch ihre Knie gaben nach. Talbot grinste breit
„Ja ein paar Tage ohne Essen schwächt sogar den tapfersten Krieger. Bist du immer noch nicht bereit zu sagen, wo sich die Dokumente befinden?" Isabella lehnte sich in ihre Fesseln
„Ich selbst werde euch die Dokumente bringen Talbot!"
„Hältst du mich für so dumm? Als würde ich dich laufen lassen!" keifte Talbot.
„Ihr seid ein Dummkopf und ein Narr! Ich könnte die Dokumente schneller beschaffen als jeder eurer Lakaien" sagte Isabella erbost.
„Verdammtes Weibsbild! Ich dachte meine Mutter hätte dir den Teufel aus dem Leib geprügelt!" Isabella schnaubte. Talbot drehte sich um und wollte ihr Zelt verlassen.
„Talbot, je mehr ihr meine Männer foltert, desto schneller vergesse ich, wo ich die Dokumente untergebracht habe!" Er drehte sich ruckartig um und Isabella war darauf gefasst. Er holte erneut aus und schlug sie heftig ins Gesicht.
„Wag es ja nicht mit mir Spielchen zu spielen! Meine Geduld solltest du nicht weiter ausreizen!" Damit trat er aus dem Zelt und sagte zu einem Soldaten
„Gebt ihr etwas zu Essen und zu Trinken. Ich kann es mir nicht leisten, dass sie mir verhungert!" Als der Soldat in ihr Zelt trat und ihr die Schüssel mit der heissen Suppe reichte, konnte Isabella sich kaum zurückhalten. Sie trank die Suppe hastig und spürte, wie sie sich ihren Mund verbrühte, doch das störte sie nicht. Das harte Stück Brot benutzte sie, um die Schüssel auszuwischen und biss mit ihren Zähnen grosse Stücke ab. Es war ungewohnt, nach einer solch langen Zeit wieder ihre Zähne zu benutzen. Der Soldat schien ziemlich schockiert über ihr Verhalten, denn er starrte sie unentwegt an. Nachdem sie einen besonders grossen Bissen hinuntergeschluckt hatte, sagte sie
„Noch eine?" und hielt ihm die leere Schüssel hin. Der Soldat nahm sie und verliess das Zelt, um kurze Zeit später mit einer weiteren vollen Schüssel zurückzukehren. Das Loch in ihrer Magengegend war nun etwas gefüllt und sie liess sich bei der zweiten Schüssel mehr Zeit. Das Kind bewegte sich angeregter und gab Isabella Hoffnung. Gerade als sie ihr Mahl beendet hatte kam Talbot in ihr Zelt, begleitet von zwei Wachmännern.
„Macht sie los" sagte er und die beiden Männer schritten an sie heran und lösten ihre Ketten. Ihre Arme sanken an ihren Körper und fühlten sich merkwürdig fremd an. Sie rieb sich ihre Gelenke und versuchte sich zu erheben. Durch das lange Knien hatte sie das Gefühl in ihren Beinen verloren und sie schaffte es nicht sich zu erheben. „Stützt sie und bringt sie hin" meinte Talbot und beobachtete sie scharf.
„Wohin bringt ihr mich?" fragte Isabella überrascht. Die beiden Soldaten hoben sie hoch und stützten sie, als sie aus dem Zelt und Richtung Kommandozelt gingen. Isabella blickte auf das grosse Zelt in der Mitte des Lagers. Hier hatte Alec sie vor einem Priester zur Ehefrau genommen und ihr ewige Treue und Fürsorge geschworen. Tränen brannten in ihren Augen. Nein! Jetzt durfte sie nicht daran denken! Sie würde ihn wiedersehen, ihm sein Kind schenken und mit ihm den Rest ihres Lebens verbringen! Das Zelt wurde immer grösser. Die Soldaten zerrten sie hinein, liessen sie auf einen Stuhl niedersinken. Das Kommandozelt wirkte unverändert, so als würde gleich Thomas durch den Eingang schreiten und verkünden, dass der Krieg vorbei sei. Die beiden Soldaten blieben kurz hinter ihr stehen. Talbot stand an dem runden Steintisch in der Mitte und schien auf jemanden zu warten. Verunsichert was nun passieren würde, liess Isabella ihre Augen langsam zum Eingang wandern. Sie hörte etwas. In das Zelt trat ein grosser muskulöser Mann. Sein Gang war aufrecht, er versprühte eine Aura aus Brutalität und Angst und man sah ihm seine grosse Selbstsucht an. Er hatte seinen Blick, wie ein Raubtier, auf Talbot gerichtet und schritt auf ihn zu. Er erinnerte sie ein wenig an den grossen barbarischen Söldner, den sie in Carlisle gesehen hatte. Sein braungebranntes Gesicht war mit unzähligen Narben gesühnt und seine eiskalten blauen Augen verrieten nichts Gutes. Er stellte sich vor Talbot und meinte fast ironisch
„Wie ihr befohlen habt" dann wandte er sich um und blickte ebenfalls zum Eingang. Ein weiteres Mal schritten Männer in das Zelt. Sie schleiften einen Gefangenen mit sich. Isabella erkannte nicht um wen es sich handelte. Der Mann hatte unzählige Striemen und Verletzungen auf seinem Körper. Er trug eine zerschlissene Hose und kein Hemd mehr. Die Haare waren blutverschmiert und klebten ihm im Gesicht. Als die Söldner ihn, nicht unweit von Isabella, auf den Boden stiessen, erhaschte sie einen Blick auf seinen Rücken. Isabella glaubte ohnmächtig zu werden. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und ihre Augen waren starr vor Entsetzen. Die Haut hing in Fetzen von seinem Rücken. Man sah alte und ganz frische Peitschenstriemen. Getrocknetes Blut zwischen frisch fliessendem. Der Gefangene hatte bis jetzt jedoch noch kein Wort von sich gegeben, er rührte sich kaum und blieb zusammen gekauert auf dem Boden liegen. In Isabellas Hals formte sich ein dicker Kloss, der ihr fast den Atem nahm. Leise flossen ihr Tränen übers Gesicht und sie fragte sich, wie sie dieses Unglück hätte verhindern können. „Talbot, ihr habt mir die Erlaubnis erteilt und ich werde es vollbringen. Also versucht erst gar nicht mich davon abzuhalten" sagte der Söldner, welcher als erster ins Zelt gekommen war. Isabella sah wie Talbot schluckte
„Ja, Rosco. Ihr habt mein Wort". Isabella blickte von dem zerfetzten Rücken zu Talbot. Was wollte er tun? Eine Art Beutel wurde gereicht und Rosco entrollte ihn auf dem Steintisch. Sie konnte aber nicht erkennen was darin verborgen lag. Als Rosco sich zu ihnen wandte, hielt er eine Art Klemme aus Eisen in der Hand. In ihrem Innern machte sich eine Gewissheit breit und liess ihr kalte Schauer über den Rücken gleiten. Mit einer dünnen, ihr fremden Stimme fragte sie
„Wwas habt ihr vor?" Rosco grinste verwegen und setzte einen düsteren Blick auf. Bei ihren Worten hatte sich der Gefangene am Boden geregt. Er drehte sich in ihre Richtung und starrte sie an
„Isabella?" hauchte er mit einer gebrochenen Stimme. Isabella fühlte sich, als hätte ihr Talbot soeben eine schallende Ohrfeige verpasst. Ihr Mund war ausgetrocknet und sie sagte
„Rickard...?" Sie schluckte leer. Sie hatte den Mann zu ihren Füssen kaum wiedererkannt. Sie hatten ihn seiner Schönheit beraubt, ihn ausgemergelt und grauenvoll gefoltert. Rickard benetzte seine aufgesprungenen Lippen mit seiner Zunge und sah sie weiterhin an
„Geht... geht es dir gut? Haben sie dir etwas angetan?" Die schwere Last drückte auf ihr Herz und sie hatte beinahe das Gefühl keine Luft zu erhalten. Mit bebendem Brustkorb blickte sie von Rickard zu seinem grausamen Peiniger, Rosco. Dieser gab seinen Männern ein Zeichen, damit sie Rickard auf die Knie zerrten und ihn festhielten. Er klapperte mit der Klemme und ging beinahe genüsslich um Rickard herum, wobei er Isabella scharf beobachtete. Als er ihn zweimal umrundet hatte, blieb er zwischen ihnen beiden stehen
„Wie rührend! Der Gefolterte schert sich doch tatsächlich um das Leben einer schwangeren Adligen, der es im Vergleich mit ihm, einiges besser zu gehen scheint und die dazu noch an seiner Situation schuld ist" sagte Rosco sarkastisch und wartete auf eine Reaktion. Doch Isabella und Rickard schwiegen und blickten sich an. Diese Befriedigung wollten sie ihm nicht gönnen. Rosco schwenkte diese Eisenklemme umher und befahl an Isabella gerichtet „Sagt mir wo ihr die Dokumente versteckt habt". Die geballte Kraft mit derer er jedes einzelne Wort betonte, war enorm einschüchternd. Isabella schluckte. „Nun... vielleicht kennt ihr mich noch nicht so, wie unser lieber Rickard de Warenne mich kennt" er grinste grässlich und sah dabei Rickard an „Ihr müsst eines über mich wissen Lady, ich frage eine Frage immer nur ein einziges Mal und wenn mich die Antwort nicht befriedigt, dann sorge ich dafür, dass ich mir Genugtuung verschaffe" seine eisigen Augen schienen bei diesen Worten zu glitzern und er fuhr fort „Ich weiss ihr seid nicht dumm und deshalb werde ich, nachdem ich euch nun die Spielregeln erklärt habe, noch ein einziges Mal fragen. Wo habt ihr die Dokumente versteckt?" Isabellas Herz raste und sie versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Was sollte sie nur tun? Würde er Rickard vor ihr töten? Oder quälen? Sie wusste es nicht.
„Isabella tu es nicht! Verrate ihnen nichts!" presste Rickard hervor und versuchte sich, schwach wie er war, aus dem festen Griff seiner Wärter zu befreien. In einem Satz war Rosco zu Rickard getreten und quetschte seine drei äusseren Finger zwischen die Eisenklemme. Da war Isabella klar, dass er Rickard vor ihren Augen langsam und bestialisch zerstückeln würde, bis Isabella den Standort ihrer Verstecke verraten würde. Rosco blickte Isabella erwartungsvoll an, dann setzte er seine beiden Hände an die Hebel und wollte zudrücken.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt